Eine beliebte Frage an Erzieher*innen in Vorstellungsgesprächen lautet: „Welche ‚Haltung‘ vertreten Sie?“ In diesen Situationen klimpern die Münzen im Pädagogik-Phrasenschwein oft so laut, dass man die Antworten kaum versteht: „Natürlich arbeite ich mit den Kindern auf Augenhöhe!“ (Schön, aus den Knien wieder aufzustehen. Man wird ja nicht jünger, höhö.)
„Mir ist es total wichtig, dass Kinder lernen, sich selbst zu helfen. Das macht sie stark für das weitere Leben!“ (Leider kann das Kind dann nicht beim Morgenkreis mitmachen, weil es den klemmenden Reißverschluss nicht allein aufbekommen hat. Aber es hat auf jeden Fall was gelernt!)
„Ich finde ja, den Kindern von heute wird alles von ihren Eltern aus dem Weg geräumt, deswegen ist es wichtig, dass sie in der Kita Herausforderungen bekommen, die sie auch mal nicht bewältigen können.“ (Dass sie dadurch auch lernen, wie sich Hilflosigkeit anfühlt, lassen wir hier mal lieber weg. Das kommt so weichgespült rüber.)
Nun ja. Es ist auch wirklich nicht so einfach: Wie kann ich denn meine Haltung erkennen und sie sogar überzeugend darstellen, ohne abgedroschene pädagogische Phrasen zu schwingen? Ich könnte mich fragen, was sich die Kinder von mir abgucken können – so ganz abseits von den Hasenohren, die ich ihnen zum Schleife-binden-Lernen vormache. Lasse ich sie aussprechen? Warte ich, bis ich an der Reihe bin? Höre ich Carla zu, die mir jeden Montag erzählt, dass sie am Wochenende im Zoo war? (Wirklich, jeden Montag!) Nehme ich Kate ernst, wenn sie schluchzend vor mir steht und den kleinen weißen Papierschnipsel sucht, den sie selbst ausgeschnitten hat? (Und gestehe ihr vielleicht sogar, dass ich ihn versehentlich in den Papierkorb geschmissen habe?) Helfe ich beim Suchen? Wie rede ich eigentlich mit der Kollegin, die SCHON WIEDER die Materialbestellung zu spät abgeschickt hat? Und wie rede ich im Beisein der Kinder ÜBER diese Kollegin? Wissen die Kinder, dass die Mama von „ER – O – EN – JOT – A“ ständig zu spät kommt?
Haltung ist im Grunde das, was sich in einem Vorstellungsgespräch nicht erfragen lässt, weil es mein Wertegerüst darstellt, auf dem mein Verhalten fußt. Natürlich sind wir alle nicht die Birkenstock tragenden Basteltanten (und -onkel, klar!), die völlig frei von Fehlern jeden Tag tiefenentspannt im Körperzellen-Rock trällernd durch den Kita-Alltag schweben. An denen alles abprallt wie der fünfte Bauklotz an der Gruppenwand – den Charly schon wieder geworfen hat, obwohl ich ihm ganz gefühlvoll erklärt habe, dass ich das nicht so schön finde. Wir werden wütend. Wir sind genervt, müde, brauchen dringend einen Kaffee, und es gibt Tage, an denen uns alles andere als wertvolle pädagogische Weisheiten auf der Stirn geschrieben steht. Aber das macht nichts. Denn Haltung ist das, was sich zwischen unseren Zeilen lesen lässt. Und da sollten Wörter wie Professionalität, Verantwortungsgefühl, Warmherzigkeit und Humor stehen. Das können sogar die Kleinsten lesen.