Für Berufseinsteiger*innenTipps zur Psychohygiene - Wie schaffe ich es, nicht auszubrennen?

CARMEN SCHMIEDER : Ich baue kleine Entspannungstechniken in den Kindergartenalltag ein. Das tut nicht nur mir gut, sondern auch den Kindern – sei es eine vereinbarte Stillezeit beim Mittagessen, Fantasiereisen in der Ruhezeit, Lauschen von Klängen und Geräuschen oder ruhige Angebote wie z. B. Filzen. Meine Tipps: Kindergartengruppen, so gut es geht, in Kleingruppen aufteilen, viel Freispiel an der Natur und nicht zuletzt: einfach mal durchatmen. In meiner Pause verlasse ich das Kindergartengelände, um auch wirklich abschalten zu können. Natürlich müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen, die von uns Erzieher*innen nicht unbedingt zu beeinflussen sind. Die Politik könnte dazu noch einiges beitragen: mehr Gehalt, ein präventives Gesundheitsangebot etc. Bessere Arbeitsbedingungen erhalten nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Arbeitsmotivation.

CHRISSI KAUFMANN: Ich gebe täglich mein Bestes – alles andere liegt nicht in meiner Hand.

MELANIE BÖTTCHER: Wenn ich frei habe, dann habe ich auch frei. Das musste ich erst lernen, aber mittlerweile klappt es ganz gut. :-)  

Gerade Sie als junge Pädagog*innen haben oft einen sehr hohen Anspruch an sich selbst. Sie müssen sich erst im Job zurechtfinden und gleichzeitig möchten Sie professionell sein. Sie wollen den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden, sie in ihrer Entwicklung bestmöglich fördern und mit ihnen einen positiven Alltag gestalten. Doch dies ist bei ungünstigen Rahmenbedingungen nicht immer einfach. Lassen Sie mich daher mit einem grundsätzlichen Tipp starten.

Rollenverständnis klären

  • Zunächst müssen Sie sich mit der Frage auseinandersetzen, wie Sie Ihre Rolle definieren und ausfüllen wollen. Auf der einen Seite erbringen Sie als pädagogische Fachkraft eine Dienstleistung. Auf der anderen Seite sind Sie der Profi, die Fachkraft für Bildung und Erziehung mit Ihren Kenntnissen und Ihrer individuellen Persönlichkeit. Was muss ein Arbeitstag für Sie beinhalten, damit Sie am Ende des Tages zufrieden nach Hause gehen? Wie möchten und können Sie diese Ziele erreichen?
  • Je klarer das Rollenverständnis ist, desto sicherer sind Sie im Umgang mit den Kindern und Eltern/Sorgeberechtigten (ab hier kurz: Eltern).

In der Zusammenarbeit mit Eltern immer die professionelle Ebene wahren

  • In unserer Einrichtung gilt die klare Regel, alle Eltern mit „Sie“ anzusprechen. Das un terstützt verbal die gebotene Distanz. Zudem ist es wichtig, die Eltern auf der kommunikativen Ebene gleich zu behandeln. Sie fragen sich vielleicht, was dieser Tipp mit Psychohygiene zu tun hat. Meiner Erfahrung nach machen pädagogische Fachkräfte bei Eltern, zu denen sie ein eher freundschaftliches Verhältnis haben, schneller Zugeständnisse. Das führt schnell zu Überforderung, weil Sie unter Druck geraten oder den Zwiespalt zwischen den Erwartungen der Eltern und den eigenen Ansprüchen spüren.
  • Eine professionelle Beziehung gelingt durch eine klare Haltung und Souveränität. Lernen Sie von erfahrenen Kolleg*innen, aber „verstecken“ Sie sich nicht hinter ihnen. Mit Ihrer Persönlichkeit und Ihrer fachlichen Kompetenz bringen Sie das nötige Rüstzeug mit.

Stellen Sie fest, ob Sie im richtigen Team sind

  • Vertretende unseres Berufs vermitteln Werte und Regeln. Deshalb muss jede*r für sich die Frage klären, was ihre/seine eigenen Werte sind. Und: Passen die eigenen Werte zum pädagogischen Konzept der Kita, in der ich arbeite? Haben die anderen Kolleg*innen das gleiche Bild vom Kind? Natürlich bringt jede*r die eigene Persönlichkeit und Bildungsbiografie mit. Aber grundlegende Auffassungen müssen übereinstimmen, damit man sich langfristig in einem Team wohlfühlen kann. Wenn Sie dauerhaft gegen Ihre Werte arbeiten müssen, werden Sie unzufrieden und können keine gute Arbeit leisten

Tragen Sie aktiv zu einem positiven Betriebsklima bei

  • Auch wenn die Rahmenbedingungen passen, wird es immer mal wieder Situationen geben, in denen Sie sich Herausforderungen gegenübersehen. Dann ist es wichtig, Probleme nicht zu lange mit sich herumzutragen, sondern möglichst direkt anzusprechen. Suchen Sie sich Verbündete, wenn Sie an einer Stelle nicht weiterkommen, Ihnen die Lösung aber am Herzen liegt. Achten Sie dabei auf eine angemessene Diskussionskultur und bringen Sie selbst Lösungsvorschläge ein. Beziehen Sie die Leitung ein, wenn es Herausforderungen oder Konfliktsituationen gibt, die Sie nicht allein lösen können oder wollen.
  • Für die Nutzung sozialer digitaler Netzwerke mit Ihren Kolleg*innen sollten Sie klare Regeln vereinbaren. Zu welcher Zeit möchten Sie sich außerhalb der Arbeit über dienstliche Themen austauschen? Sollte das Netzwerk nur für bestimmte Themenbereiche genutzt werden? Findet ein fachlicher und informeller Austausch statt oder wird auch gern mal über jemanden gelästert?

Ausgleich schaffen

  • Der Bildungsauftrag richtet sich nach den Bedürfnissen und Interessen der Kinder. Dies ist eine schöne, aber zugleich oft anstrengende Aufgabe. In meiner Freizeit konzentriere ich mich daher auf meine Bedürfnisse und Interessen. Für mich persönlich ist Sport ein guter Ausgleich. Ich treffe mich auch gern mit Freund*innen außerhalb des Teams. Wenn ich auch meine Freizeit häufig mit Pädagog*innen verbringe, landen die Gesprächsthemen doch automatisch wieder bei der Arbeit. Egal wie der Ausgleich aussieht – an jedem Tag sollten Sie etwas Zeit für sich finden.

Abschalten

  • Für mich habe ich eine feste Regel, wie lange ich mich nach der Arbeit noch mit dienstlichen Gedanken befasse: Das ist der Weg vom Kindergarten bis zur U-Bahn. Auf diesem Weg gehe ich den Arbeitstag gedanklich noch einmal durch. Dann bleiben die Gedanken quasi am Weg liegen. Wenn es nötig ist, sammle ich sie dann am nächsten Tag wieder ein. Danach schließe ich den „Platz im Gehirn“ für die Arbeit ab. Das gelingt nicht immer, aber dabei unterstützt auch mein nächster Tipp.

Zu Hause nur Positives von der Arbeit erzählen

  • Bei uns gibt es eine klare Regel: Zu Hause wird nicht über die Arbeit gesprochen. Wenn wir uns etwas erzählen, dann sind es positive Erlebnisse. Das klingt zunächst sicher etwas befremdlich. Fast alle Menschen möchten ja den Partner oder die Partnerin oder die Mitbewohner*innen am Berufsalltag teilhaben lassen. Aber überprüfen Sie einfach mal, welche Dinge Sie zu Hause erzählen. Die meisten neigen dazu, dort die Probleme abzuladen. Das hat zwei sehr negative Folgen. Zum einen belasten Sie Ihren Partner/Ihre Partnerin oder andere Vertraute mit diesen negativen Dingen. Zum anderen beschäftigen Sie sich erneut mit den Problemen, die Sie auf der Arbeit lassen sollten. In der Zeit, in der ich das gemacht habe, habe ich mir ein negatives Bild von meinem Job aufgebaut und bin unzufrieden geworden.
  • Daher: In diesem wunderbaren Beruf können Sie nur dann richtig gut sein, wenn Sie auch auf sich achten. Ich gehöre zu den Menschen, die Jahre für diese Erkenntnis gebraucht haben. Doch das Bewusstsein für die eigene Gesundheit wächst und mit der Zeit findet jede*r wohl eigene Strategien, Stress zu bewältigen und den Alltag gut zu meistern. Vielleicht ist ein guter Weg, sich dazu ab und zu mit anderen Menschen auszutauschen. Jede*r muss die eigenen Batterien immer wieder aufladen. Das ist keine Schwäche. Und auch das ist eine wesentliche Erkenntnis.

Resümee

  • In den letzten Jahren wurde einiges getan, um die Bedeutung des Erzieher*innen-Berufs hervorzuheben. Im Berliner Bildungsprogramm beispielsweise wurde der Begriff „Erzieher*in“ durch den Begriff „Pädagoge/ Pädagogin“ ersetzt. Dies ist ein wichtiges Signal, weil dadurch die Arbeit in Kitas als (frühkindliche) Bildung und damit als wesentlicher Bestandteil des Bildungssystems anerkannt wird. Neben der Stärkung des Bewusstseins durch Politik und Öffentlichkeit ist aber auch die selbstbewusste Haltung der einzelnen Fachkräfte wichtig. Enthusiasmus für die Belange der Kinder und ihrer Familien ist dafür unerlässlich. Damit das über die Jahre gelingt, brauchen Sie eine Balance zwischen Ihrer Arbeit und Ihrer Freizeit für eine bewusste Lebensgestaltung.

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