Ich bringe eine Schachtel Zollstöcke mit und stelle sie, ohne etwas zu sagen, in die Mitte des Gruppenraumes. Nach kurzer Zeit entdecken einige Jungen die Schachtel: „Was ist das?“ Sie schauen sich den Inhalt näher an. Finn (5;3 J.): „Ich weiß, was das ist. Ein Abmesser zum Abmessen.“ Die Jungen rätseln. Ein „Holzabmesser“, ein „Maßband“? Für die Kinder ist es weniger wichtig, wie das Material heißt. Es ist neu, es ist unbekannt und es sieht interessant aus.
Als von den Kindern keine Namensvorschläge mehr kommen, sage ich: „Zollstöcke, ihr könnt sie nehmen.“ Finn: „Ich hab so etwas schon gesehen, zu Hause. Ich weiß, wie das aufgeht.“ David (6 J.) und Moritz (5;4 J.) schauen Finn zu, wie er den Zollstock auseinanderfaltet. Der Stab wird immer länger. David: „Ich kann das Dach berühren!“ (Er meint die Zimmerdecke.) Viktor (4;6 J.): „Schaut, ich bin noch größer.“ Finn entdeckt, dass er eine Art Pinzette mit dem Zollstock machen kann und versucht, damit einen Baustein aufzuheben. Moritz nimmt sich noch mehr Zollstöcke aus der Kiste. Er baut mit ihnen ein großes Rechteck. Finn: „Ich bau mir auch ein Bett.“ Alejandro (6 J.) hängt die Zollstöcke auf eine Leine, die quer durch unseren Gruppenraum gespannt ist, um Zeichnungen oder Kunstwerke der Kinder daran aufzuhängen. Bis dahin ist etwa eine Stunde vergangen und keiner der Jungen hat sich für die Zahlen auf den Zollstöcken interessiert. Sie bauen Zelte und setzen sich hinein, sie versuchen, verschiedene Häuser zu konstruieren. Einer hat eine Idee und die anderen versuchen sie nachzumachen. Victoria (6 J.) kommt in den Gruppenraum und schaut interessiert, was die Jungen machen. Sie setzt sich dazu und fragt: „Wie viele Zahlen sind da drauf?“ David: „Das sind 400.“ Viktoria: „Oder tausendhundert!“ David: „Oder unendlich!“ Moritz: „Es ist 199.“ Ich schaue nun selbst nach. Wie lang ist eigentlich ein Zollstock? Er ist genau zwei Meter lang, die Zahlen gehen bis 199 Zentimeter.
Am nächsten Tag
Oft sagen einige Kinder „Millionen“, „Milliarden“ und „Billiarde“ oder „Trilliarde“. Doch David hat mit der Beschreibung „unendlich“ das Zahlenspiel beendet. Es gibt auch Erwachsene, zum Beispiel Mathematiker*innen, denen es wichtig ist, ganz große Zahlen zu nennen und sich damit zu beschäftigen, welche die größte Zahl ist. Um eine wirklich große Zahl zu benennen, wurde sogar ein eigenes Wort gefunden: „Googol“, eine Eins mit 100 Nullen. Als ich den Kindern davon erzähle, sind sie fasziniert. Alles ist für sie danach googolgroß oder googolschwer. Sie haben viel Spaß mit diesem neuen Begriff und überlegen, wie groß ein Blatt Papier sein muss, um die Zahl Googol aufschreiben zu können. Das wollen sie als Nächstes mit einem DIN-A3-Blatt ausprobieren.