Liebe Leserinnen und Leser,
das herzzerreißende Video, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht, zeigt einen spärlich beleuchteten Bunker in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Viele Menschen sitzen dicht gedrängt auf dem Boden, irgendwo schreit ein Baby. Hier verstecken sich die Menschen vor den Bomben über ihnen. Die 7-jährige Amelia aber ist ganz bei sich und singt. Zu Beginn noch etwas zaghaft, dann voller Inbrunst, klingt das Lied „Let It Go“ aus dem Disney-Film „Die Eiskönigin“ durch den Raum. Der Clip dauert nur wenige Sekunden und ist doch ein ganz kurzer Mut-mach-Moment für die Menschen hier unten, die so plötzlich aus ihrem Alltag gerissen wurden.
Die Fotos, Videos und Nachrichten aus der Ukraine zeigen aber leider meist das Gegenteil. Sie sind furchtbar und kratzen an der Grenze des Erträglichen. Natürlich gehen sie auch an Kita-Kindern nicht vorbei. Nur wie erklärt man Kindern einen Krieg, den man selbst nicht versteht – und muss man das überhaupt? Diese Frage haben wir Medienforscher Michael Gurt gestellt (Seite 8 und länger auch online). Wie Sie traumasensibel handeln können, wenn Kinder schlimme Dinge wie Krieg oder Katastrophen erfahren haben, hat Christina Heim für uns aufgeschrieben (Seite 10).
Bei den weiteren Themen aus unserer Ausgabe wird es im irritierenden Gegensatz dazu bunt und ausgesprochen kreativ. Die Werkstattpädagogin Anja Horn träumt von gestaltenden Kindern, die Bastelvorlagen etwa zum Muttertag hinter sich lassen und ihrer Kreativität freien Lauf lassen dürfen (Seite 20).
In diesem Zusammenhang stellt sie das kreative Tun von Kindern den Arbeitsweisen großer Künstler*innen gegenüber (Seite 26).
Gerne mache ich Sie noch auf ein weiteres Thema unserer Ausgabe aufmerksam. Die Menschen hinter dem infans-Konzept, Beate Andres und Hans-Joachim Laewen, sprechen im Interview über die Ergebnisse ihrer Studie „Gut aufgehoben in der Kita“. Die beiden nennen einige Probleme in der Frühpädagogik beim Namen – und fordern mit klaren Worten, dass sich die Situation für Fachkräfte in Kitas deutlich verbessern muss, damit es Kindern gut gehen kann (Seite 36).
Herzliche Grüße aus Freiburg
Thilo Bergmann
PS: Das singende Mädchen Amelia hat es laut Medienangaben nach sechs Tagen im Schutzraum bis nach Polen zu ihrer Großmutter geschafft. Ihre Eltern aber blieben in Kiew zurück.