Vertrauensaufbau außerhalb der KitaKinder und ihre Eltern zu Hause besuchen

Hausbesuche können die Zusammenarbeit zwischen Kita und Familien stärken, wenn sie nicht als Stress empfunden werden. Wie diese Art der Erziehungspartnerschaft gelingen kann.

Kinder und ihre Eltern zu Hause besuchen
© Juanmonino/GettyImages

In einigen Kindergärten ist die Durchführung eines Hausbesuchs in der pädagogischen Konzeption verankert. Die Fachkräfte besuchen die Familien zuhause mit dem Ziel, eine vertraute und von Offenheit geprägte Elternzusammenarbeit aktiv umzusetzen. 1  Für viele Familien kann ein Hausbesuch ein schöner Weg sein, die pädagogischen Fachkräfte kennenzulernen und sich über ihr Kind auszutauschen. Jedoch werden Hausbesuche nicht von allen Eltern positiv wahrgenommen. 2 Beispielsweise könnten sie sich in ihrer Intimsphäre beeinträchtigt, kontrolliert oder beschämt fühlen.

Hausbesuche als alternatives Angebot

Grundsätzlich kann zwischen drei Formen eines Hausbesuchs unterschieden werden. So können Kinder und Eltern vor der Aufnahme des Kindes von den Fachkräften im häuslichen Setting besucht werden. Dadurch kann ein gegenseitiges Kennenlernen stattfinden und ein Raum für mögliche Fragen geschaffen werden. Dies kann Kindern den Start in die Kita erleichtern, während Eltern einen ersten Einblick in die Erziehungspartnerschaft erhalten. Ein Hausbesuch kann im Verlauf der Kita-Zeit ein Regelangebot sein oder auf Wunsch der Eltern erfolgen. Hierbei geben entweder die Eltern die Gesprächsthemen vor oder die pädagogischen Fachkräfte gestalten die Interaktion. Auch bei dieser Form des Hausbesuchs ist das Kind anwesend. Häufig zeigt es dann das eigene Zimmer und spielt mit der Fachkraft. Dadurch können die Beziehungen intensiviert und die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft vertieft werden. Als dritte Möglichkeit kann ein Hausbesuch als Alternative zu einem Termingespräch in der Kita durchgeführt werden. Dies kann der Fall sein, wenn andere Angebote aufgrund von äußeren Faktoren nicht wahrgenommen werden können. Diese Termine werden meist in einen kurzen formellen und einen längeren informellen Part aufgeteilt. Dabei sollte jedoch im Vorfeld bedacht werden, welche Informationen das Kind erhält, wenn es bei den Gesprächen anwesend ist, oder ob ein anderes Setting, besonders bei Krisen- oder Konfliktgesprächen, ratsamer wäre. 3

Vorteile eines Hausbesuchs

Trotz der unterschiedlichen Formen eines Hausbesuchs bieten alle Formen vergleichbare Vorteile für das pädagogische Arbeiten.

  • Beziehungsarbeit: Kinder, Eltern und pädagogische Fachkräfte können sich kennenlernen und erhalten den Raum und die Zeit außerhalb der Kita, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und die Beziehungen zu stärken.4
  • Leichter Zugang: Manche Pädagog:innen schätzen die Möglichkeit, einen Einblick in das soziale Umfeld, das Familiensystem und den Erziehungsstil der Eltern erhalten zu können. 5
  • Wertschätzung: Eltern und Pädagog:innen können ihre gegenseitige Wertschätzung durch die Durchführung eines Hausbesuchs ausdrücken, indem sie sich diese Zeit füreinander nehmen. 6
  • Kooperation: Das Setting des häuslichen und somit für die Familien vertrauten Umfelds kann dazu führen, dass die Kooperation zwischen allen Beteiligten besser gelingt. 7
  • Informationsvermittlung: Eltern, für die es nicht (oder nur schwer) möglich ist, in die Kita zu kommen, können trotzdem persönlich über die Entwicklung des Kindes in der Kita sowie über andere aktuelle Themen informiert werden. 8

Nachteile eines Hausbesuchs

Fachkräften sollte bewusst sein, dass sie durch das Wahrnehmen eines Hausbesuchs in die Privats- bzw. Intimsphäre der Familien eindringen. Dies kann Folgendes bedeuten:

  • Rollentausch: Durch einen Hausbesuch werden die pädagogischen Fachkräfte zu Besucher:innen und die Kinder sowie Eltern zu Gastgeber:innen. Dieser Rollentausch kann bei allen Beteiligten zu Verunsicherung führen. 9
  • Erhalten von Kontextinformationen: Bei einem Hausbesuch erhält die pädagogische Fachkraft Einblicke in die Privatsphäre der Familien, die sie ohne diesen Hausbesuch nicht erhalten würde, wie bezüglich Ordnung, Sauberkeit, sozio-ökonomischen Status der Familie oder die Größe des Wohnraums, aber auch Familiendynamiken. Dies kann bei manchen Eltern Stress und Besorgnis auslösen.10
  • Kontrolle: Die Familien könnten sich durch die Fachkräfte kontrolliert fühlen. Möglicherweise haben die Eltern bereits negative Erfahrungen mit Hausbesuchen durch Behörden oder Ähnliches gemacht, wodurch sie große Bedenken in Bezug auf den Besuch haben können. 11
  • Kein distanzierter Schutzraum: Durch den Besuch im privaten Umfeld könnten sich die Eltern und auch die Kinder mehr verschließen, da ihnen kein distanzbasierter Schutzraum geboten werden kann, in dem sie sich möglicherweise besser öffnen könnten.12
  • Negative Auswirkungen auf Zusammenarbeit. All diese aufgeführten Nachteile können dazu führen, dass die Zusammenarbeit beeinträchtigt und die Erziehungspartnerschaft negativ beeinflusst wird.

Anforderungen an die Fachkräfte

Die pädagogischen Fachkräfte müssen in ihrem beruflichen Alltag mit vielen Spannungsfeldern umgehen, auch bei einem Hausbesuch. So können sich sowohl die bereits gegebenen Spannungsfelder intensivieren als auch neue entstehen. Bei der Durchführung eines Hausbesuchs ist es deshalb ratsam, sich im Vorfeld mit diesen Spannungsfeldern auseinanderzusetzen.
Pädagogische Fachkraft-Gastrolle
Durch einen Hausbesuch wechselt die pädagogische Fachkraft von der Rolle als Gastgeber:in in die Rolle des Gastes. Resultierend daraus kann es zu Unsicherheiten in Bezug auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen kommen. Möglicherweise können dadurch die Ziele für den Termin nicht fokussiert werden oder andere Rollenkonflikte entstehen.
Distanz Nähe
Eine pädagogische Fachkraft bewegt sich stets im Spannungsfeld Nähe und Distanz. Wenn sie die Familie zuhause besucht, erhält sie viele Einblicke in das private Lebensumfeld. Dementsprechend ist es wichtig, die professionelle Distanz zu wahren. Umgekehrt wird die in der Einrichtung erwartete Professionalität der Fachkraft im privaten Kontext unter Umständen kritisch gesehen, was zu Verunsicherungen auf allen Seiten führen kann.
Kein distanzierter Schutzraum Leichter Zugang zu Informationen
Wenn Fachkräfte die Familien zuhause besuchen, erhalten sie einen leichteren Zugang zu vielen Kontextinformationen des Familiensystems. Möglicherweise möchte aber die Familie nicht, dass die Kita darüber Bescheid weiß. Hier gilt es also, beide Optionen zu prüfen: Stärkt das Eindringen in den privaten Raum die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft oder bietet es sich eher an, den Familien einen distanzierten Schutzraum zu bieten?
Wertschätzung Sorge vor Bewertung
Familien können sich über den Besuch zuhause sehr freuen. Es kann aber auch sein, dass die Sorge vor kritischer Bewertung steigt. Auch wenn diese Diskrepanz den Fachkräften bewusst ist, wird sie sich nicht ganz vermeiden lassen.

Am besten mit Vertrag

Ein rechtlich bedeutender Punkt bei Hausbesuchen ist der Vertrauensschutz, von dem sich auch die Verschwiegenheitspflicht ableitet. Um diesen Vertrauensschutz zu wahren und einen rechtlich gut fundierten Hausbesuch durchführen zu können, sollte im Vorfeld ein formaler Beratungsvertrag erstellt werden. Dieser hat einerseits zum Ziel, die rechtlichen Grundlagen zu definieren. Andererseits unterstreicht ein Vertrag die Bedeutsamkeit der Vertrauensbeziehung zwischen Eltern und Fachkräften. Inhalte des Vertrags sollten die Anzahl, die Dauer, die Örtlichkeiten und die beteiligten Personen sowie die Schweigepflicht und die Dokumentation sein. Für den gesetzlich geschützten Vertrauensschutz finden sich die Regelungen im Strafgesetzbuch, im Bundesdatenschutzgesetz und in den Büchern des Sozialgesetzbuchs. Besonders bedeutend bei den Hausbesuchen ist die Freiwilligkeit und die Einwilligung der Eltern, da in ihre Privats- und Intimsphäre eingedrungen wird. 13

Tipp für die Praxis: 

Wenn Sie Hausbesuche anbieten, dann gelingen diese am besten niedrigschwellig und ohne kollektiven Druck. Bei Interesse können sich Familien bei Ihnen melden. So stellen Sie sicher, dass ein Besuch zuhause erwünscht ist.

Fazit

Ein Hausbesuch sollte immer multidimensional betrachtet werden, denn er hat Auswirkungen auf die Fachkräfte und die Familie. Dabei sollte das Vorgehen der Kita in regelmäßigen Abständen reflektiert werden, um sich mit den Vor- und Nachteilen sowie den Spannungsfeldern auseinanderzusetzen. Wichtig ist auch, die Perspektive der Kinder einzunehmen: Würden sie sich über einen Hausbesuch freuen? Überträgt sich möglicher Stress der Eltern auf das Kind, wodurch sich auch das eigene Stresslevel erhöht? Und welche Konsequenzen könnten die Hausbesuche für alle Beteiligten haben? Für die pädagogischen Fachkräfte gilt es, die vielen unterschiedlichen Perspektiven im Blick zu haben und das eigene professionelle Handeln zu reflektieren.

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