Na, wie viele Fachkräfte sind bei euch zurzeit gesund? Und wie viele Kinder? Oder anders gefragt: Wie viele Kinder sind gerade da, die eigentlich nach Hause gehören?
Es ist das wohl leidigste Thema in unserer täglichen Zusammenarbeit zwischen Eltern, Kindern und uns Fachkräften. Wann ist ein Kind zu krank für die Kita? Wie sieht es rechtlich aus? Muss ich mich wirklich mit der Farbe von Nasensekret und seiner Bedeutung auseinandersetzen? Und jedes Schnäuzen dokumentieren, um die Abholung des Kindes zu rechtfertigen?
Es ist ja so: Es geht langsam los mit den Schniefnasen, so als Vorgeschmack auf den Advent: Erst eins, dann zwei, dann … nur eben exponentiell. Vor zwei Tagen nieste Mia unbemerkt in die Schale mit dem Broccoli und die Schnöttlotterie beginnt. So weit, so normal. Aber damit einher geht auch zwangsläufig die Diskussion, welcher Gesundheitszustand noch tragbar für den Kita-Besuch ist und wann die Kinder nach Hause gehören. Denn wir wissen alle: Entweder wir haben stinkige Eltern, weil wir die Kinder abholen lassen, oder wir haben eine Woche später noch stinkigere Eltern, weil inzwischen die Fachkräfte den Superbazillen zum Opfer gefallen sind und wir die Betreuung einschränken müssen.
Wir werden misstrauisch, wenn Kinder „plötzlich“ ab 11 Uhr anfangen zu fiebern und von dem leckeren Erdbeersaft berichten, den sie am Morgen getrunken haben. Wir unterstellen den Eltern, dass sie kaltblütig ihre Kinder dopen. Aber in dieser Situation – und sie tritt leider häufiger auf, als uns allen lieb ist – sollten wir erst recht feinfühlig mit allen Beteiligten umgehen. In welcher Not stecken Eltern, die sich dazu veranlasst fühlen? Machen wir das nicht auch selbst viel zu häufig? Schnell noch ’ne IBU, um die Kolleg:innen nicht hängen lassen zu müssen. Und stimmt unsere Bewertung der Situation überhaupt? War der vermeintliche Fiebersenker womöglich ein einfacher Schleimlöser?
Alle stecken in der Infektsaison irgendwo zwischen „Hat ja gerade eh jeder“ und „Ich will es aber nicht haben“. Zwei Fragen helfen mir persönlich bei der Bewertung von Schniefnasen: Würde ich mein Kind in diesem Zustand impfen lassen? Und: Würde ich so zur Arbeit gehen (wollen)? Aber warum diskutieren wir da überhaupt und wägen ab? Es wäre doch das einzig schöne Relikt aus der Corona-Zeit für uns Fachkräfte: Eltern lassen ihre Kinder grundsätzlich bei jedem Krankheitsanzeichen zu Hause, um niemanden anzustecken. Fertig. So einfach, so gut – oder?
Nun, wir Fachkräfte werden dann zu Saisonarbeitenden, weil die Kita von Oktober bis Mai mangels Kinder geschlossen ist. Wenn man bedenkt, dass ein Kind im Jahr etwa zwölf (ZWÖLF) Infekte hat, wird klar, dass wir Fachkräfte leider ein gewisses Maß an Schnodder in Kauf nehmen müssen, damit die Kinder überhaupt kommen können.
Unsere Abwehrkräfte sind doch einfach der Hammer, oder? Immerhin gibt es einen nicht allzu kleinen Teil der Elternschaft, der versucht, es mit Humor zu nehmen. Auf Social Media wird beispielsweise Seuchenbingo gespielt: Eltern führen kleine Wettbewerbe, wer in seiner Kita die meisten Krankheiten hat. Ausgefallenes wie Krätze gibt Extrapunkte und ehrfürchtige Anerkennung, Hand-Mund-Fuß nur noch müdes Schulterzucken. Immerhin etwas, oder? Ich gehe mir jetzt noch dreimal die Hände desinfizieren und hole mir beim Mittagessen noch eine kleine Extraportion Magen-Darm.