Über Möglichkeiten und Grenzen der ZusammenarbeitSollten Eltern in alle Kita-Angelegenheiten miteinbezogen werden?

Die Kommunikation über eine App, der Elternabend als Co-Working-Projekt: Wir haben drei Fachkräfte gefragt, ob es sinnvoll ist, Eltern in alle Kita-Angelegenheiten miteinzubeziehen. Was würden Sie antworten?

Sollten Eltern in alle Kita-Angelegenheiten miteinbezogen werden?
© privat

„Die Grenze sehe ich dort, wo es um die pädagogische Arbeit geht“
Carola Jagsch: Bei unserem Elternabend haben wir uns von den anwesenden Eltern gewünscht, dass die Bobbycars umgebaut werden. Die Originalräder wollten wir mit Flüsterrädern ersetzen lassen. Zu unser aller Überraschung zeigte sich, welch schönes Co-Working sich daraus ergab. Alle hatten Spaß und lernten sich mühelos kennen. Und am allerbesten: Die Bobbycars fahren nun schneller und wunderbar leise. Meiner Ansicht nach macht es an einigen Stellen Sinn, die Eltern miteinzubeziehen, besonders wenn es das pädagogische Team entlastet und/oder Geld einspart werden kann. Die Grenze sehe ich dort, wo es um die pädagogische Arbeit und die Betreuung und Begleitung der Kinder geht. Die Eltern können hier ihre Sichtweise und Ideen vorbringen. Keinesfalls aber sollten sie mitentscheiden. Hier wünsche ich mir von Seiten der Eltern eher ein „Mehr“ an Vertrauen und Wertschätzung für unser Tun. Als „alte Häsin“ erlebe ich immer wieder, wie noch berufsunerfahrene, erst frisch ausgebildete Kolleg:innen, die ihre Professionalität in der Praxis im Kita-Alltag entwickeln wollen, durch das Mitmischen von Elternseite verunsichert sind.

Carola Jagsch ist Diplom-Psychologin, Marte Meo Praktikerin und Krippenfachkraft. Sie ist in einer Kita in Rüsselsheim tätig und bietet Beratungen für Fachkräfte und Eltern an.

Abstimmungen per App: „Eltern Möglichkeiten der Partizipation geben“
Matheo Bucher: Im Sinne einer gelebten Erziehungs- und Bildungspartnerschaft halte ich es für unabdingbar, Eltern in Kita-Angelegenheiten miteinzubeziehen. Wichtige Parameter sind dabei vor allem Transparenz und die Möglichkeit zur Partizipation seitens der Elternschaft. Um dies praktisch umzusetzen, nutzen wir in der Kita unter anderem die App „Stay Informed“. Über die App können alle Informationen niedrigschwellig und digital an die Eltern weitergegeben werden. Darüber hinaus können beispielweise Abstimmungen direkt in der App durchgeführt werden. Wir nutzen die App seit einem knappen Jahr und ich erlebe immer wieder, wie viel schneller und reibungsloser der Informationsaustausch dadurch geworden ist.

Matheo Bucher ist Erzieher und arbeitet in einer baden-württembergischen Kita.

„Eltern werden als störend empfunden“
Ich erlebe oft, dass die Eltern morgens gar nicht die Kita betreten dürfen. In der sogenannten Schmutzschleuse müssen sie sich von ihren Kindern verabschieden. Die Begründung dafür ist, dass das die Abläufe vereinfacht und die Kinder viel selbständiger sind. Eltern werden als störend empfunden. Gerade sind viele Krippen und Kitas wieder mit den Eingewöhnungen beschäftigt und auch da drängen einige Fachkräfte darauf, dass Eltern ihre Anwesenheit möglichst kurz halten, damit sich das Kind bloß nicht dran gewöhnt, dass die Bindungsperson mit dabei ist. 
Ich halte das für schädlich, weil eine offene und vertrauensvolle Erziehungsbildungspartnerschaft zwischen Fachkräften und Eltern entscheidend für das Wohlergehen und die Entwicklung der Kinder ist. Wenn Eltern von Anfang an das Gefühl bekommen, dass ihre Anwesenheit unerwünscht ist oder ihre Rolle auf bloße Beobachtung beschränkt wird, kann dies zu einem Mangel an Vertrauen und Kommunikation führen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Eltern ermöglicht es, die Bedürfnisse des Kindes besser zu verstehen und individuelle Ansätze in der Betreuung und Bildung zu entwickeln. Ein inklusiver Ansatz, der Eltern als wertvolle Partner:innen einbezieht, kann zu einer ganzheitlichen Unterstützung der Kinder beitragen.

Anja Cantzler ist Diplom-Sozialpädagogion, Coachin (DGfC), Supervisorin (DGSv) und freiberufliche Referentin in der Weiterbildung von Erzieher:innen sowie Autorin.

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