Kraft, Geschicklichkeit, Koordination und Gleichgewichtssinn – beim Klettern werden vielseitige und anspruchsvolle Bewegungsabläufe trainiert. Zudem übt es auf Kinder eine ganz besondere Faszination aus; es ist spannend und verbessert die körperliche und kognitive Selbstwahrnehmung. Kinder überwinden kletternd Hindernisse und Hürden durch eigene Anstrengung. Endet ein Versuch erfolgreich, stärkt dieses Erlebnis zudem das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeitserwartung. Doch auch aus Misserfolgen können die Kinder etwas lernen: Sie machen die Erfahrung eigener körperlicher Grenzen, gehen mit Frustrationen um und versuchen es nach dem Hinfallen erneut.
Fachkräfte in Kitas können darauf achten, dass der Untergrund gut gesichert ist und das Kind weich fällt. Dann lernt es Höhen, Gefahren, aber auch das eigene Können besser einzuschätzen.
Risky Play als Chance
Abenteuerliche Spielsituationen, die Angst provozieren, fördern auch den Umgang mit dem Unbekannten und Ungewissen. Durch das „Risky Play“ lernen Kinder (unterbewusst), mit Stressreaktionen umzugehen. Dies könnte positive Auswirkungen auf problematische (krankhafte) Ängste im weiteren Lebensverlauf haben.1
Ist der Ehrgeiz erst einmal geweckt, wird das Kind es immer wieder probieren, bis das Ziel erreicht ist. Und anschließend wartet natürlich schon der nächsthöhere Baum oder eine neue Ebene auf dem Klettergerüst. So lernen Kinder, dass sich Geduld und Ausdauer lohnen, dass sie erfolgreich sind, wenn sie den richtigen Weg gefunden und die passende Technik angewandt haben. Natürlich können Erwachsene das Kind auch beim Klettern anleiten, dennoch macht es einen Unterschied, ob man etwas gesagt bekommt oder es selbst erfährt.
Sobald sie krabbeln können, beginnen Babys und Kleinkinder damit, hüfthohe Hindernisse zu überwinden. Ihre ersten Kletterversuche unternehmen Kleinkinder meist von ganz allein. Sobald sie Lust haben, sich eigenständig hochzuziehen, reicht schon eine Kiste, ein Spielbogen oder eine kleine Leiter. Eine explizite Förderung durch Erwachsene ist nicht nötig, es sollte aber auf niedrige Fallhöhen geachtet werden. Ansonsten ist Klettern Selbsterfahrung für die Kinder; Eltern und Erzieher*innen schauen höchstens zu oder geben Zuspruch.
Von klein auf nach oben streben
Sobald das Kind einen sicheren Gang und eine gute Auge-Hand-Koordination hat – bei den meisten Kindern ist diese Voraussetzung in einem Alter von etwa 3 bis 4 Jahren erfüllt –, folgt es seinem natürlichen Bedürfnis, Räume auch vertikal zu entdecken.2 Nun kann das „richtige“ Klettern beginnen, zum Beispiel an einer Kletterwand oder auf einen Baum im Garten. Sportliches Klettern an der Wand mit gegenseitigem Sichern fördert soziale, emotionale sowie sprachliche Kompetenzen. Erwachsene Bezugspersonen neigen manchmal dazu, die Kletterversuche der Kinder aus Angst vor Verletzungen ganz zu unterbinden. Im anderen Extrem versuchen sie, die Kinder zu Kletterleistungen zu bewegen, zu denen sie nur mit viel Hilfestellung in der Lage sind und die sie noch nicht selbstständig vollbringen können. In beiden Fällen werden die natürlichen Erfahrungsmöglichkeiten beschnitten.
Bei Unsicherheiten, was man einem Kind zutrauen kann und was nicht, gibt der Kleinkindfilter Orientierung. Dabei handelt es sich um ein Bauteil, das zu Beginn eines Klettergerätes angebracht wird. Dies kann zum Beispiel ein Leiteraufgang sein, dessen erste Sprosse höher als 40 cm ist. Kann das Kind diese erste Hürde selbstständig überwinden, ist es auch fit genug für das restliche Gerät.
Klettern ist ein Ganzkörpertraining. Vor allem bei Kleinkindern wird spielerisch und mit viel Freude die Grobmotorik gefördert. Sie lernen, die Balance zu halten, und bekommen ein Gefühl für die Kraftdosierung, zum Beispiel wie stark man auftreten oder sich abdrücken muss. Gleichzeitig werden verschiedene Muskelgruppen in den Armen und Beinen und die Rumpfmuskulatur trainiert. Aber auch die Fein- und Handmotorik ist beim Klettern gefragt: So muss ein Kind an der Kletterwand die Klettergriffe mit seinen Fingern gezielt greifen, damit es nicht abrutscht. Um den Spaß am Klettern für Kinder noch zu erhöhen, gibt es Griffsets mit speziellen farbigen Motiven wie Tieren, Autos, Zahlen oder Buchstaben. Diese sind angepasst an die spielerische und kindliche Erlebniswelt und können an einem Kletterhaus auf dem Außengelände, einem Kletterturm in einem großen, leeren Sandkasten oder einer Kletterwand in den Innenräumen der Kita angebracht werden. Zudem spielt das Klettern eine wichtige Rolle für die räumliche Orientierungsfähigkeit und die Konzentrationsfähigkeit.
Spielerisch klettern
„Feuer, Wasser, Sturm“: Alle Kinder laufen auf Matten um verschiedene Klettereinrichtungen herum, zum Beispiel in der Turnhalle. Wenn der/die Spielleiter*in (das kann eine pädagogische Fachkraft oder ein Kind sein) „Feuer!“ ruft, müssen sich alle beispielsweise auf die Kletterwand retten und sich für mindestens fünf (oder zehn oder 15) Sekunden festhalten. Ruft der/die Spielleiter*in „Wasser!“, müssen sie sich zum Beispiel auf Bänke oder Turnkästen („Brücken“) retten. Bei „Sturm!“ müssen sich alle flach auf die Matte legen. Das jeweils letzte Kind scheidet aus und wird zum neuen Spielleiter.
Teamklettern: Jeweils zwei Kinder werden mit Toilettenpapier „aneinandergekettet“. Ihre Aufgabe besteht darin, zu einem definierten Ziel zu klettern, ohne dass das Papier zwischen ihnen reißt. Blind klettern: Dem kletternden Kind werden die Augen verbunden. Ein anderes Kind bleibt am Boden und sagt die Position des nächsten Griffs oder Trittes an. Nach dieser Erfahrung werden die Rollen getauscht.
Wenn sie sich gegenseitig beim Klettern sichern, lernen Kinder, Verantwortung zu übernehmen, zu kooperieren und mit den Teampartner*innen zusammenzuarbeiten. Die Kinder, die gerade nicht selbst klettern, sichern oder unterstützen die anderen. Im Mittelpunkt stehen dann weniger Einzelerfolge als vielmehr die gemeinsame Problemlösung, Motivation, Grenzüberschreitung und das gegenseitige Vertrauen.