Wenn ich mit anderen Pädagog*innen über Mediennutzung spreche, dann geht es – meist früher als später – über die empfohlene Bildschirmzeit am Tag, die einem Kind guttut. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, was das Kind vor besagtem Bildschirm tut, ob es spielt, eine Kindernachrichtensendung sieht oder sich über den Lebenszyklus der gemeinen Nacktschnecke informiert. Mehr als 20 Minuten am Tag, so die allgegenwärtige Befürchtung, und der Bildschirm macht Kinderhirne zu Matsch. „Immer, wenn ein Kind vor einem Smartphone sitzt, stirbt auf einem Baum ein Abenteuer“ – bei diesem altklugen Spruch kann man den erhobenen Zeigefinger geradezu sehen. Besonders in den vergangenen zwei Jahren (ich verschweige das böse C-Wort) sorgte das Thema Mediennutzung oft für Verunsicherung und Sorge. Denn die Kinder verbrachten schon allein deshalb mehr Zeit vor Bildschirmen, damit Eltern nicht irgendwann mit dem Chef im Teams-Meeting über den Feinschliff der Lego-Duplo-Eisenbahn sinnierten.
Natürlich ist die Bildschirmzeit ein wichtiger Punkt. Aber wir gleiten bei diesem Thema viel zu schnell auf persönliche Empfindungen und Meinungen ab. Erwachsene erinnern sich voller Wehmut an eine Kindheit, die scheinbar ausschließlich auf Bäumen und am Lagerfeuer stattfand (und vergessen die seligen Stunden, die sie am Sonntagmorgen vor dem Kinderkanal verbrachten). Dieses naive Früher-war-alles-Besser führt dazu, dass wir die Vielfalt der Medien, all die Möglichkeiten der sinnvollen Nutzung, auch im Kita-Alltag, viel zu oft außer Acht lassen. „Hey Google, was ist das für ein Baum?“
Die Welt, in der wir leben, ist eine völlig andere als vor 30 Jahren. Was Medien angeht, eine bessere, wenn man mich fragt. Es gibt Streamingdienste satt, Büchereien (geradezu Medienumschlagplätze!), Tonieboxen für die Kleinen, CDs und Mediatheken, in denen man die letzte Folge der „Sendung mit der Maus“ einfach nachholen kann, wenn man zum Sendezeitpunkt gerade etwas anderes vorhatte (zum Beispiel auf einen Baum klettern).
Wenn Kinder dazu in einem gesunden Maß Zugang haben, kann daraus wunderbar Neues entstehen. Im letzten Jahr haben unsere Vorschulkinder ein eigenes Hörspiel produziert. Sie waren nicht nur in ihren Rollen als Sprecher*innen aktiv, sondern haben beispielsweise zu Hause (mit den Smartphones der Eltern, oh Schreck!) das Motorradgeräusch des Nachbarn aufgenommen, weil es für die Aufnahme gebraucht wurde. Unzählige Lernerfahrungen lagen in all den Transfers, die die Kinder leisteten. Sitzen wir dann doch mal in einem Baum, die Kinder und ich, kann ich sogar das Smartphone zücken und wir wissen innerhalb von Sekunden, dass wir gerade einen Schwarzspecht hören. Und auf welchem Baum wir sitzen!
Und dass 3-Jährige in der Kinderküche stehen, den Tisch liebevoll für ihre Puppen decken, ihren Holztoast mit der Holzmöhre in einem Topf umrühren, sich dabei umdrehen und rufen „Alexa, sseib Milch auf die Eintaufsliste“ – na, daran gewöhnen wir uns auch noch.