„Ihre Rollenfindung braucht Zeit. Mit Offenheit und etwas Hintergrundwissen werden Sie diesen Entwicklungsprozess meistern.“
Für einen gelingenden Berufseinstieg ist es wichtig, die eigene Rolle im Team der Kita oder Krippe zu finden. Das geschieht auf mehreren Ebenen und stellt immer eine Herausforderung dar. Gut zu wissen, dass dieser Prozess nicht nach kurzer Zeit abgeschlossen sein muss!
Rollenfindung auf der Organisationsebene
Sich informieren
Ein gut organisiertes und funktionierendes Team ist Voraussetzung für qualifizierte, pädagogische Arbeit - mit diesem Ausbildungswissen und ersten Erfahrungen aus Praktika beginnt für Sie als Berufsanfänger/-in der Alltag in der Einrichtung. Bestehende Organisationskonzepte sind in der Praxis manchmal schwer durchschaubar. Das kann verunsichern. Einige Einrichtungen ermöglichen daher schon vor dem Start Hospitationstage. Eine Chance, die Sie nutzen sollten! Sie haben Anspruch auf ein Einführungsgespräch mit der Leitung, in dem Sie erste Informationen zum zukünftigen Aufgabenfeld bekommen.
Es gibt Sicherheit zu wissen, wo und wann man Verantwortung übernehmen wird. Dienstpläne, die neben den Arbeitszeiten aller Kollegen und Kolleginnen auch Zuständigkeiten visualisieren, können darüber hinaus sehr hilfreich sein. Einfach mal nachfragen, ob es so etwas gibt!
Beobachten und erste Aufgaben übernehmen
Ihre Arbeit beginnt meistens im Zweier- oder Dreierteam einer Gruppe. Sie dürfen und sollten sich hier ihrer Rolle als Anfänger/-in bewusst sein und Offenheit signalisieren für bestehende Strukturen und individuelle Besonderheiten einer Gruppe. Beobachten Sie dabei nicht nur passiv, sondern nehmen Sie nach und nach wahr, wer im kleinen Team welche Aufgaben übernimmt und wo Sie sich einbringen können. Leider ist diese Zusammenarbeit in manchen Einrichtungen noch durch einen unterschiedlichen Umgang mit früheren Hierarchieformen (Gruppenleitung, Zweitkraft) geprägt. Hier sollten Sie den Mut zur Zurückhaltung haben, um einzuschätzen, inwieweit dadurch schon eine erste Rollenzuweisung erfolgt. Suchen Sie den Austausch im Team, sobald Zuständigkeiten nicht klar definiert sind, und scheuen Sie sich nicht, kompetente Kolleg(inn)en bei neuen Aufgaben um Unterstützung zu bitten. Während der Einarbeitungsphase werden Sie bereits über die eigene Gruppe hinausgehende Aufgaben bekommen. Nicht immer ist dabei die Notwendigkeit sofort erkennbar. Sie brauchen dennoch die Bereitschaft, eine Aufgabe anzunehmen - und haben gleichzeitig die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird es sicher im Gesamt-Team die Chance geben, Organisationsfragen zu thematisieren und Erfahrungen zu reflektieren.
Sich selbst organisieren
Die tägliche Aufgabenvielfalt kann dazu führen, dass Sie sich als Berufsanfänger/-in unprofessionell fühlen - „Hilfe! Mir wächst alles über den Kopf!“. Eine gute Selbstorganisation wirkt da Wunder und lässt sich mit einfachen Methoden umsetzen. Ein griffbereites Heft für Notizen zum Tagesablauf (Aufgaben, Zeiten, Ansprechpartner/-innen, offene Fragen, Ideen) dient beispielsweise der Vereinfachung von Arbeitsprozessen und strukturiert die Arbeit. Eine junge Kollegin sprach von ihrem „Vergissmeinnichtbuch“ und dem guten Gefühl der Sicherheit, das es ihr gibt. Zudem verdeutlicht es mehr und mehr Ihre eigene Rolle im Organisationskonzept und im Team. Wunderbar, wenn Selbstorganisation am ersten Arbeitstag beginnt und in den folgenden Berufsjahren eine Selbstverständlichkeit für Sie bleibt. Sie geben damit auch ein Beispiel für andere.
Rollenfindung auf der Ebene der pädagogischen Konzeption
Sich informieren
Auch im pädagogischen Alltag beginnt die Suche nach der eigenen Rolle - diese erfordert weitaus mehr Zeit. Zunächst brauchen Sie Informationen:
- zu den pädagogischen Schwerpunkten der Einrichtung,
- zu Zielen und Umsetzungsschritten,
- zum Bild vom Kind,
- zum angestrebten Rollenverständnis der Erzieher/-innen.
Um ein pädagogisches Konzept in seiner Ganzheit zu verstehen, benötigen Sie als Berufsanfänger/-in Orientierungshilfen in Form von schriftlichen Konzeptionen, Fachliteratur und vertiefenden Gesprächen mit der Leitung oder im Team.
Stärken und Schwächen wahrnehmen
Ich ermutige Sie, im Team Ihre persönlichen Talente und Kompetenzen zu benennen. Ein gutes Team nimmt die individuellen Stärken als Bereicherung wahr. Wissen alle darum, wird es leichter fallen, Ihre Kompetenzen bei der Umsetzung pädagogischer Schwerpunkte sinnvoll einzusetzen und so die eigene Rolle zu finden. Wer daneben auch eigene Schwächen anspricht, signalisiert Bereitschaft, Hilfe anzunehmen und Kompetenzen zu erweitern. So könnte es sich anhören: „Ich mache seit vielen Jahren Yoga und habe auch Erfahrungen mit Kindergruppen. Kann ich das hier irgendwie einsetzen?“ oder „Ich habe Probleme, gegenüber Eltern die richtigen Worte zu finden. Das macht mir Angst“. Ihre Offenheit fördert die Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung zu den Kolleg(inn)en. Auch für Ihre Einrichtung gilt: Erzieher/-innen brauchen eine Vielfalt an Kompetenzen, müssen aber nicht in jedem Aufgabenfeld die gleichen Stärken vorweisen! Sie werden beobachten, dass auch da, wo gemeinsame pädagogische Richtlinien und Ziele für Verbundenheit im Team sorgen, Fachkräfte bei der Umsetzung Freiräume beanspruchen. Alle identifizieren sich beispielsweise mit der Rolle des/der „Entwicklungsbegleiters/-in für Kinder“, prägen aber mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten stark das tägliche Zusammensein mit den Kindern. So wird es auch bei Ihnen sein! Sie werden authentisch bleiben dürfen.
Entwicklung akzeptieren
Selbst erfahrenen Fachkräften fällt es zeitweise schwer, Theorie und Praxis eines pädagogischen Ansatzes in Einklang zu bringen. Alle Teammitglieder müssen immer aufs Neue die eigene Rolle hinterfragen und Veränderung und Entwicklung akzeptieren. Mit der Entscheidung für diesen wunderbaren Beruf haben auch Sie die Bereitschaft übernommen, den Weg der persönlichen Weiterentwicklung zu gehen. Sie bringen wertvolle Schätze aus Ihrer Ausbildung und Ihrem bisherigen Leben mit: Ihre erworbenen Kompetenzen, Ihre individuellen Stärken und Ihre Lust auf den Beruf. Ihre Leitung erwartet von Ihnen zu Recht, dass Sie sich um eine gute Umsetzung der pädagogischen Konzeption bemühen. Wünschenswert ist, dass Ihnen dabei die Chance gegeben wird, Ihre berufliche Identität schrittweise zu entwickeln.