Die Mama kommt doch gleich wieder“, „Ist doch nichts passiert“ oder „Streitet euch doch nicht wieder“ – häufig nutzen Erwachsene Aussagen wie diese, um einem Kind mitzuteilen: „Es ist doch alles gut.“ Sie dienen der Beruhigung oder als Hilfestellung in Situationen, die das Kind zu überfordern scheinen. Gleichzeitig offenbaren sie bestimmte Erziehungsvorstellungen („Deswegen weint man nicht“) und Glaubenssätze („Du darfst keine Gefühle zeigen“), die von Erwachsenen an Kinder weitergegeben werden. Diese (adultistischen) Automatismen können das Erleben und die Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern im Kita-Alltag einschränken. Wie lassen sich die Beziehungen zwischen Kindern und Fachkräften alternativ gestalten?
Kinder bestimmen mit
Partizipation ist dann möglich, wenn Kinder ernst genommen und gehört werden und mitentscheiden können. Das gelingt, wenn es keinen fertigen Plan für den Tagesverlauf im Kita-Alltag gibt. Damit ist gemeint, dass die einzelnen Aktivitäten bereits vorher festgelegt sind und unabhängig vom vorherigen Geschehen, den aktuellen Bedarfen oder dem Wetter umgesetzt werden. Denn nur wenn Kinder merken, dass ihre Ideen von Relevanz sind und es sich nicht bloß um Alibi-Entscheidungen handelt, entwickeln sie ihr Selbstbewusstsein und erleben sich als selbstwirksam.
Raum für eigene Erfahrungen
Wenn Kinder lernen, eignen sie sich die Welt um sich herum in ihrem Tempo an. Sie erfühlen, betasten, bestaunen, riechen und hören. Um zu erfahren, wer sie sind und was sie können, müssen sie laut und wild genauso wie leise und vorsichtig sein dürfen. Es geht darum, in Pfützen zu springen, in das Leben hineinzuspringen, nass zu werden und die Welt mit allen Sinnen zu entdecken.
Auf die Botschaften achten
Fachkräfte begleiten Kinder in ihrem Tun – auch durch ihre Worte. Dabei macht es einen Unterschied, ob diese Worte ermutigen und stärken oder ob sie Gefühle oder Handlungen schwächen und abwerten. Aus den Botschaften der Erwachsenen entwickeln Kinder ihre Glaubenssätze und ihr Selbst- und Weltbild. Wenn Kinder erfahren „Du darfst traurig sein, weil deine Mama jetzt geht“, können sie ihre Gefühle annehmen und den Umgang mit ihnen lernen.
„Du darfst traurig sein“
Jeder Kita-Tag beginnt für das Kind mit dem Abschiednehmen von seinen Eltern. Für viele Kinder ist diese Situation nach der Eingewöhnungsphase eine immer kleiner werdende Hürde. Doch es gibt Erziehungsvorstellungen, die deutlich werden, wenn das Kind in dieser Situation nicht so funktioniert, wie die Erwachsenen es sich vorstellen. Der Satz „Deine Mama kommt ja wieder“ drückt dabei die Erziehungsvorstellung und somit den Glaubenssatz aus, dass das Kind doch nicht traurig sein solle, denn die erwachsene Bezugsperson käme ja gleich wieder. Damit wird dem Kind signalisiert, dass es diesen Gefühlen keinen Raum geben soll. Diese Aussage rührt also daher, dass die Erwachsenen selbst besser zurechtkommen wollen, indem sie diese Gefühle verdrängen, oder sie ist gut gemeint, weil das Kind nicht unnötig leiden soll. Damit der Plan der Erwachsenen – sowohl der Eltern als auch der übernehmenden Fachkräfte – funktioniert, muss also auch das Kind funktionieren. Die morgendliche Trennungssituation zu begleiten, heißt hingegen, sowohl Kinder als auch Eltern in dieser Situation ernst zu nehmen: „Es ist ein Abschied und dieser kann wehtun, er kann sich schlimm anfühlen, aber wir begleiten dich, wir sind bei dir und wir nehmen dich ernst.“ Kinder können auf diese Weise lernen, dass ihre Gefühle wahrgenommen, benannt und akzeptiert werden.1 Das Abschiednehmen kann so als sichtbarer und bewältigbarer Prozess gemeinsam bearbeitet werden. Eine mit drehbarer Fahne und Kussmund gezeichnete Winke- und Kussecke kann diesen Abschiedsprozess erleichtern und bleibt als sichtbares Zeichen im Tagesverlauf erhalten. Eingewöhnungs- und Abschiedsprozesse sind sehr komplex und individuell und sollen hier keinesfalls simplifiziert werden, doch bieten sie für alle Beteiligten eine Gelegenheit, auch mit als schwierig erlebten Gefühlen umgehen zu lernen.2