Der Stuhlkreis – nicht wegzudenken aus dem Kita-Alltag. Oder? Egal ob im Projekt, Morgenkreis oder zur Gesprächsrunde, der Stuhlkreis ist ein allgegenwärtiger Begleiter. Schon in der Ausbildung haben wir ihn bis zum genervten Augenrollen zelebriert. Nichts entgeht da der Lehrkraft. Keine:r konnte aufs Handy starren, sich gemütlich hinfläzen oder Briefchen schreiben. Ja, ich hab schon verstanden, warum der so beliebt ist. In der Kita ist das selbstverständlich ganz anders. Da sitzen sie dann alle gespannt, mit neugierigen Blicken, fast regungslos und schenken uns all ihre Aufmerksamkeit, während wir pädagogisch wertvoll ins nächste Thema führen. Hahaha. Schön wär’s.
Es fängt schon damit an, dass es meist eher ein Stuhl-Ei ist als ein homogener Kreis. Bis jede:r einen Platz gefunden hat, dauert es seine Zeit. Mara weint, weil neben mir kein Stuhl mehr frei ist, und Finn weint, weil er neben einem MÄDCHEN sitzen muss. Aber dann sind alle Tränen getrocknet. Es kann losgehen. Mia hibbelt aufgeregt auf ihrem Stuhl rum, Enes fällt zum dritten Mal sein neues Armbändchen runter. Emine muss eh noch mal schnell aufs Klo, Sascha will was trinken. Juri, der noch kein Deutsch kann, geht irritiert hinterher. Zum Glück sind wir zu zweit und eine:r kann das begleiten.
Währenddessen starte ich mit einem Begrüßungslied. Langsam finden sich alle ein. Endlich habe ich die Aufmerksamkeit aller Kinder. Gerade will ich anfangen zu sprechen, als draußen die Müllabfuhr laut krachend die Tonnen lehrt. 25 Kinder starren beeindruckt aus dem Fenster. Bevor ich den Mund wieder aufmachen kann, hüpft ein Eichhörnchen den Baum hinauf und winkt den Kindern zu.
„Lasst uns was über Eichhörnchen herausfinden!“, wäre sicher pädagogisch angebrachter aber es ist nun mal Montag und die Kinder sollen vom Wochenende erzählen. Schließlich ist es so wertvoll, gehört zu werden! In meinen Augen mindestens genauso fragwürdig.
Denn nachdem das erste Kind am Wochenende Eis essen war, kann ich darauf wetten, dass mindestens fünf weitere dasselbe erlebt haben – irgendwann bestimmt mal. Jamal erzählt wieder mit großer Begeisterung davon, dass er im Legoland war. Muss echt toll gewesen sein und beeindruckt ihn auch noch viele Wochen später.
Jason ist übers Wochenende nach Amerika geflogen und ganz bestimmt hat er dort auch einen Dino gesehen. Währenddessen ziehen sich nach und nach Kinder zurück, kitzeln ihre Sitznachbar:innen am Kinn oder flüstern sich was ins Ohr. Auch mir fällt es nach dem drölfzigsten „Und dann ... und dann …“ etwas schwer, zuzuhören, aber einmal angefangen, muss es nun weitergehen. Anna meldet sich schon so lange und wartet aufgeregt, dass sie drankommt.
Und wieder mal beschließe ich: Nächstes Mal lösen wir das anders. Interesse zeigen und nachfragen kann ich doch viel besser im Alltag. Dort bleibt auch die Zeit, es sprachlich zu begleiten, ohne das Kind mitten im Satz abzuwürgen, damit die restlichen 24 noch drankommen. Selbst das das bemüht hüpfende Eichhörnchen ist inzwischen gelangweilt vom Baum gekippt. Silas überlegt, wie wir es wohl wieder aufpäppeln können. Gute Frage. Lasst uns das im Stuhlkreis besprechen.