Sensationell AnnabellAlles auf Teilzeit

Alles auf Teilzeit
© Marén Gröschel

Es scheint momentan unausweichlich – die Kita-Teams bestehen aus mehr Menschen, als Stühle im Personalraum stehen, denn eine Vollzeitstelle teilen sich mal eben drei Personen.
Schon Auszubildende erzählen mir erschöpft, sie wollen im Anschluss an ihre Lehrjahre Teilzeitkraft werden. Fast alle Wiedereinsteiger:innen nach Elternzeit wollen natürlich (erst mal ...) nur Teilzeit. Und Fachkräfte in den letzten Berufsjahren bitten atemlos um Altersteilzeit.
Neue Bewerber:innen, wenn es sie denn gibt, fordern schon im Anschreiben: Teilzeit, bitte! Arbeiten wollen sie selbstverständlich nur vormittags! Zwischen 9 und 12.30 Uhr. Auf keinen Fall am Nachmittag und bitte montags und freitags frei. Ganztagsbetreuung ist daher gar nicht mehr möglich und irgendwie beißt sich die Katze damit auch in den Schwanz, denn wohin mit den eigenen Kindern, wenn man Vollzeit arbeiten will? Dienstplangestaltung gleicht inzwischen einem Sudoku.
Ich gestehe es: Auch ich bin inzwischen eine „Freitags ist sie nie da“-Kollegin!
Wenn ich mich mit einer Kollegin zum Planen einer Aktion zusammensetzen will, dann brauchen wir mindestens so viel Zeit, um zu analysieren, wann wir uns treffen, wie für die Planung des Projektes.
Montags hat sie frei, freitags ich. Mittwochs komme ich später, aber löse sie ab, denn sie hat dann Feierabend. Donnerstag würde gehen, aber da ist ja jetzt ein Elterngespräch. Dienstag, ja, das könnten wir machen, aber oh, ich hab ne Fortbildung drinstehen. Naja, vielleicht haben wir Glück, die fallen ja eh meistens wegen Personalmangel aus.
Wenn ich dann morgens ankomme, so kurz vor 9 Uhr, empfängt mich der Frühdienst schon völlig entkräftet mit zwölf Uno-Karten in der Hand, einem weinenden Kind auf dem Schoß, dem Telefon am Ohr und einem hilfesuchenden Blick zu mir: „Tim muss umgezogen werden und die Kinder beim Frühstück sind auch alleine!“
Ich hab das früher als Vollzeitkraft so genossen, wenn erst nach und nach Leben ins Haus kam und ich, wie der Frosch im kochenden Wasser, langsam mit heiß laufe. Nun brodelt es schon, wenn ich komme, und wenn ich gehe, ist längst noch nicht wieder Ruhe eingekehrt.
Schon immer klagen Teilzeitkräfte über zu wenig Infos, zu schnell zu viele Überstunden, zu wenig Kontakt zu den Eltern und den olympiaverdächtigen Spagat in der Eingewöhnung.
Das hört sich in den Ohren der Vollzeitkräfte oft wie Meckern auf hohem Niveau an. Da reißt man den kompletten Alltag und hat es doch niemals so schwer wie die Kolleg:innen, die um 13 Uhr nach Hause gehen. Dabei wartet bei beiden daheim noch der Haushalt, ein:e Ehepartner:in oder das Hundekind.
Wir alle haben Gründe. Ich bin sehr dankbar, dass ich beide Perspektiven erlebt habe und nachvollziehen kann. Deshalb kann ich aus vollem Herzen sagen: Danke, liebe Vollzeitkraft, für das, was du schon aufgefangen hast, während ich zwei Kinder abgefrühstückt habe, ein Haus gesaugt und Yoga machend ein Brot backen durfte!

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