Kita-Online-Kongress: So können Fachkräfte Grenzen setzenEin klares „Nein“ kann zum Dialog einladen

Ein klares „Nein“ kann zum Dialog einladen
© Matthias Brand, Tom Pepper, Jens Eichert, privat

Ein klares „Nein“ kann zum Dialog einladen

„Nein“ zu sagen fällt pädagogischen Fachkräften oft schwer. Denn gerade in den sozialen Berufen denken viele zuallerletzt an sich selbst. Zudem kostet ein Widerspruch Kraft. Die fehlt in Zeiten des Fachkräftemangels in vielen Kitas. Ein Grund mehr, nicht zu allem „Ja“ zusagen. Zu diesem Schluss kam der Expert*innen-Talk auf der Roten Couch des Kita Online-Kongresses.
„Ein begründetes Nein ist immer willkommen. Denn so entsteht Reibung. Das schafft Energie, um eine schwierige Situation kreativ zu lösen“, sagt Ramtin Kashef, Pädagoge und Leiter von zwei Kinderhäusern in Karlsruhe. Er ist einer der vier Expert*innen auf der Roten Couch des Kita-Online-Kongresses zum Thema „Haben Sie Mut zum Nein“. Die Runde hält ein Plädoyer dafür, als Fachkraft Grenzen zu setzen. Allerdings braucht ein „Nein“ eine rechtliche Grundlage, es muss sinnvoll sein. Eine Aufgabe, die durch die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag akzeptiert wurde, kann nicht verweigert werden. Auch auf etwas einfach keine Lust zu haben, geht nicht. „Kita und Träger haben ein Direktionsrecht, also ein Weisungsrecht“, sagt Heike Schnurr, Volljuristin (Ass. Jur.) und Pädagogin (B. A.). „Dem müssen Pädagog*innen nachkommen. Sie haben aber das Recht, „Nein“ zu sagen, wenn eine Aufgabe gegen den Arbeitsvertrag verstößt. Schnee schippen oder Umzugskisten packen sind zum Beispiel rechtlich unzulässige Aufgaben.“ Schnurr empfiehlt, in solchen Fällen das Gespräch mit der Kitaleitung zu suchen oder – noch besser – die Gründe für die Ablehnung im Team zu besprechen, aufzuschreiben und an den Träger zu senden. Offen über ein Problem zu reden, kann sehr hilfreich sein. So schildert Brigit Kofmel, Erzieherin und Bühnen- und Kostümbildnerin, dass ihre Kita sich dagegen wandte, das geforderte Schutzkonzept in einer bestimmten Frist vorzulegen. „Es wurde überhaupt nicht nach unseren Ressourcen geguckt. Doch es sollte kein weiteres Konzept für die Schublade werden. Unser „Nein“ war daher eher ein „Ja“ zu einer besseren Kommunikation zwischen Praxis und Politik.“ Mit Erfolg. Die Kita hat nun mehr Zeit für ihr Konzept.

Nein zu Diskriminierung in der Kita

Allerdings gehe es selten um faktische Dinge, sondern meist um Befindlichkeiten. So Dirk Fiebelkorn, Erzieher, Trauma- und Jungenpädagoge. „Wenn eine Kollegin etwas tut, das den eigenen Werten widerspricht, kann das emotional sehr schwierig sein“, sagt er. Ein Beispiel dazu kommt aus dem Online-Publikum der Roten Couch. Es geht um Diskriminierung. Eine Erzieherin fragt, wie sie damit umgehen soll, dass eine Kollegin ein Kind diskriminiere. Die Kita-Leitung greife nicht ein. Heike Schnurr macht deutlich, wie schwierig es für die Pädagogin sein kann, „Nein“ zur diskriminierenden Kultur in ihrer Einrichtung zu sagen. Zunächst helfe auch in diesem Fall, die Angelegenheit aufzuschreiben und zu versachlichen. Der Träger müsse informiert werden, eventuell sogar die Aufsichtsbehörde. „Das kann ein Problem für eine Fachkraft sein. Doch ist man es den Kindern schuldig, Diskriminierung nicht hinzunehmen.“ Brigit Kohmel verweist auf den Kinderschutzbund. Ihre Kita habe ein tolles Coaching zu diskriminierenden Eltern erhalten. „Man muss sich trauen, mit so einem Thema rauszugehen. Es gibt viele Stellen, um sich unterstützen zu lassen.“ Nein zur Überlastung wegen des Fachkräftemangels Auch der Fachkräftemangel fordert so manches „Nein“ heraus. Für Dirk Fiebelkorn ist es ein No-Go, dass bei Personalmangel an der Vorbereitungszeit gespart wird: „Eher sollte man eine Kita schließen, als Vorbereitungszeit einzubüßen.“ Auch Ramtin Kashef unterstützt diesen Ansatz: „Die Kinder sollen einen guten Tag haben. Das geht nur, wenn es auch den Pädagog*innen gut geht. Bei Personalmangel müssen wir die Betreuungszeiten zum Wohle der Kinder und Erzieher*innen kürzen.“ Die Konsequenz: Eltern beschweren sich. Doch ist sich die Runde einig, dass die Wünsche der Eltern zu stark im Fokus stünden, die Bedürfnisse von Kindern und Pädagog*innen hingegen zu wenig berücksichtigt würden.
Heike Schnurr nennt drei Stellschrauben, um Kita-Personal zu entlasten und dennoch eine gute Qualität in der Kita zu ermöglichen: 

  • Die Öffnungszeiten seien in den allermeisten Kitas länger als rechtlich vorgeschrieben. Sie könnten eingeschränkt werden.
  • Wer dauerhaft am Limit sei, könne aus zwei Gründen eine formlose Überlastungsanzeige an den Träger schicken. Erstens sei man rechtlich auf der sicheren Seite, wenn zum Beispiel die Aufsichtspflicht nicht eingehalten werden könne. Zweitens müsse der Träger aktiv überlegen, wie er die Kita entlastet.
  • Großes Potenzial liege in externen Kräften wie Musiker*innen, Künstler*innen, Handwerker*innen, Hausmeister*innen und Bürokräften, die das Kita-Personal entlasten.
Einig ist sich die Runde zudem, dass in Notfallmaßnahmenplänen zuletzt an der Fortbildung gespart werden dürfe. Für Ramtin Kashef fehlt sonst die Qualität in der Kita: „Wenn wir uns nicht fortbilden, bleiben wir stehen.“

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