Ferhad reibt sich die Augen und sein Kinn hängt fast im Suppenteller. „Bist du müde?“, frage ich, obwohl ich schon weiß, wie die Antwort ausfallen wird. 99,9 Prozent aller Kinder werden bei dieser Frage hochschrecken, die Augen aufreißen und – empört ob dieses ungeheuerlichen Verdachts – verneinen.
Warum das in der Natur des Kindes liegt, weiß ich nicht. Dass dieses noch nicht entwickelte Gespür für das Bedürfnis nach Schlaf uns manchmal um den unseren bringt, das weiß ich sehr wohl. Deshalb füllt das Thema „Schlafen“ auch in der pädagogischen Arbeit in Krippe und Kita immer wieder die Fachberatungsstunden.
Wie viel Schlaf brauchen Kinder? Dazu kann ich nur die uralte pädagogische Weisheit beisteuern: Kommt drauf an. Zwischen Murmeltieren, die pünktlich nach dem Mittagessen zu gähnen beginnen, und Duracell-Häschen, die auch nachmittags um fünf noch die Wände hochflitzen, gibt es alle möglichen Abstufungen. Und dann sind da auch noch die Eltern, die erstaunlicherweise das Bedürfnis haben, nachts durchzuschlafen, und deshalb darum bitten, dass ihre Kinder lieber keinen Mittagsschlaf machen. Die einen sollen schlafen, wollen aber nicht. Die anderen wollen schlafen, sollen aber nicht. Dazwischen schlummern drei bis vier Kinder den Schlaf der Gerechten, weil es zufällig gerade ihrem Bedürfnis entspricht. Wie kann ein individuelles Schlafbedürfnis mit Personalschlüsseln und Räumlichkeiten in Einklang gebracht werden? Träume ich von meiner idealen Kita, dann bin ich eng mit den Eltern im Kontakt und kann jedem Kind (und damit jeder Familie) den Schlaf bieten, den es braucht oder eben auch nicht mehr braucht. Hole ich diese Zuckerwattenwelt in die Realität, wird schnell klar, dass mir dafür mindestens fünf bis sechs Fachkräfte fehlen – pro Gruppe. Denn während Naime schlafen will und sich bettfein macht und Mia gekrault werden muss, um sich zu entspannen, schreit Max, dass er „AUF DA TEINEN FALL SLAF… ZzZzZZ“. Artem soll nur eine halbe Stunde schlafen, Emil bitte gar nicht. Außer donnerstags, da hat er Schwimmkurs und schläft sonst im Auto ein.
So hangeln wir zwischen individuellen Bedürfnissen und den Anforderungen des Gruppengefüges und finden meist Kompromisse auf Zeit. (Dass Zwang heutzutage nicht mehr Teil dieser Kompromisspalette ist, sollte inzwischen in allen Kitas angekommen sein.) Und da es um Grundbedürfnisse geht, die sich im Verlauf der Entwicklung oft schnell verändern, müssen wir uns immer wieder mit dem Team und jeder Familie gemeinsam auf den Weg machen, um flexible Lösungen zu finden.
Irgendwie geht es dann doch meistens, denn dass wir Erzieher*innen uns fünfteilen können, gehört ja zur Stellenbeschreibung dazu. Aber eins ist sicher: Wenn ich je meine Traum-Kita in der Zuckerwattewelt baue, darf eines nicht fehlen – ein Schlafraum für Fachkräfte. Denn dieses Fünfteilen macht echt müde …