Lennard gräbt seine Finger tief in den feinen weißen Sand. Kühl ist er. Dann taucht er seine ganze Hand ein und weiter, bis auch der Unterarm im Sandeimer verschwindet. Er spürt dem Gefühl auf der Haut nach, dreht und wendet die Hand. Plötzlich fällt ihm wieder ein: Er wollte Sand schöpfen. Und schon rennt er mit dem randvoll gefüllten Becher hin zur Schlange. Lennard hatte etwas Sand verschüttet und dieser zieht als feine weiße Spur seinen Weg nach, doch hier draußen auf dem Feldweg stört das niemanden. Er orientiert sich kurz, wo sein Platz an der Schlange war, denn alle arbeiten dort, wo ihr Platz ist. So entsteht ein gemeinsames großes Werk. Er bückt sich und beginnt vorsichtig zu schütten. Er weiß, wie man den biegsamen Gipsbecher so hält, dass an einer Stelle ein Schnabel entsteht und der herausfließende Sand feine Linien auf den Boden zeichnet. Deshalb trifft er jetzt ganz genau seine Stöckchenlinie und füllt diese. Die Linie haben die Kinder vorher gezogen, als alle auf dem Boden lagen – Kind an Kind –, sodass eine lange Schlange entstand, deren Umriss sie in den Boden ritzten.
Während Lennard noch schüttet, sammelt Emre schon Material – Blätter, Rinden, da hinten hat er sogar leuchtend gelbe Blüten entdeckt, aus denen er der Schlange Flecken machen möchte. Denn farbig muss die Schlange noch werden, finden die Kinder – aber mit Tarnfarbe aus der Umgebung. So soll die Schlange aussehen, als wäre sie aus dem Flusstal nach oben gekrochen. Lisa findet, dass die Leute kurz erschrecken dürfen, bevor sie sehen, dass die Schlange gar nicht echt ist. Sie hat begonnen, weitere Sandmuster zu streuen und mit dem Finger in die Sandflächen zu zeichnen. Spiralen, Streifen, Punkte oder kleine Kegel – Lisa ist ganz abgetaucht in das Fließen des Sandes.
Bildungsaspekte
Trockenen Quarzsand rieseln zu lassen, ist ein sinnliches Erlebnis. Der feine Sand verhält sich fast wie eine Flüssigkeit, besteht aber doch aus winzig kleinen festen Teilchen. Den Eigenschaften des Sandes spüren die Kinder beim Arbeiten nach: Sand kann auf den Erdboden geschüttet, glattgestrichen oder aufgeklopft werden. Dafür setzt das Kind die Hand unterschiedlich ein. Wird der Sand mit Wasser verdünnt, kann er gekleckert oder getropft werden – je nach Konzentration der Mischung. Wird der Sand mit Naturpigmenten eingefärbt oder das Sandbild mit Naturmaterialien kombiniert, ergeben sich viele Möglichkeiten der Gestaltung. Die Mönche in Tibet färben den Sand und lassen farbenfrohe Mandalas entstehen. Die Bilder werden dann zusammengefegt und dem Wind übergeben. Sieht man Kinder mit Sand arbeiten, spürt man eine ebenso tiefe Hingabe an das Material, ein Versinken im Tun. Da ein Sandbild der Natur überlassen wird, entsteht kein Ergebnisdruck. Das Kind arbeitet nur für den Moment und sein Erleben. Vielleicht kann es spüren, dass ein Strom von Ideen aus dem eigenen Inneren fließt und dass die Umsetzung in Handlung ihm eine tiefe Zufriedenheit bereitet, ein Gefühl des Einsseins mit der Welt. Ermöglichen wir Kindern solche Erfahrungen, geben wir ihnen den Glauben an die eigene schöpferische Kraft und Inspiration mit auf ihren Lebensweg.
Kreative Ideen mit Quarzsand in der Natur
Quarzsand ist ein Naturmaterial, das man für kreative Arbeiten im Wald und auf Wiesen verwenden und dort belassen kann. Im Baumarkt sind große Gebinde so günstig, dass man großzügig damit arbeiten kann. Dieser Sand fühlt sich weich an, verklumpt nicht, und rieselt sehr schön – viele kennen ihn als Strandsand. Kinder lieben es, Quarzsand auf der Haut zu spüren, ihn zwischen den Fingern durchrinnen zu lassen oder als „Sandfall“ aus großer Höhe zu schütten.
Laufspuren
Aus einem Gipsbecher geschütteter weißer Quarzsand zeichnet feine Linien auf die dunkle Erde. Ebenso spannend ist eine sandgefüllte Plastikflasche, mit der die Kinder ihre Laufstrecke mitzeichnen können. Dazu bohrt man ein Loch in den Deckel, füllt Quarzsand mit dem Trichter ein und hält die gefüllte Flasche verkehrt herum, sodass der Sand durch das kleine Bohrloch herausrieselt.
Sandbilder
Als Einstieg für das Arbeiten an einem Sandbild draußen bietet sich das Modellieren des Erdbodens an: Auf einer vorgegebenen Fläche (z.B. Rahmen aus Ästen oder einem Körperteil der Schlange) lässt man die Finger über den Boden gleiten, drückt Stellen ein und gräbt Linien ein. Man spürt so die Beschaffenheit des Erdreichs, entdeckt verrottende Blätter vom letzten Herbst, hervorbrechende junge Triebe, nimmt auf sinnliche Art Kontakt zur Erde auf. Die so entstandenen Muster schüttet man im nächsten Schritt mit Sand nach.
Vermischt man im Gipsbecher den Sand mit Naturpigmenten, so entsteht farbiger Sand. Dieser oder wahlweise gesammelte Blätter, Blüten und Steine – Fundstücke vor Ort – können für farbige Flächen in Bodenbildern verwendet werden.
Gemeinschaftsarbeit: Schlange
Eine schöne Gemeinschaftsarbeit für Kinder ist eine Schlange, an der jedes Kind einen Teil des Körpers gestalten kann. Der Schlangenumriss entsteht, indem die Kinder sich in geschlängelter Linie hintereinander auf den Boden hocken oder legen. Zeichnet man mit einem Stock in den Erdboden (oder mit Kreide auf Asphalt) den Umriss nach, so hat jedes Kind ein bewältigbares Segment vor sich, das gestaltet werden kann. Zuerst werden die Umrisslinien mit Sand nachgezeichnet, dann kann die Schlangenhaut fantasievoll mit gefärbtem Sand oder Blättern und Blüten aus der Wiese gestaltet werden.
Aktion: Schmetterling
Geeignete Motive für Einzelarbeiten am Boden sind Formen mit einfachen, den Kindern geläufigen Umrissen: Kreise, Herzen, der eigene Körperumriss bieten sich an oder wie bei dieser Aktion: der Schmetterling.
Dafür sucht sich jedes Kind einen Platz auf einem Weg, an dem es arbeiten möchte, und beginnt mit einer Umrisszeichnung des Schmetterlings. Dann darf gesucht und gesammelt werden, was die Wiese an Farben hergibt – natürlich nicht, ohne vorher auf geschützte Pflanzen und eine angemessene Menge hinzuweisen. Bunter Sand kann die Farbigkeit ergänzen. Zum Schluss fliegt ein Schwarm bunter Schmetterlinge über den Boden.
Zeitreise
Die Kinder erfinden ein Wappen, das ihre Fahnen als Ritter geschmückt hätte, und gestalten es mit gefärbtem Sand. Davor zeichnen sie das Wappen mit Kreide auf den Boden.
Sandmandalas
Bei den Mönchen in Tibet haben Sandmandalas eine lange Tradition.
Der gefärbte Sand wird bei religiösen Zeremonien in sehr feinen Mustern aufgebracht. Anschließend wird das Bild zusammengefegt und dem Wind übergeben. Gestaltet man, wie in diesen Beispielen, große Sandbilder mit Teams oder Eltern entstehen sehr eindrucksvolle, kräftige Motive. Der Arbeitsprozess wird als meditativ und gemeinschaftsfördernd erlebt. Wichtig ist bei Kreismotiven die Arbeit aus der Mitte nach außen. Für Kinder einfacher zu begehen sind Kreisringe mit offener Mitte.