Beim Backen beobachten die Kinder, wie der Teig plötzlich größer und weicher wird, im Garten wachsen die Pflanzen in Richtung Sonne, auf dem Spielplatz wollen Kinder herausfinden, warum manche Dinge schneller die Rutsche hinunterrutschen als andere. Ob in der Küche, im Garten oder auf dem Spielplatz – überall gibt es Phänomene zu entdecken. Aus einer Beobachtung wird eine Frage. Wodurch wird der Teig größer? Wird jeder Teig größer? Alltagsbeobachtungen von Kindern sind ein guter Ausgangspunkt zum Forschen.
MINT-Bildung gliedert sich in die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Sie findet nicht isoliert statt, sondern ist integriert in den (Kita-)Alltag der Kinder. Ihre Interessen und Fragen stehen im Mittelpunkt. Das Explorieren, Experimentieren und Konstruieren kann mit einfachen und alltäglichen Materialien stattfinden. Eben sind die Autos noch die Rampe in der Bauecke hinuntergeflitzt und schon steht die Überlegung im Raum, ob die Autos nicht auch selbst fahren können. Mit Eisstäbchen, Strohhalmen, Holzstäbchen, Flaschendeckeln, Schrauben und Gummibändern ist schnell ein Auto mit Gummiantrieb gebaut. Wie weit kann dieses Auto fahren? Durch das Sprechen über das, was die Kinder erleben, und das Reflektieren über ihre eigenen Lernprozesse entwickeln sie ein tieferes Verständnis für etwa naturwissenschaftliche Konzepte und deren Anwendung im Alltag.
Gemeinsam entdecken
In Gruppen lernen die Kinder, verschiedene Perspektiven einzunehmen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Sie tauschen sich miteinander aus: Ist es das Wasser auf der Rutsche, das die Gegenstände schneller rutschen lässt? Ist es die Länge der Rutschbahn? Oder sie bauen ihre eigene Rampe und überlegen: Was kann man verändern, damit die Spielzeugautos schneller oder langsamer fahren? Das gemeinsame Entdecken und Konstruieren stärkt nicht nur das soziale Miteinander, sondern fördert auch das kritische Denken. Kinder werden ermutigt, Fragen zu stellen, eigene Ideen einzubringen und diese im Dialog mit anderen zu hinterfragen. Kritisches Denken ist eine Schlüsselkompetenz, die in der MINT-Bildung besonders gefördert wird. Kinder lernen, Informationen zu bewerten, Argumente zu formulieren und Entscheidungen auf der Basis von Beobachtungen und Experimenten zu treffen.
Lernbegleitung vertieft und bereichert
Es gibt bewährtes Handwerkszeug, um mit Kindern die Welt zu entdecken. Dazu gehört:
- (Offene) Fragen stellen, die zum Nachdenken anregen: Was glaubst du, wie das funktioniert?
- Experimentieren, Konstruieren und Entdecken ermöglichen: Das beinhaltet, den Kindern Zeit und Raum zu geben, mit Materialien frei zu explorieren und eigene Entdeckungen zu machen, aber auch mit Alltagsmaterialien zu experimentieren.
- Beobachtungen und Dokumentationen fördern: Die Kinder zu gezielten Beobachtungen ermuntern und sie ermutigen, diese festzuhalten. Dabei können sie durch Fotos und Zeichnungen unterstützt werden.
- Rätsel und Herausforderungen anbieten: den Kindern (entwicklungsangemessen) auch selbst kleine Problemlöseaufgaben stellen: „Bau eine Brücke, auf der drei Autos stehen können“.
- Alle Sinne ansprechen: Sehen, Fühlen, Hören, Riechen und Schmecken. In der Natur können viele Phänomene direkt beobachtet werden: Pflanzen, Tiere, Wetter.
- Staunen: Sich in der forschenden Grundhaltung selbst auch als lernend verstehen und mit den Kindern neugierig, offen und ohne fertige Antwort auf die Suche gehen. Wenn sich die Kinder für Schnecken interessieren, die sie im Außengelände entdeckt haben, zunächst mit den Kindern erarbeiten: „Was wollt ihr über die Schnecken herausfinden?“
- Alltagsbezüge aufzeigen: Phänomene sollten immer aus der Lebenswelt der Kinder stammen und in ihrem Alltag eine Rolle spielen. Für Kinder ist es wichtig, an echten Problemen oder Aufgaben zu arbeiten, die sie interessieren und die gelöst werden müssen.
Vernetztes Lernen
Kinder denken nicht in Disziplinen, daher sind die Aktivitäten der Kinder oft vielen Bildungsbereichen zuzuordnen. Das gilt auch für die MINT-Disziplinen: Mathematik wird zum Messen und Vergleichen benötigt. Naturwissenschaft zeigt sich in der Beobachtung der physikalischen Eigenschaften von Materialien. Technik steckt im Bauprozess. Informatik tritt in den Vordergrund, wenn Kinder Muster und Strukturen erkennen und reflektieren. Diese Disziplinen sind also in der frühen Bildung stark miteinander verzahnt und bieten den Kindern ein breites, aber eng miteinander verbundenes Erfahrungsspektrum. Für pädagogische Fachkräfte geht es darum, die naturwissenschaftlichen, mathematischen und technischen Erfahrungen der Kinder in Alltagssituationen zu erkennen, für Bildungsanlässe zu nutzen und gegebenenfalls zu fokussieren. Beim Wachstum von Pflanzen kann zunächst beobachtet werden, was das Wachstum beeinflusst: Die Sonne? Regelmäßiges Gießen? Wie lässt sich das überprüfen? Zum einen, indem eine Pflanze besonders viel Sonnenlicht bekommt, während eine andere im Dunkeln steht. Zum anderen, indem zum Beispiel die Höhe der Pflanze in regelmäßigen Abständen gemessen wird (mathematische Aspekte). Technik bezieht sich auf das Entwerfen und Bauen von Dingen. Beim Bau von einfachen Papierfliegern lernen die Kinder die Prinzipien der Aerodynamik kennen (Naturwissenschaft). Sie können beobachten, wie verschiedene Formen und Flügel die Flugbahn des Fliegers beeinflussen. Das fördert sowohl das Verständnis für physikalische Phänomene wie Schwerkraft oder Luftwiderstand als auch die Anwendung technischer Überlegungen. Natürlich spielen in jeder Auseinandersetzung auch sprachliche Bildungsprozesse eine wichtige Rolle. Die Kinder beschreiben ihre Beobachtungen, stellen Fragen und diskutieren Ergebnisse.
Die Verbindung zwischen MINT und BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) ist besonders eng, da beide darauf abzielen, dass Kinder die Welt verstehen und aktiv mitgestalten. BNE bindet dabei ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Dimensionen ein. Wenn zum Beispiel ein Papierflieger gebaut wird, kann man sich mit den Kindern darüber unterhalten, woher das Papier kommt, das sie verwenden. Vielleicht packt sie der Ehrgeiz und sie entwickeln Lösungen, wie mit wenig Papier die besten Flugeigenschaften erzielt werden können (ökonomische Aspekte).
MINT-Bildung ist mehr als nur Lernen. Sie ist ein Tor zu einer Welt voller Möglichkeiten. Wenn Kinder mit ihren Bedürfnissen und Interessen im Mittelpunkt stehen, wird ihnen gezeigt, dass sie die Kraft haben, die Welt um sie herum zu verstehen, an ihr teilzuhaben und sie zu verändern. Mit Spaß und Neugierde entdecken sie in kleinen Dingen große Fragen, auf die sie durch Ausprobieren spannende Antworten finden.