Unzählige Feuerwanzen sitzen auf den Zäunen im Außengelände der Kita. Die Kinder beobachten das Schauspiel und fragen sich, warum die schönen Tiere mit ihrem auffallenden rot-schwarzen Panzer nur an warmen Tagen kommen. Mit Erzieher*innen forschen sie nach und erfahren, dass die Wanzen herauskommen, wenn die Sonne scheint, um Energie zu tanken. Warum benötigen sie Energie? Was ist Energie überhaupt? „Brauchen wir das auch?“, fragen die Kinder. In Büchern zum Thema erfahren sie, dass die Sonne „der Motor der Welt“ ist und Menschen, Tiere und Pflanzen die Sonne zum Leben brauchen. Aber warum wärmt die Sonne und das Licht drinnen dagegen nicht? Einzelne Fragen der Kinder beantworten wir im Morgenkreis, merken aber, dass sie großes Interesse an der technischen Energie, dem Strom, haben. Die Fragen dazu werden immer detaillierter. Aus einem großen Luftballon mit Kleister und Pfeifenreinigern gestalten wir eine riesige Sonne und hängen sie im Gruppenraum auf. Daran befestigen die Kinder das, was die Sonne zum Leben braucht. Die kreative Arbeit macht sichtbar, wie wichtig die Energie der Sonne ist und warum es notwendig ist, die Natur zu schützen. Die Kinder nutzen Geräte wie Beamer, Hörspielboxen, Audiostifte, Kameras. Hin und wieder müssen Batterien oder Akkus aufgeladen oder Geräte direkt an den Strom angeschlossen werden. Beim Laden eines Gerätes fragt eines der Kinder, ob Strom „die Sonne für die Tonabspiel-Box“ sei und wie er dort hineinkomme. Wir beschließen, uns näher mit dem Thema „Energie“ auseinanderzusetzen, und nennen unser Projekt „Sonne, Strom, Kraft und Mensch – Energie für alle“. Viele Kinder wissen, dass Energie verbraucht, aber auch gespart werden kann. Sparen bedeutet, den Wasserhahn nach Gebrauch zuzudrehen, das Licht in hellen oder nicht genutzten Räumen auszuschalten oder die Heizung herunterzudrehen. Ein wichtiges Ziel des Projekts ist, dass die Kinder ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie wir Menschen mit begrenzten Energieressourcen umgehen können und sie in der Kita sowie zu Hause einen achtsamen Umgang damit erleben. Zunächst wollen wir gemeinsam mit den Kindern erfahren, welche Gegenstände Strom benötigen. Dazu schauen wir uns Werbeprospekte an und schneiden alle Produkte aus, die mit Strom oder Energie zu tun haben. Die Kinder überrascht, was alles Strom benötigt: der Gefrierschrank für das Eis im Sommer, der Wasserkocher zum Teekochen, der Backautomat für das Brot zum Frühstück. Es entsteht eine Collage.
Zu Hause erzählen die Kinder ihren Familien über das Energieprojekt. Ihre spannenden Informationen bringen sie in den Morgenkreis ein:
- Strom ist unsichtbar.
- Draußen gibt es weiße Kästen, da ist Strom drin.
- Viele Geräte im Kindergarten brauchen Strom.
- Strom kommt aus der Steckdose.
- Das Symbol für Strom ist ein Blitzzeichen.
- Er ist gefährlich.
- Er läuft durch die Leitungen.
- Es gibt Kraftwerke.
- Strom kann leuchten
- Es gibt sogar einen Stromausfall.
- Es gibt Windmühlen, die Strom machen.
- Strom kann man an- und ausschalten.
- Unser Körper hat auch Energie in sich.
Oh Schreck, der Strom ist weg
Wir knüpfen an die Collage mit den Zeitungsausschnitten an und wollen herausfinden, welche elektrischen Geräte es in der Kita gibt und welche davon Stromfresser sind. Wie der Name schon sagt, ist das ein Monster, das Strom frisst. Aber wie viel, das wissen wir noch nicht. Insgesamt drei Monster werden im Morgenkreis auf dem Boden verteilt: ein roter Stromfresser, der sehr viel Strom frisst, ein gelber Stromfresser, der etwas weniger Strom frisst, und ein grüner, der ein Energiesparer ist. Die Kinder gehen damit durch die Gruppe und legen einen davon auf das Gerät, von dem sie vermuten, dass er dorthin gehört. Sie staunen, was alles Strom verbraucht. Selbst die Lampe an der Decke. Brauchen wir das Licht am Tag? Eines der Kinder geht zum Lichtschalter und schaltet es aus. Es ist hell genug. Aber nicht überall. In eher dunklen Räumen ist das Raumgefühl bei eingeschaltetem Licht viel angenehmer. Manchmal darf ein Raum auch dunkel sein, wie beim Musikhören oder Mittagsschlaf. Wie ist es, wenn wir nicht im Raum sind, brauchen wir dann Licht? Die Kinder sagen: „Nein, denn der Stromfresser würde dann ganz dick werden und den ganzen Strom fressen, obwohl wir ihn gar nicht benötigen!“ Es macht allen Spaß, mit den Monstern durch die Kita zu gehen und sie zu verteilen. Die Aktion wiederholen wir in regelmäßigen Abständen. Dabei festigt sich das Wissen darüber, wo die elektronischen Geräte stehen, wann sie benötigt und wann ausgeschaltet werden können.
Wird das Licht im Raum gebraucht?
Auch für den/die wöchentlich wechselnde*n Lichtschalter-Chef*in, eine neue Aufgabe auf der Helfertafel, auf der auch der/die Tisch-WischChef*in, der/die Getränke-Chef*in oder der/die Zahnputz-Chef*in stehen, ist das beim Kontrollgang hilfreich. Der Chef oder die Chefin ist dafür zuständig, zu entscheiden, ob das Licht im Raum gebraucht und beim Verlassen ausgemacht wird. Wie viel Strom in den Leitungen fließt, das zeigt den Kindern ein Kita-Vater mit einem Messgerät. Er ist Arzt und macht auch auf die Gefahr von Strom aufmerksam.
Stromfreie Zeit
Während wir darüber sprechen, wie viele Stromfresser wir in der Kita haben, entsteht die Idee, eine stromfreie Zeit einzurichten. Wo bekommen wir dann Licht und Wärme her? Das probieren wir aus, alle notwendige (Küchen-)Geräte ausgeschlossen.
- Versuche, elektrisches Licht zu ersetzen Auf künstliches Licht sind wir angewiesen, wenn wir zum Beispiel kein Fenster in einem Raum haben oder zu wenig Tageslicht einfällt. Wir überlegen mit den Kindern, was wir stattdessen nutzen könnten. Das Bad unserer Kita hat keine Fenster, dort brauchen wir künstliches Licht. Die Kinder testen Taschenlampen, die mit Akkus betrieben werden oder aufziehbar sind, und Kerzen. Die Taschenlampen gefallen ihnen besser. Damit haben sie viel mehr Spaß. Außerdem riechen sie nicht und sind ungefährlich. Kerzen stellen wir aus einfachen Mitteln selbst her.
- Was tun, wenn die Heizung ausgeschaltet ist? Auch das testen wir am stromfreien Tag. Wenn es zu kalt ist, erklären uns die Kinder, müsse man sich einfach warm anziehen. Sie probieren alles Mögliche aus: T-Shirts, Pullover, mehrere Kleidungsstücke übereinander, so viele wie möglich. Einige wärmen sich mit Decken aus der Kuschelecke.
- Ohne funktionierenden Herd gibt es kein warmes Mittagessen Wie haben die Menschen früher Essen zubereitet, als es noch keinen Herd oder Ofen gab? Ein Lagerfeuer ist die Lösung. Mit Stockbrot und Grillwurst machen wir uns auf den Weg in den Hamburger Stadtpark: dort ist es erlaubt, ein Feuer zu machen. Es ist herausfordernd, das Brot an den Stöcken zu befestigen und die Geduld aufzubringen, bis das Brot fertig gebacken ist. Die Kinder bemerken, wie aufwendig es ist, alles vorzubereiten, und dass es länger dauert, bis das Essen fertig ist.
- Wäsche von Hand waschen Die Kinder haben viele Fragen. Daher erweitern wir den Projekttag „Ein Tag in der Kita ohne Strom“ und greifen noch andere Ideen auf. Zum Beispiel die, wie früher von Hand Wäsche zu waschen. Das machen wir mit einer Tonne, einem geliehenen Waschbrett, einer Bürste und Seife. Die Kinder staunen, wie gut es geht, ihre Handtücher von Hand zu waschen, aber auch das ist anstrengend und zeitintensiv.
Ein Blitz ist ein Aufleuchten am Himmel während eines Gewitters. Diese Lichterscheinung ist physikalisch ein zeitlich kurzer, aber sehr starker elektrischer Strom. Einige Kinder haben schon einen gesehen. Sie erklären, wie er aussehen kann: Er leuchtet und hat viele Linien. Das malen die Kinder mit hellen Stiften auf schwarzes Papier. Viele kleine Blitze entstehen mit Wasserfarben, indem farbige Wasserblasen auf Papier getropft und mit einem Strohhalm angepustet werden.
Ein Blitz im Waschraum
Die Kinder wollen wissen, wie man einen Blitz erzeugen kann. Dazu starten wir ein Experiment mit einem Tortenheber, einem Stück Styropor und einem trockenen Glas. Das Glas stellen wir auf den Kopf und legen den Tortenheber darauf. Das Stück Styropor reiben wir an Pullovern. Diesen Vorgang wiederholen wir einige Male, dann legen wir das Styropor auf den Tortenheber. Während des Experimentes sind wir im Waschraum, da dies der dunkelste Raum ist. Dann hält eine Erzieherin einen Finger nahe an den Tortenheber. In diesem Moment ist deutlich ein kleiner Blitz zu sehen. Die Kinder sind fasziniert und trauen sich, das auch auszuprobieren. Dieses Experiment ist absolut ungefährlich.
Die Kraft des Windes nutzen
Wie viel Kraft Wind haben kann, das erleben die Kinder an einem stürmischen Tag. Sie beobachten, wie durch den Sturm ein Sonnensegel aus der Halterung gerissen wird. Die Kraft des Windes hat sie überrascht. Wie stark kann Wind sein? Wir bauen kleine Windmühlen aus Strohhalmen und Papier. Was passiert, wenn verschieden starke Winde auf das Papier treffen? Beim Pusten eines Kindes drehte sich das Windrad leicht, beim Pusten eines Erwachsenen schon etwas stärker. Als mit einem Föhn ein kleiner Sturm simuliert wird, dreht sich das Windrad sehr schnell und schließlich reißt das Papier. Dieses Experiment verdeutlicht allen, welche Kräfte in der Natur vorkommen. Wir überlegen mit den Kindern, mit welchen Energiequellen wir uns näher beschäftigen wollen, und planen Aktionen zum Thema Wind- und Wasserenergie, außerdem einen Ausflug nach Norderstedt, um am Stadtparksee Drachen steigen zu lassen, und zum Flughafen, um zu beobachten, welche Kräfte dort aktiviert werden.
Fazit
Das Kita-Team wie auch die Kinder haben ein neues Bewusstsein dafür gewonnen, Energie zu sparen. Das Licht wird nur angeschaltet, wenn es nötig ist. Elektronische Geräte wie der CD-Player werden nur für den jeweiligen Zweck betätigt. Anschließend wird der Stecker aus der Steckdose gezogen, da bei Elektrogeräten auch im StandbyModus Strom fließt. Unser Träger meldete zurück, dass der Stromverbrauch in der Kita signifikant gesunken sei. Dies führte auch zu einem Umdenken aufseiten des Trägers. Seitdem wird hier deutlich bewusster und ressourcenschonender agiert. Andere Kitas des Trägers haben Interesse an unserer Projektdokumentation und wollen sie als Beispiel nutzen.
Für Ihre Zusammenarbeit mit Eltern
Eine Woche zu Fuß in die Kita
Gemeinsam mit den Eltern starten wir eine Aktionswoche, in der die Familien und Mitarbeiter*innen zu Fuß oder mit dem Rad in die Kita kommen. Alle Eltern sind begeistert und schließen sich an. Die Beteiligten stellen fest, dass sie fitter den Tag beginnen, gleichzeitig aufgewärmt sind und
gute Laune bekommen. Am Ende der Woche haben wir dadurch knapp
500 Kilometer Energie eingespart. Viele Eltern bleiben dabei und nutzen seither für den Weg zur Kita das Rad, den Roller oder gehen zu Fuß.