Die Eine-Welt-Vision im Kita-Alltag lebenAlles ist miteinander verbunden

Die AWO Kita FaBIO in Herne wurde 2016 erneut für ihr Engagement für Globales Lernen als FaireKITA zertifiziert. Die Erzieherin Sandra Frin hat den Prozess begleitet und spricht über ihre Erfahrungen.

Alles ist miteinander verbunden: Die Eine-Welt- Vision im Kita- Alltag leben
© Sandra Frin, Herne

Kindergarten heute: Was bedeutet die Auszeichnung FaireKITA für die pädagogische Ausrichtung Ihrer Einrichrung?
Sandra Frin: In unserem Bildungsauftrag heißt es, wir sollen den Kindern die Möglichkeit geben, Verantwortung für ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Das findet täglich statt: im Umgang miteinander, in der Gesundheitsförderung, beim Forschen und nachhaltigen Handeln. Wir geben den Kindern Wissen über Zusammenhänge in der Welt mit auf den Weg. Das Konzept FaireKITA ist eine großartige Möglichkeit, diese Erziehungsziele zu erreichen und sich mit grundlegenden Werten wie Gerechtigkeit, Fairness, Solidarität, Toleranz, Respekt, Achtung allen Lebens und Weltoffenheit auseinanderzusetzen.

Wie wird der pädagogische Schwerpunkt im Alltag gelebt?
Ein Teil der Zertifizierungskriterien beinhaltet, dass Produkte aus dem fairen Handel im Alltag genutzt werden. Wir sind in der glücklichen Lage, dass bei uns frisch gekocht wird und dass wir, im Rahmen unseres Etats, Einfluss auf den Einkauf der Produkte haben. Zusätzlich wird im örtlichen Weltladen der Wochenbedarf an Bananen eingekauft. Zwei Kolleginnen bieten im „Weltentdecker-Klub“ regelmäßig größere oder kleinere pädagogische Einheiten zu Themen rund um das Globale Lernen an. Die Kinder erfahren, wie fairer Handel funktioniert, was Nachhaltigkeit ist, lernen unterschiedliche Lebensweisen und Kulturen kennen und setzen sich mit Kinderrechten auseinander. Sie lernen Wege kennen, wie sie ihre Zukunft mitgestalten können, indem sie Natur und Umwelt schützen.

Über welche Themen haben Sie mit den Kindern gesprochen?
Zunächst ging es darum zu klären, was überhaupt fair und was unfair ist. Die Vorschulkinder sammelten Situationen, die wir auf Fotos in der Kita ausstellten. Zum Beispiel, dass ein Kind nicht mitspielen darf, ausgelacht oder getröstet wird oder dass jemandem geholfen wird. Dann wurde das Fair-Trade-Siegel eingeführt. Am Beispiel von Bananen, Kakao, Kaffee oder anderen Fair-Trade- Produkten kann man den Kindern anschaulich zeigen, wie Handelswege funktionieren und wie Menschen in anderen Ländern der Welt leben. Unterstützt durch Medien wie Sachbücher, Bildkarten oder einen Globus lernten die Kinder Familien in den Produktionsländern kennen. Bei der „Reise eines T-Shirts“ wurde ihnen klar, dass Handel sehr kompliziert ist. Über das Beispiel des unfairen Handels und der damit verbundenen Kinderarbeit sind wir dann ganz schnell bei den Kinderrechten. Den Kindern wurde nach und nach deutlich, dass ihr Lebensstandard nicht überall gilt.

Welche Projekte haben sich ergeben?
Ein Projekt drehte sich um das Thema Müll. Wir sammelten Müll auf dem Bürgersteig und im Wald, machten eine Fotosafari als Mülldetektive, richteten Trennsysteme in der Kita ein, organisierten einen Ausflug zum Recyclinghof und vieles mehr. Das Projekt endete mit einer Ausstellung: Auf Plakatwänden präsentierten die Kinder in unserem Kita-Müllmuseum ihr neu erworbenes Wissen und Kunstwerke aus Müll. Das größte Projekt lief im letzten Jahr unter dem Oberbegriff „Afrika“ und gipfelte in einem großen Sommerfest. Obwohl wir uns monatelang mit dem Kontinent beschäftigten, war von vornherein klar, dass wir uns auf Teilaspekte beschränken mussten. In allen Aktivitäten sollte deutlich werden, dass es nicht nur eine afrikanische Lebensweise gibt.

Haben Sie auch Umweltthemen aus dem direkten Umfeld einbezogen?
Wir hatten immer wieder das Gefühl, dass Wasser in unserer Einrichtung verschwendet wird. Deshalb bearbeiteten wir den Aspekt des sauberen Trinkwassers als gesonderte Themeneinheit. Die Fachfrau für Forschen und Experimentieren im Team baute mit den Kindern eine Kläranlage und führte Experimente durch. Wir veranschaulichten bildlich den Wasserkreislauf in der Natur und in unserer Stadt. Im Laufe des Projekts traten immer wieder neue Fragen auf: Wie viel Wasser verbrauchen wir tagtäglich? Wo geht das Abwasser hin? Was passiert damit? Was passiert bei der Klimaerwärmung? Warum herrscht in einigen Ländern Dürre? Was passiert, wenn die Pole schmelzen? Was ist dann mit den Eisbären? Ab einem bestimmten Punkt haben die Kinder einen Bezug zu ihrem Leben und Handeln hergestellt und sich gefragt, was sie tun können.

Hat dies dazu geführt, dass Sie bei Hilfsprojekten aktiv wurden?
Wir haben den Aspekt des Teilens aufgegriffen und mit einer Stiftung in Dortmund Kontakt aufgenommen. Die Stiftung realisiert in Ländern wie Äthiopien Projekte zum Thema sauberes Wasser und baut z. B. Brunnen und Schultoiletten. Mit den Kindern und Eltern haben wir gemeinsam den Beschluss gefasst, die Hälfte des Erlöses aus unserem Sommerfest für diesen Zweck zu spenden. Die Kinder wussten nun, wofür sie sich engagierten. Als besonderen Höhepunkt der Sammelaktion traf eine kleine Gruppe von Kindern den Stiftungsgründer. Von ihm erfuhren sie aus erster Hand, was mit ihrer Spende geschieht.

Welche Auswirkungen haben diese Projekte auf die Familien und Fachkräfte?
Wir erfahren immer wieder, dass die Kinder ihr Wissen in die Familien tragen. Sie sind auf der Suche nach fairen Produkten im Supermarkt und regen sich über den Müll auf der Straße auf. Ein Vater erzählte, dass sein Sohn ihn anhält, beim Zähneputzen nicht mehr so viel Wasser zu verschwenden. Das freut uns natürlich sehr, denn es ist uns ein Anliegen, das kritische Denken und die Neugier der Kinder zu fördern. Wir haben festgestellt, dass sich alle Themenschwerpunkte einer FairenKITA in die Offene Arbeit integrieren lassen und der Anspruch des ganzheitlichen Lernens realisierbar ist. Die Arbeit als FaireKITA macht mir viel Spaß. Die thematische und pädagogische Auseinandersetzung empfinde ich als Bereicherung. Auch das Team ist von diesem Themenfeld so begeistert, dass viele ihr Konsumverhalten verändert haben. Alle lernen für sich selber ganz viel dazu.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell und in Zukunft?
Aktuell beschäftigen wir uns mit fair gehandeltem Tee. Eine Teekanne erzählt den Kindern ihre Geschichte und gibt einen historischen Rückblick zum Anbau von Tee. Auf Bildern und einem Globus sehen die Kinder, aus welchen Regionen der Erde Tee kommt, wie er angebaut und geerntet wird. Wir verkosten unterschiedliche Sorten Tee, riechen und schmecken ihn. Außerdem wird Tee nach Entspannungsübungen gereicht und damit sogar gemalt. Die Stadt Herne hat im April einen Fachtag zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung durchgeführt und bei meiner Kollegin Dagmar Zielonka und mir angefragt, ob wir eine Themeninsel anbieten und unsere Arbeit vorstellen würden. Das haben wir gern gemacht, weil wir uns wünschen, dass das Thema immer weitere Kreise zieht.

Das Interview führte Susanne Weiss, Redaktion kindergarten heute.

Unterstützung für Kitas

Das Projekt FaireKITA wurde 2013 vom Netzwerk Faire Metropole Ruhr initiiert, um Kitas in NRW dabei zu unterstützen, Nachhaltigkeit und Globales Lernen in die eigene Arbeit zu integrieren. Seit 2016 können sich Kitas aus ganz Deutschland bewerben. Ansprechpartner ist die Projektstelle FaireKITA, die im Informationszentrum Dritte Welt Dortmund e. V. angesiedelt ist. Das Projekt wird gefördert durch die Engagement Global gGmbH mit ihrer Servicestelle Kommunen in der einen Welt, im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Weitere Infos und Kontakt: www.faire-kita-nrw.de

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