Simon, der Leiter der Kita, kommt in den Gruppenraum und spricht Josy an: „Wolltest du heute den Aushang fertig machen?“ Josy füllt sich ertappt. „Ich kam noch nicht dazu, weil Maja noch in der Pause ist und die Kinder total wild sind“, erklärt sie hastig. „Alles gut, Josy, es war nur eine Frage“, erwidert Simon und verlässt den Raum. Maja kehrt aus der Pause zurück und trifft auf eine sichtlich aufgewühlte Kollegin. „Was ist los?“, fragt sie. Josy schnaubt und erwidert: „Nur weil die Kinder heute so wild sind, ist Simon jetzt sauer auf mich!“ Auf Simons Frage („Wolltest du heute den Aushang fertig machen?“) folgt Josys innerliche Bewertung der Situation („Simon ist nicht zufrieden mit mir“), die zu ihrer Reaktion (Rechtfertigung: „Ich habe es nicht geschafft, weil …“) führt. Ihre Kollegin Maja hätte in dieser Situation anders reagiert. Sie hätte erwidert: „Noch nicht, Simon.“ Und seine Frage hätte ihr nichts ausgemacht. Im nächsten ruhigen Moment hätte sie den Aushang vorbereitet und Simon vorgelegt. Josy geht allerdings von einer Kritik aus und hat das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. Zu welchem anderen Schluss hätte sie kommen können? Vielleicht startet Simon in den Feierabend und will wissen, ob er den Drucker angeschaltet lassen soll. Vielleicht hat eine andere Kollegin angeboten, den Aushang zu übernehmen, und Simon will sich nur kurz mit Josy abstimmen. Oder er ist gerade dabei, das Protokoll der Teamsitzung zu schreiben, und weiß nicht mehr, wer sich um den Aushang kümmern wollte. Genauso gut kann seine Frage natürlich auch eine Kritik sein, aber das ist eine Möglichkeit unter vielen. Es gibt zahlreiche Situationen im Kita-Alltag, die auf diese Weise Stress auslösen oder Unruhe erzeugen. In der Zeit zwischen dem Auslöser (Reiz) und der eigenen Reaktion liegt eine Phase der Bewertung, und es lohnt sich, genauer hinzusehen: Was löst die Frage in mir aus? Warum bewerte ich diese Situation so? Mit diesem Wissen kann Josy ihre Gedanken hinterfragen und ihre Reaktion verändern. Vielleicht sagt sie sich nächstes Mal: „Das war erst einmal nur eine Frage.“