Das ist ein Bovist. Das weiß ich von meinem Opa.“ – „Alle, die Stacheln haben, sind Boviste?“ – „Ja. Es sind flauschige Stacheln.“ Frederic und Felix sammeln im Garten Pilze ein. Eigentlich werden sie entsorgt, weil wir uns mit giftigen oder ungiftigen Pilzen nicht auskennen. Frederic schlägt vor, sie zu untersuchen und jede Pilzsorte in eine eigene Schale zu legen. Gemeinsam mit Felix übernimmt er diese Aufgabe. Sie organisieren sich Handschuhe, weitere Schalen und das Naturbuch aus dem Forscherraum. Das Sortieren der unterschiedlichen Pilze lockt auch andere Kinder an und es beginnt eine gemeinsame interessante Auseinandersetzung mit „unseren“ Pilzen. Als die Pilze sortiert und benannt sind – teilweise mit eigenen Bezeichnungen wie z. B. „Holzpilze“ oder „Kugelpilze“ –, werden sie im Forscherraum mit den Lupen und mit dem Mikroskop untersucht.
Flauschige Stachel und schwarze Lamellen
Jedes Kind wählt sich einen Pilz aus, den es gerne in 300-facher Vergrößerung betrachten möchte. Die Nutzung des Mikroskops ist für die Kinder noch nicht alltäglich, die Technik fasziniert sie. Wieso kann man den Pilz auf dem Bildschirm sehen und dann auch noch so groß? Sebastian weiß, dass seine Eltern mikroskopieren und kleine Bakterien erforschen. Um den Effekt zu verstärken, hält er die Lupe vor den Bildschirm. Er ist überrascht, dass das Bild noch mal größer aussieht. Frederic entdeckt die Lamellen am Pilz und dass sie schwarz sind. Sebastian erkennt Grasreste, und Kira und Zoha staunen, wie groß Glitzerpartikel unter dem Mikroskop aussehen, die ebenfalls in der Pilzschale gelegen haben. Die Stinkmorchel macht ihrem Namen alle Ehre. Felix findet, sie riecht wie „Kacke“.
Durch und über die Löcher kriechen kleine Tiere
Beim nächsten Treffen projizieren die Kinder das Mikroskop-Bild mit einem Beamer an die Wand. Der Wow-Effekt ist unbeschreiblich. Als Frederic einen Schwammpilz unter das Mikroskop legt, weil er „so schön trocken und haarig ist“, entdeckt er, wie viele und wie große Löcher der Pilz hat. Alle Kinder sehen den vergrößerten Pilz mit seinen Löchern fasziniert an. Wir staunen nicht schlecht, als sich plötzlich etwas bewegt: Kleine Tiere, die wir so nicht entdeckt haben, laufen und kriechen durch und über die Löcher. Sie kommen raus, gehen zum nächsten Loch und verschwinden wieder. Die Kinder beginnen ein Spiel: „Wer entdeckt die Tiere als Erstes und wer kann sie auf der Wand berühren?“. Die Freude daran ist riesig.
Wir besorgen ein großes, weißes Papier und befestigen es an der Wand. Die Projektion des Schwammpilzes ist genau darauf zu sehen. Die Kinder beginnen zu zweit, die Struktur des Pilzes auf das Papier zu übertragen. Als alles gezeichnet ist, meint Frederic: „Weißt du, Sabine, ich wusste gar nicht, dass Pilze so cool sind. Und du?“ – „Das wusste ich auch nicht, Frederic. Wie gut, dass wir das herausgefunden haben.“
Wischen, malen, formen
Die Kinder umranden die Struktur des Schwammpilzes mit schwarzen Filzstiften und malen sie anschließend mit Pastellkreiden aus. Dabei testen sie verschiedene Techniken: Sie wischen und malen z. B. mit Fingern und Füßen, mischen Farben oder verwischen sie übereinander. Als das Bild in Grünund Blautönen fertig gestaltet ist, passen sie es der Größe eines Rahmens an. Sie stimmen sich miteinander darüber ab, welcher Teil des Bildes verwendet und ausgeschnitten wird. Frederic, Kira und Sebastian rahmen das Bild ein, dann wird es im Forscherraum – zusammen mit der gesamten Projekt-Dokumentation in Form von „sprechenden Wänden“ – ausgestellt. Die Ausstellung regte Kinder und Erwachsene zu weiteren Dialogen an. Einige Zeit später finden Frederic und Sebastian im Garten einen dicken, weißen Pilz. Sie betrachten ihn von allen Seiten und vermuten, dass es ein Riesenbovist ist. Sie fertigen mit Bleistift Skizzen auf Klemmbrettern an. Ihr Interesse lockt noch weitere Kinder an, die ebenfalls beginnen, den Pilz zu skizzieren. Aus Ton, der gerade im Garten zum Spiel angeboten wird, entstehen spontan Pilze in unterschiedlichen Größen und Formen. Später kommen noch der „Schöne Korallenpilz“, den es tatsächlich gibt, oder der „Tödliche Eicheopterix“ dazu, mit dem eine Verbindung zu einem weiteren Thema in der Gruppe geschaffen wird: den Dinosauriern.
Felix bringt von einem Wochenendausflug in die Eifel Fotos von Pilzen mit, die er mit seiner Familie beim Waldspaziergang gefunden hat. „Eigentlich sind wir keine Pilzkenner, aber das Interesse von Felix hat uns alle angesteckt“, meinte Felix’ Vater. Im Forscherraum werden die Fotos betrachtet und die Pilze anhand unseres Buches bestimmt. Es kommen noch weitere Pilze von Miriam dazu, und wieder gibt es unter dem Mikroskop Neues zu entdecken.
Die Welt der Pilze verstehen
Die Auseinandersetzung hat die Kinder und die Eltern sensibel gemacht und ihre Wahrnehmung von Pilzen, die still und leise um uns herum wachsen, geschärft. Seither macht das Mikroskopieren den Kindern viel Freude. Sie erinnern sich immer wieder an diese Methode und lassen sie in andere Projekte einfließen. Das Lernen in der Gruppe spielte innerhalb des Projekts eine zentrale Rolle. In ko-konstruktiven Prozessen traten die Kinder mit dem Thema in Beziehung, um zu verstehen, wie die Welt der Pilze funktioniert und wie sie ihre Erfahrungen auf ihre Welt übertragen können.
Meine Rolle als Pädagogin sehe ich in der forschenden Begleitung der Kinder. Ich erlebe mich als mitlernend, indem ich den Kindern Raum für Fragen, Theorien aber auch für Probleme gebe, ohne zu belehren oder den richtigen Weg aufzuzeigen. Die professionelle Zurückhaltung ist hierbei von großer Bedeutung, da das Kind sonst keine Möglichkeit hat, seine Theorie zu einem anderen Zeitpunkt zu hinterfragen und eigenständig neue Erkenntnisse zu gewinnen.