Neulich sprach mich ein Vater beim Abholen seines Sprösslings an und beschwerte sich. Warum wir in letzter Zeit gar keine Aktionen mehr mit den Kindern machen würden? Das wäre bei seiner Tochter, die inzwischen in der Schule ist, ganz anders gewesen. Mit der sind wir ja noch ins Theater gegangen! Ich sag mal so: Sein Glück, dass mir die Luft wegblieb.
In meinem Kopf schlugen all die Lernerfahrungen seines Sohnes der letzten drei Wochen Purzelbäume (den kann er jetzt nämlich auch!). Aber zwischen dem klingelnden Telefon und dem „Ich bin feeeeertig“ aus dem Waschraum rettete mich mein letzter Funke Professionalität, der das Gespräch auf morgen früh verlegte, wenn es etwas ruhiger sei. Auf diese Kür bin ich immer noch ein bisschen stolz.
Wie es das Erzieher*innengehirn nun mal macht, dachte ich zuallererst darüber nach, ob der Vater mit seiner Kritik recht habe, und mir fielen all die Projekte ein, die ich in meiner Traumkita umsetzen würde, weil dort immer genug Personal und Budget da wären.
Und dennoch zerreißen meine Kolleg*innen und ich uns jeden Tag aufs Neue. Jetzt, im Frühling, säen wir mit den Kindern Erbsen und Gurken an, basteln den Tomaten einen sicheren Ort zum Wachsen und erklären den Kindern, dass jede diese Pflanzen etwas anderes braucht, um zu gedeihen. Wir sparen Gelder, indem wir aus Klopapierrollen Anzuchtbecherchen basteln. Wir hegen und pflegen all die kleinen Pflänzchen und im Sommer genießen wir beim gemeinsamen Frühstück unser selbst gezogenes Gemüse. Das ist für Außenstehende vielleicht ein winzig kleines Projekt, in dem aber so unendlich viele Lern- und Sinneserfahrungen stecken. Und es kommt aus der direkten Lebenswelt der Kinder. Nur leider schillert und leuchtet es nicht wie die Strahler der Theaterbühne.
Wie cool wäre es, wenn es möglich wäre, durch die Augen der Kinder zu sehen? Wer weiß, was in ein paar Jahren möglich ist? Dann gäbe es nämlich einen Raum in der Kita, da müssten die Eltern durch, bevor sie ihr Kind abholen. Und dann sehen sie im Schnelldurchlauf, was für ihr Kind heute von Bedeutung war, was es gelernt hat. Erst wenn sie damit fertig sind, dürfen sie sich mit uns Fachkräften unterhalten.
Bis wir aber so weit sind, verschieben wir leidige Gespräche auf den nächsten Morgen. Und erklären geduldig, dass wir jedes Jahr mit den 5- bis 6-jährigen Kindern ins Theater gehen. Der kleine Jan mit seinen 3 Jahren hätte noch keinen Mehrwert davon. Aber ob den Eltern denn auch aufgefallen sei, dass er jetzt endlich Gurken isst? Ganz ohne Theater!