KolumneReiskörner aus der Hölle

Reiskörner aus der Hölle
© Marén Gröschel, Braunschweig

Rolle, rolle, rolle, der Tisch ist volle, der Bauch ist leer und brummt wie ein Bär. Drum rufen alle mit: Einen guten Appetit.“

Ich sehe schon, die meisten von euch konnten das nicht lesen, ohne es mit zuckendem Auge auf die eigene Einrichtung passend zu korrigieren. So wie der Tischspruch ist auch das Mittagessen bei uns allen durch viele kleine Feinheiten verschieden. Eins ist aber klar: Bis das Essen auf dem Tisch steht, müssen verschiedene komplexe Zahnräder unseres eh schon anspruchsvollen Alltags ineinandergreifen. Während die einen von euch vielleicht sogar selbst einkaufen und kochen – mein Respekt dafür –, beginnt es bei uns mit der Wahl aus drei Gerichten. An manchen Tagen ist allein das schon ein Krimi. Werden die Kinder meine Wahl mutig probieren oder vielleicht doch kategorisch verschmähen?

Wird die Mahlzeit dann Wochen später geliefert, ist die Küchenkraft mal wieder krank und eine Vertretung gibt es nicht. Kein Problem, wir Pädagog:innen sind ja Allrounder:innen und übernehmen das Messen, Anrichten, Servieren und Spülen ganz nebenbei mit links. In dem Fall selbstverständlich ohne einen Kinderhaufen am Bein, denn die dürfen ja nicht mit in die Küche. Manchmal ist das Summen und Brummen der Spülmaschine da geradezu meditativ, der Dampf wie ein Besuch im Thermalbad, und wenn der Zeitdruck nicht wäre, könnte man es als Wellnessanwendung verbuchen. Also fast.

Steht das Essen dann auf dem Tisch, geht es endlich los und die verrücktesten Dinge werden möglich. Lenny, der laut seiner Mama NIEMALS etwas essen würde, das nicht aussieht wie ein Brötchen, haut sich Salat rein, als gäbe es kein Morgen mehr, und Tara, die sonst nur Süßigkeiten isst, knabbert nun vorsichtig an einer Maultasche. Das sind die pädagogischen Höhepunkte eines jeden Mittagessens. Und da ist es auch nicht schlimm, wenn Cem heute mal nur trockene Nudeln isst, denn gestern hat er ja vom Fisch probiert. Aber dann gibt es „Suppe mit Unkraut“ drin, und da hört der Spaß für Sara wirklich auf. Kann die Erzieherin noch so oft erzählen, dass man das Kräuter nennt. Sara lässt sich doch nicht vergiften.

Ach, und wer hat bitte eigentlich gedacht, dass Spaghetti eine gute Idee für Kindergartenkinder wären?

Die Qualität des Essens ist verschieden, unterm Strich hat aber wohl jede:r so sein/ihr Lieblingsessen. Während in unserer Kita die Kinder Linsen mit Spätzle quasi inhalieren, verpasse ich aktuell mit einer gemeinen Regelmäßigkeit den Kaiserschmarrn, auf den ich mich eh schon immer eine Vorspeisensuppe lang gedulden muss.

Sind dann alle Teller abgeräumt und Hände und Münder gewaschen, bleibt zum Schluss der Erzieherin/des Erziehers liebster Spaß: Reis aufkehren. Endlich ergibt auch dieses „Rolle, rolle, rolle“ einen Sinn, denn mindestens so viele Anläufe braucht das Korn, bis es aufgefegt ist. Diese gemeinen kleinen Dinger müssen direkt in der Hölle gewachsen sein. Und wir, mit unserer Kehrschaufel, sind dann wohl im Fegefeuer.

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