Shinrin Yoku ist japanisch und bedeutet Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes und wurde ins Deutsche mit „Waldbaden“ übersetzt. Beim Waldbaden sollen die Besucher: innen im Hier und Jetzt sein. Die Umgebung mit allen Sinnen wahrnehmen und neugierig den Lebensraum Wald erkunden. Hier gibt es keine Reizüberflutung, weder für die Augen noch für die Ohren. Der Mensch ist in dem Lebensraum, an den er sich im Laufe der Evolution angepasst hat. Die positive Wirkung des Waldbadens auf die Gesundheit belegen japanische und internationale Studien. Die frische Luft belebt die Atemorgane, das Gehen auf unebenem Boden fordert heraus, die Stille und das Grün entspannen.
Abschied vom perfekten Wald
Die Ansprüche vieler Erwachsener an den Wald sind hoch. Ein perfekter Wald soll es sein. Am besten mit einem kleinen Bach und vielen verschiedenen Bäumen, verträumten Lichtungen und moosbewachsenen Steinen. Die Vorstellungen sind individuell. Die Kinder sollen auch etwas lernen und die pädagogischen Fachkräfte fragen sich, ob sie selbst genug Naturwissen haben, um das zu leisten. Aber das Schöne am Waldbaden ist, dass das alles nicht wichtig ist. Eine kleine Gruppe von Bäumen reicht aus, um zu erforschen und zu erleben. Es geht auch nicht um Wissensvermittlung in Form von Benennen von Bäumen und Pflanzen. Hier erfahren Kinder oft zum ersten Mal, dass es überhaupt verschiedene Bäume gibt, dass sich Rinde und Borke unterschiedlich anfühlen. Blätter haben unterschiedliche Formen und Größen. Hier ist Mut zur Lücke gefragt, denn eines ist sicher: Man kommt mit mehr Fragen aus dem Wald heraus, als man hineingegangen ist. Für die Kinder ist es auch eine wertvolle Erfahrung, gemeinsam etwas herauszufinden und Erwachsene zu erleben, die ebenfalls lernbereit sind und nicht alles wissen. Im Folgenden finden Sie einige Übungen, die einen Einstieg in das Waldbaden ermöglichen.
Totholz voller Leben
Nach meiner Erfahrung ist es wichtig, mit den Kindern erst einmal im Wald anzukommen. Einen Ort zu haben, von dem aus sie individuell auf Erkundungstour gehen und sich gegenseitig ihre Entdeckungen zeigen können. Hier kann der Situative Ansatz in seiner reinsten Form umgesetzt werden. Vielleicht beobachtet ein Kind einen Käfer, während ein anderes von einem Baumstumpf springt. Wieder andere liegen im Laub und schauen in die Baumkrone oder beobachten einen Vogel. Zapfen, Stöcke, Steine, Eicheln und Blätter werden gesucht und zu Mandalas gelegt. Ein toter Baumstamm wird mit einem Stöckchen bearbeitet und das morsche Holz herausgekratzt. Unter der Rinde haben sich Asseln, Tausendfüßler und Ameisen versteckt, die nun beobachtet werden können.
Waldradio
Im Kreis stehen oder sitzen – so lauschen die Kinder nun dem „Waldradio“. Dazu wird ein akustisches Signal vereinbart, zum Beispiel Klatschen, Pfeifen oder ein Glöckchen läutet. Dieses akustische Signal bedeutet, dass das Waldradio eingeschaltet ist. Nun lauschen alle den Geräuschen des Waldes und sind dabei ganz still; wer möchte, kann auch die Augen schließen. Die ersten Male reichen ein bis zwei Minuten zum Zuhören. Mit zunehmender Erfahrung kann die Zeit je nach Gruppe verlängert werden. Am Ende ertönt wieder das vereinbarte Signal. Nun können sich die Kinder über das Gehörte austauschen. Auch hier können die Kinder zur Ruhe kommen. Das Gehör ist immer auf Empfang und lässt sich nicht ausschalten. Naturgeräusche tun gut und wir lernen wieder hinzuhören.
Fantasiewelten gestalten
Die Kinder suchen sich vier etwa gleich lange Stöcke und legen sie als Bilderrahmen auf einen „neutralen“ Untergrund ohne Blätter. Nun schwärmen die Kinder aus und holen sich Material für die gemeinsame Bildgestaltung. Dabei gilt: nichts Lebendiges ausreißen und abreißen. Das Gefundene wird in den Rahmen gelegt und es wird erzählt, was es zum Bild beiträgt; auch stilles Hinlegen ist in Ordnung. So entstehen Mondlandschaften, Zoos, Dinosaurier, Spielplätze, Zwergenhöhlen und Feenwelten.
Versteckspiel
Ein oder mehrere Kuscheltiere sind im Wald versteckt und müssen von den Kindern gefunden werden. Hier können zunächst die Erwachsenen die Tiere verstecken, später dann auch abwechselnd die Kinder. Bei der Suche lernen die Kinder spielerisch den Ort kennen.
Gegenstände ertasten
Die Kinder bilden Paare. Ein Kind sitzt mit geschlossenen oder verbundenen Augen und hört auf die Geräusche seiner Umgebung. Das zweite Kind sucht Dinge, die es seinem Partner oder seiner Partnerin in die Hand geben kann, um sie zu ertasten. Natürlich nichts Ekliges (Kot) oder Stachliges. Nun versucht das Kind durch Tasten und Riechen herauszufinden, was es in die Hand bekommen hat. Nach zwei oder drei erratenen Gegenständen wird gewechselt.
Gegensätze finden
Das Spiel kann in Kleingruppen, zu zweit oder als Einzelübung durchgeführt werden. Ziel ist es, Gegensätze zu finden. Die Fachkraft schlägt Beispiele vor, was die Kinder suchen sollen: etwas Hartes und Weiches, Großes und Kleines, Langes und Kurzes, Dickes und Dünnes, Nasses und Trockenes, Altes und Junges, Gerades und Krummes. Jede Gruppe stellt den anderen vor, was sie gefunden haben. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele verschiedene Dinge zu einer Aufgabe gefunden werden.