Eine Wand für alle Sinne

Den Kindern Zeit lassen und Raum für die Dinge geben, die sie interessieren – das ist ein zentrales Anliegen der Erzieher*innen der Krippe „Zaubergarten“ in Schwabing. Aus gesammelten Alltagsschätzen entstand so eine Vater-Kind-Aktion.

Eine Wand für alle Sinne
© Kim Christin Gattung, München

Unsere Idee begann mit einer Beobachtung: Schon länger zeigten die Kinder unserer Einrichtung großes Interesse an Alltagsgegenständen. In diesem Alter ein ganz natürliches Phänomen – all das, was die Großen auch tun, wird spannend! Kinder sehen Lichtschalter, Radios, Kaffeemaschinen und andere Gegenstände, die ihre Eltern bedienen. In ihrem eigenen Entdeckungsdrang werden sie häufig gebremst, aus Sorge, dass etwas kaputtgehen oder für sie gefährlich sein könnte. Unsere Idee: Wir wollen den Kindern die Möglichkeit geben, Gegenstände, die sie interessieren, in Ruhe zu erforschen.

Aufruf zum Sammeln

Bei einem Elternabend erzählten wir den Eltern davon und baten sie, uns Gegenstände, die sie nicht mehr benötigen, von zu Hause mitzubringen. Ein Whiteboard im Flur mit Informationen und eine Sammelstation erinnerten an unsere geplante Aktion. Mit der Zeit sammelten sich immer mehr Schätze im Zaubergarten. Die Kinder sahen, wie der Korb sich füllte, und nahmen immer wieder Gegenstände heraus. Manche Dinge waren für sie besonders spannend, zum Beispiel ein ausrangiertes Telefon mit Station oder ein Wasserhahn, den man auf- und zudrehen konnte, sowie kleine LED-Lampen. Auch eine Taschenlampe, Bürsten, verschiedene Verschlüsse und Ähnliches fanden ihren Weg in den bereitgestellten Korb. Die Kinder konnten das Material zu jedem Zeitpunkt wahrnehmen und waren so in den Prozess involviert.

Ein Aktionstag für Vater und Kind

Die Aktion selber fand an einem Samstag statt. Im Team hatten wir schon länger darüber nachgedacht, wie wir die Väter mehr in die pädagogische Arbeit involvieren könnten. Die Idee der Sinneswand bot sich daher als Vater-Kind-Aktion an. Das Wochenende wählten wir aus, um auch jene Väter zu erreichen, die unter der Woche beruflich unterwegs sind. Begleitet wurde der Tag durch die Einrichtungsleitung und eine pädagogische Fachkraft. Die Väter brachten am Tag der Aktion Werkzeuge mit, für die Kinder stellten wir Kinderwerkzeug zur Verfügung. So konnten die Kinder nach Vorbild der Väter handeln.
Unsere Idee war es, die gesammelten Gegenstände an einer Wand zu montieren und diese so für die Kinder sicht- und fühlbar zu machen. Die Sinneswand sollte dazu einladen, stehend verschiedenste Materialien auf Augenhöhe wahrzunehmen. Dazu wurde die Wand zunächst in die Mitte von zwei Tischen gelegt. Väter und Kinder versammelten sich darum, um sich einen Überblick zu verschaffen. Womit beginnen? Die ersten Teile wurden auf die Wand gelegt, angeschraubt, geklebt und gebohrt. Die lauten, unbekannten Geräusche erschreckten unsere kleinen Handwerker*innen zuerst etwas, nach der Zeit machten sie das Dröhnen und Brummen jedoch mit ihren eigenen Werkzeugen nach. Die Materialien wurden mit etwas Abstand zur Wand angeschraubt, mit der Möglichkeit, die Gegenstände je nach Interesse oder Thema auszuwechseln. Manche der Gegenstände wurden fest montiert, wie der Wasserhahn. Von dem mitgebrachten Telefon wurde nur die Ladestation befestigt, um das Telefon für eventuelle Rollenspiele herausnehmen zu können. Zuletzt halfen die Kinder noch dabei, die „Sinneswand“ aufzuhängen. Fertig! Die Begeisterung über das gemeinsame Werk sah man sowohl den Vätern als auch den Kindern sichtlich an. Die nächsten Tage und Wochen erkundigten sich die Familien immer wieder nach der Wand. Die Kinder selber hatten nach der Aktion die Möglichkeit, die „Sinneswand“ selbstständig zu erkunden und zu erforschen und so ihrer Neugierde für Alltagsmaterialien nachzugehen. Ein Angebot, das auch nach der Aktion noch rege im Freispiel genutzt wurde.

Warum eine Sinneswand?

Den Namen „Sinneswand“ haben wir der Wand gegeben, da die Kinder die befestigten Gegenstände mit all ihren Sinnen wahrnehmen können:
Taktile Wahrnehmung, z. B. die verschiedene Beschaffenheit von Bürsten.
Auditive Wahrnehmung, z. B. durch ein Kettenspiel, welches sich von oben nach unten windet, oder das „Klicken“ von verschiedenen Schaltern. Visuelle Wahrnehmung, z. B. durch verschiedene Materialien, die betrachtet und erkundet werden. Es besteht auch die Möglichkeit, die Gegenstände mit verbundenen Augen zu ertasten.
Anstelle der Alltagsgegenstände können selbstverständlich auch andere Materialien genutzt werden, je nachdem, für was die Kinder sich aktuell interessieren. Die „Sinneswand“ ist eine vielseitig einsetzbare Möglichkeit, die Wahrnehmung der Kinder zu fördern und sie in ihrer Entdeckerlust zu bestärken. Darüber hinaus können nicht mehr benötigte Materialien sinnvoll genutzt werden: In unserem Fall wurden die später montierten Gegenstände im Keller oder auf dem Speicher der Familien zusammengetragen. An der Sinneswand erfüllen sie einen neuen Zweck und werden von den Kindern wie kleine Schätze behandelt – „Alltagsschätze“ eben.

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