Wieder Lockdown, wieder kaum Kontakt zu den Kindern und Familien. Schon Anfang 2020, als die Coronapandemie das Kita-Leben stilllegte, stand unser Team vor der Herausforderung, mit dieser Situation umzugehen. Als dann die ersten Kinder wieder regelmäßig kamen, wurde sichtbar, welche Auswirkungen die Wochen zu Hause hinterlassen hatten. Die sprachlichen Defizite waren bei einigen Kindern so enorm, dass sie nicht eingeschult werden konnten und ein Jahr zurückgestellt werden mussten. Motorische Schwierigkeiten durch mangelnde Bewegung und gesundheitliche Probleme durch Mangelernährung beschäftigen uns bis heute. Ende des Jahres kam der „Lockdown light“ und mit ihm der Appell des Familienministers in Nordrhein-Westfalen, Kinder wenn möglich zu Hause zu betreuen, um Infektionsketten zu unterbrechen. Das schien uns vernünftig und wir suchten das Gespräch mit den Eltern. Jedoch die Kinder erneut wochenlang nicht zu sehen, das war für uns keine Option mehr. Im Team entstand die Idee eines mobilen Spielewagens, der mit Kuscheltieren, Büchern und Spielen zum Ausleihen ausgestattet ist und mit dem die Kinder und ihre Familien zu Hause besucht werden. Gemeinsam mit einer Kollegin zog Kita-Leiterin Rosa Hermann zweimal wöchentlich durch den Stadtteil. Den Kindern mit dem Projekt ein Stück Kita nach Hause zu bringen, wurde nach dem zweiten Lockdown zweimal monatlich aufrechterhalten. Die meisten Kinder besuchten die Kita wieder regelmäßig.
Das Angebot kommt nach wie vor nicht nur bei Kindern und Eltern gut an. Auch ehrenamtliche Helfer*innen aus dem Stadtteil interessieren sich für den Spielewagen. Sie unterstützen das Team bei den Hausbesuchen, der Spendenannahme oder organisieren selbst Sachspenden. Da Kinder immer wieder in Quarantäne mussten, wurde das Projekt zu kontaktlosen Besuchen umgestaltet. So können Gespräche am Fenster stattfinden und Kinder und Eltern fühlen sich weniger isoliert und allein. Bei ihren Besuchen haben die Erzieher*innen auch Wichtiges für den Kita-Alltag erfahren, wie zum Beispiel die Trennung von Eltern oder Probleme mit Geschwistern. Darum hat sich das Team entschieden, den VKJ-Spielewagen dauerhaft alle 14 Tage durch den Stadtteil zu schicken. Die Familien sind dankbar für dieses Angebot, weil das regelmäßige und zeitlich unbegrenzte Ausleihen von Spielmaterial und Büchern auch das Familien-Budget entlastet. Nachhaltigkeit ist ein weiterer positiver Nebeneffekt des Leihmodells.
Bücher leihen und Kleider tauschen
Der VKJ-Spielewagen ist nicht das einzige „Coronaprojekt“, das in der Not initiiert und mittlerweile fester Bestandteil der täglichen Arbeit geworden ist: Dank vieler Sachspenden konnte eine Wand mit Büchern zum Ausleihen gestaltet werden. Von jedem Buch gibt es ein Foto. Die Kinder suchen eines aus und tauschen es gegen das Buch ein. Wenn sie das Buch wieder mit in die Kita bringen, bekommen sie das Foto, das sie dann wieder an die Wand heften. Die Ausleihwand ist aufgrund der Gruppentrennungen entstanden, die im Sommer noch erforderlich waren. So kann jede*r, nach Gruppen getrennt, stöbern. Beibehalten wird auch der Tauschtisch vor der Kita, der früher im Flur stand. Eltern können getragene Kinderkleidung ablegen und sich andere mitnehmen. Als die Schließungen und später die Gruppentrennungen kamen, haben wir kurzerhand einen kleinen „Open-Air-Stand“ vor der Kita aufgebaut, an dem Eltern sich in Ruhe etwas aussuchen und Abstand halten konnten. Erweitert haben wir das Angebot t inzwischen auf Schuhe und Spielsachen.
Der Not entgegentreten
Das eigenständige Auswählen neuer Spielsachen aus dem Spielewagen ist für die Kinder ein Highlight. Im Spielzeuggeschäft bestimmt das Familien-Budget, was sie bekommen. Mit dem Spielewagen können sie sich einen Herzenswunsch auf Zeit erfüllen. Die Ausleihdauer ist nicht festgelegt. Einige Eltern stellen fest, dass die Kinder zu Hause mehr Vorlesezeit einfordern. Auch wird wohl mehr miteinander gesprochen und etwas Kreatives gestaltet. Das Vertrauensmodell funktioniert gut. Spiele, Bücher und CDs finden immer wieder den Weg zurück in die Kita. Die Kinder sind stolz, wenn sie ihre Spielsachen wieder abgeben und anderen Kindern davon erzählen können. Von den Eltern wissen wir, dass die Möglichkeit, Medien leihen zu können, finanziell sehr entlastet. Zudem lernen die Kinder, sorgfältiger damit umzugehen, weil sie kein Eigentum sind und auch noch anderen eine Freude machen sollen. Besonders geschätzt wird, dass auch spezielle Lern- und Fördermaterialien wie zum Beispiel ein Fühl-Memo-Spiel für einen sehbehinderten Jungen angeschafft wurden. Alle drei Projekte werden auch über die Pandemie hinaus bestehen bleiben, denn sie schaffen noch mehr Zugänge zu Familien. Mit ihnen können wir unser Ziel erreichen, mit Eltern partnerschaftlich zusammenzuarbeiten und uns für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichhei
Ausgezeichnet mit dem kindergarten-heute-Förderpreis
Träger: Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet e. V. (VKJ)
Name: VKJ-Familienzentrum Kinderhaus „SimSalaGrim“
Ort: Essen (Nordrhein-Westfalen),
Stadtteil: Kray
Gruppen:
Drei Gruppen für je 20 Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren.
Eine Mix-Gruppe für 17 Kinder im Alter von 1 Jahr bis zum Beginn der Schulpflicht.
Eine Gruppe für 10 Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren.
Eine Gruppe für Kinder im Alter von 3 Jahren bis zum Beginn der Schulpflicht.
Schwerpunkte: Sprache, Bewegung, Ernährung.
Team: 26 Mitarbeiter*innen
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 7 Uhr bis 17 Uhr
Kontakt: www.vkj.de