Was unsere Rechtsexpertin rätGesundheitsschutz am Arbeitsplatz

Stellen Sie sich vor, zwei Ihrer Kolleginnen fallen wegen Rückenbeschwerden aus. Nun ist auch noch die Aushilfe für zwei Wochen krankgeschrieben. Was Sie selbst für Ihren gesundheitlichen Schutz tun und beim Träger einfordern können.

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
© skypicsstudio - AdobeStock

Fallbeispiel
Frau Schneider, Erzieherin in der Kita „Villa Kunterbunt“, steigt nach Dienstende in ihr Auto. Als sie den Schlüssel umdreht, merkt sie, wie erschöpft sie ist. Und das an einem Montag … Sie hat schon wieder Kopfweh, der Rücken schmerzt und sie fühlt sich gestresst. Und: Die nächste Erkältung scheint auch bereits wieder im Anflug zu sein. Frau Schneider fragt sich, ob das eben einfach der normale Berufsalltag einer Erzieherin ist oder ob man nicht doch etwas ändern kann.

Nach einer Befragung von Ver.di und GEW geben nur 13% der Erzieher*innen an, während bzw. unmittelbar nach der Arbeit keine gesundheitlichen Beschwerden zu empfinden. Lediglich 26% glauben daran, gesund das Rentenalter zu erreichen.1

Wie lassen sich gesundheitliche Belastungen und Risiken für Erzieher*innen in Kitas minimieren?

Was sagen Recht und Gesetz dazu?

Der Träger der Kita ist verpflichtet, die Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten während der Arbeit zu gewährleisten (vgl. §§241 Abs. 2, 617 – 619 BGB, §3 ArbSchG). Dazu hat er zunächst die Arbeitsbedingungen mithilfe einer Gefährdungsbeurteilung zu bewerten und daraus konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen abzuleiten (§5 ArbSchG, §3 LärmVibrationsArbSchV).
Neben dem Träger ist auch die Kita-Leitung im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben und Befugnisse verantwortlich, erforderliche Maßnahmen für eine Verbesserung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes zu treffen und den Träger auf erforderliche Maßnahmen hinzuweisen (§13 ArbSchG). Jede Einrichtung ist verpflichtet, für die eigene Situation praxisgerechte Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
Erzieher*innen haben eine sogenannte Mitwirkungspflicht (§§15 – 17 ArbSchG). Sie sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit selbst Sorge zu tragen, Weisungen zu befolgen und Gefährdungen mitzuteilen (§15 ArbSchG). Sie müssen den Träger durch eine sogenannte Überlastungsanzeige auf Missstände hinweisen, die ihre Gesundheit oder Sicherheit oder die der zu betreuenden Kinder gefährden (vgl. §§15, 16 ArbSchG).

Was bedeutet das für Sie in der Praxis?

Lärm
In einer Umfrage der Betriebskrankenkasse Kassel gab fast die Hälfte aller befragten Erzieher*innen Lärm als hohe gesundheitliche Belastung an.2 Neben der Gefahr einer dauerhaften Hörschädigung kann Lärm vielfältige Gesundheitsprobleme wie beispielsweise Bluthochdruck, Kopfschmerzen, psychische Belastung, Gereiztheit und Nervosität verursachen. Der für Kitas empfohlene maximale Lärmpegel von 70dB(A)3 wurde nach einer von der Unfallkasse Hessen in Auftrag gegebenen Untersuchung in den meisten untersuchten Kitas deutlich überschritten.4

Verantwortungsbereich Träger

Der Träger einer Kita ist zunächst verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung über Art, Ausmaß und Dauer der Lärmbelastung in der Kita zu erstellen (§3 LärmVibrationsArbSchV) und dann entsprechend der Gefährdungsbeurteilung geeignete Schutzmaßnahmen zur Verringerung des Lärms zu ergreifen (vgl. §§3, 7 LärmVibrations- ArbSchV).
Um den Lärm zu reduzieren, kommen bautechnische Maßnahmen, wie beispielsweise die Anbringung schallschluckender Elemente, aber auch organisatorische und pädagogische Maßnahmen in Betracht.
Bautechnische Maßnahmen fallen in den Verantwortungsbereich des Trägers, organisatorische und pädagogische Maßnahmen fallen in der Regel in den Verantwortungsbereich der Kita-Leitung.

Verantwortungsbereich Leitung

Organisatorische Maßnahmen, die zur Lärmreduzierung beitragen, wären beispielsweise das Anbringen von Filzpads unter Stühlen und Tischen, geeignete Tischdecken, die Reduzierung der Gruppengrößen bei einzelnen Aktivitäten und die Gestaltung des Tagesablaufs (vgl. §§3, 13 ArbSchG). Als pädagogische Maßnahmen wären beispielsweise das Einführen einer Lärmampel, Ruhezeiten, Rückzugs- und Tobeorte zu nennen. Der Lautstärkepegel in den einzelnen Räumen kann auch dadurch gesenkt werden, dass mit den Kindern bei jedem Wetter auf das Außengelände gegangen wird und dass ggf. einzelne Kinder in Kleingruppen auch auf dem Flur spielen dürfen.
Frau Schneider aus dem Fallbeispiel könnte in der nächsten Teamsitzung anregen, dass eine Lärmmessung in der Kita vorgenommen wird, mit dem Träger Maßnahmen zum Lärmschutz besprochen werden und dass gemeinsam das pädagogische Konzept überdacht wird, um den Lautstärkepegel in den einzelnen Räumen zu senken.

Rückengerechtes Arbeiten

Um auf Augenhöhe mit den Kindern zu sein, müssen sich Erzieher*innen oft bücken oder in die Knie gehen. Zusätzlich wird der Rücken durch das Tragen der Kinder und zu niedrige Tische, Stühle und Waschbecken beansprucht. Das tägliche Sitzen an zu kleinen Tischen und Stühlen führt bei Erwachsenen zu einer gebückten Haltung, die nicht nur den Rücken, sondern auch die Gelenke und das Verdauungssystem belasten können. Der Kita-Träger ist verpflichtet, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Gesundheit der Mitarbeiter*innen nicht gefährdet wird. Er muss erwachsenengerechtes und ergonomisches Mobiliar bereitstellen. Hochstühle und höhenverstellbare Stühle ermöglichen es, rückenschonend auf Augenhöhe der Kinder in Kontakt zu sein. Die Kita-Leitung sollte den Träger darauf hinweisen, geeignetes Mobiliar zur Verfügung zu stellen. Auch die Anschaffung rückenschonender Tragehilfen für Krippenkinder und Wickeltische, auf die die Kinder selbstständig klettern können, können sehr entlastend sein. Müssen Kinder hochgehoben werden, sollten Erzieher*innen immer darauf achten, in die Hocke zu gehen.
Eine gemeinsame Team-Fortbildung zum rückenfreundlichen Arbeiten kann helfen, den Arbeitsalltag zu entlasten.

Psychische Belastungen

Ein gutes Betriebsklima, freundliche Eltern und kleine Gruppengrößen lassen sich natürlich nicht einklagen. Es ist aber möglich, gemeinsam im Team, ggf. unter Anleitung einer sachkompetenten Moderation, in regelmäßigen Abständen Stressoren in der Kita zu identifizieren und präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen zu erarbeiten. In einem solchen sogenannten Gesundheitszirkel ist es oft möglich, praxisnahe Lösungsideen zur Gesundheitsförderung in der Kita zu entwickeln. Auch Betriebsausflüge, gemeinsame Aktivitäten und sonstige teambildende Maßnahmen können das Betriebsklima verbessern und somit die Ressourcen der Einzelnen stärken. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit besteht, Bildungsurlaub in Anspruch zu nehmen. Es gibt vielfältige anerkannte Angebote zum Thema Gesundheit und Stressbewältigung. In allen Bundesländern außer Bayern und Sachsen haben Arbeitnehmer*innen zusätzlich zum Erholungsurlaub einen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub pro Kalenderjahr bzw. zehn Tage pro zwei Kalenderjahre.

Infektionsschutz

Erzieher*innen sind durch den engen Körperkontakt mit Kindern und Tätigkeiten wie Wundversorgung und Windeln wechseln einer erhöhten Infektionsgefährdung ausgesetzt. Um das Infektionsrisiko zu minimieren, muss jede Kita einen Hygieneplan erstellen, der Regelungen zur Hygiene und Desinfektion enthält (vgl. §36 IfSG). Der Hygieneplan wird vom Gesundheitsamt überprüft. Für die Einhaltung des Hygieneplans ist die Kita-Leitung verantwortlich. Der Träger muss die Mittel für geeignete Schutzmaßnahmen zur Infektionshygiene wie bspw. Handschuhe und geeignete Reinigungsmittel zur Verfügung stellen. Erzieher*innen sollten sich an die Hygienevorschriften halten und im Kita-Alltag durch geeignete Maßnahmen darauf achten, dass das Infektionsrisiko minimal ist. Sie sollten kranke Kinder unverzüglich abholen lassen. Über aktuell in der Kita aufgetretene Erkrankungen und deren Symptome können sie Eltern beispielsweise durch Aushänge im Eingangsbereich informieren (Namen erkrankter Kinder dürfen selbstverständlich nicht genannt werden). Auch im Winter sollten Erzieher*innen für eine gute Lüftung der Räume sorgen, regelmäßig Obst und Gemüse bereitstellen und darauf achten, dass sich die Kinder viel an der frischen Luft bewegen.

Was tun, wenn Kita-Leitung und Träger untätig bleiben?

Die Missachtung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben kann Schadensersatzansprüche, Regressforderungen der Berufsgenossenschaft und die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit durch die Aufsichtsbehörden nach sich ziehen (vgl. bspw. §§22 ff. ArbSchG, §22 ArbZG, §110 SGB VII, §16 LärmVibrationsArbSchV).
Erzieher*innen haben das Recht, dem Träger Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu machen. Kommt der Träger seiner Verpflichtung, erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu ergreifen, nicht nach, können Erzieher*innen sich an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen ihnen keine Nachteile entstehen (vgl. §§15 – 17 ArbSchG).
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann aber nicht nur die zuständige Behörde die Arbeitsschutzvorschriften durchsetzen. Auch die Beschäftigten der Kita haben das Recht, eine Gefährdungsbeurteilung der Arbeit und geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen einzuklagen (vgl. BAG, Urteil vom 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06).
Eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche dürfte allerdings kaum zu einer nachhaltigen Lösung der Probleme in der Kita führen. Eine gesunde Kita und ein gutes Betriebsklima setzen voraus, dass sich der Träger, die Kita-Leitung und die Beschäftigten gemeinsam darum bemühen.

Fazit

Arbeitsschutz und ein gutes Betriebsklima lohnen sich für alle Beteiligten. Erzieher*innen, die sich gesund und wohlfühlen, sind motiviert und leistungsfähig. Dies wirkt sich nicht nur auf die Fehlzeiten, sondern vor allem auch auf die Qualität der pädagogischen Arbeit und die allgemeine Atmosphäre in der Kita aus. Es ist Aufgabe des Trägers, der Kita-Leitung und der Erzieher*innen, zusammenzuwirken und gemeinsam die Kita so zu gestalten, dass sich jede*r, Kinder wie Beschäftigte, in der Kita wohlfühlen. 

Checkliste Gesundheitsschutz

Lärmschutzmaßnahmen:

  • Anbringen von Filzpads unter Stühlen und Tischen
  • geeignete Tischdecken zur Lärmreduzierung
  • Kleingruppenarbeit, Reduzierung der Gruppengrößen bei einzelnen Aktivitäten
  • Einführen einer Lärmampel
  • Ruhezeiten
  • Rückzugs- und Tobeorte
  • regelmäßige Zeiten für die Kinder auf dem Außengelände, unabhängig von der jeweiligen Wetterlage
  • Gefährdungsbeurteilung des Trägers über Art, Ausmaß und Dauer der Lärmbelastung (§3 LärmVibrationsArbSchV)
  • bautechnische Maßnahmen des Trägers zur Reduzierung des Lärms, z. B. Anbringen von schallschluckenden Elementen

Rückenschonendes Arbeiten:

  • erwachsenengerechtes und ergonomisches Mobiliar
    (Hochstühle und höhenverstellbare Stühle, die es ermöglichen, rückenschonend auf Augenhöhe der Kinder in Kontakt zu sein)
  • rückenschonende Tragehilfen für Krippenkinder
  • Wickeltische, auf die die Kinder selbstständig klettern können
  • Team-Fortbildung zum rückenfreundlichen Arbeiten

Infektionsschutz:

  • Einhaltung des Hygieneplans, insbesondere regelmäßiges Händewaschen
  • kranke Kinder unverzüglich aus der Kita abholen lassen
  • Informationen an die Eltern über aktuell in der Kita aufgetretene Infektionen und Symptome der Infektionen
  • regelmäßiges Lüften der Räume
  • Bereitstellen von Obst und Gemüse
  • Tägliche Bewegung an der frischen Luft

Stressreduzierung/Stressbewältigung:

  • teambildende Maßnahmen, Betriebsausflüge, gemeinsame Aktivitäten, um das Kita-Team zu stärken
  • Einrichtung von regelmäßigen Gesundheitszirkeln: im Team werden, ggf. unter Anleitung einer sachkompetenten Moderation, Stressoren in der Kita identifiziert und präventive, gesundheitsförderliche Maßnahmen erarbeitet
  • Information über und Erinnerung an Bildungsurlaub zum Thema Stressbewältigung: Arbeitnehmer*innen haben in allen Bundesländern außer Bayern und Sachsen zusätzlich zum Erholungsurlaub einen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub pro Kalenderjahr bzw. zehn Tage pro zwei Kalenderjahre

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