Vom Beziehungsverhalten geleitetEingewöhnungsmodelle im Vergleich

Unterschiedliche Kitas, unterschiedliche Konzepte. Wie sieht es aus mit Berlin, München oder Tübingen? Ein Überblick über die verschiedenen Modelle für Eingewöhnungsprozesse.

Eingewöhnungsmodelle im Verlgeich

Die Eingewöhnung von jungen Kindern ist eine hochsensible und wichtige Phase in der Arbeit von pädagogischen Fachkräften. Eine erfolgreiche Eingewöhnung bildet die Grundlage für einen weiteren positiven Entwicklungs- und Bildungsprozess in der Kita. Damit ein guter Beziehungsaufbau stattfinden kann und die Kinder sicher in den Kita-Alltag starten können, müssen pädagogische Fachkräfte über entsprechende fachliche und persönliche Kompetenzen sowie Erfahrung in der Gestaltung von Eingewöhnungsprozessen verfügen. Entscheidend sind aber zusätzlich entsprechende organisatorische und räumliche Rahmenbedingungen. Hierbei kann die Orientierung an einem Eingewöhnungsmodell helfen. Bundesweit gibt es aktuell unterschiedliche Modelle der Eingewöhnung.

Berliner Eingewöhnungsmodell

Das älteste und in Deutschland verbreitetste Konzept ist das Berliner Eingewöhnungsmodell, das in den 1980er-Jahren von Laewen, Andres und Hédervári-Heller vom infans-Institut entwickelt wurde. Es basiert auf Erkenntnissen der Bindungs- und Hirnforschung und geht davon aus, dass die Begleitung des Kindes in eine Tagespflege, Krippe oder Kita durch die Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen in der ersten Zeit Voraussetzung dafür ist, dass es eine sichere Bindung zu einer ihm bis dahin unbekannten Betreuungsperson aufbauen kann. Außerdem wird bezugnehmend auf die Bindungstheorie darauf hingewiesen, dass sich Kinder zwischen dem 6. und 24. Lebensmonat in einer kritischen Lebensphase befinden und auf einen Wechsel der betreuenden Personen besonders empfindlich reagieren.
Ein zentrales Anliegen dieses Modells ist es, die frühen Bindungen des Kindes an seine Eltern und die unterschiedlichen Bindungstypen zu beachten. „In Abhängigkeit davon“, so Laewen, Andres und Hédervári-Heller1 , „in welchem Ausmaß ein Kind auf die Verfügbarkeit seiner Eltern als ‚sichere Basis‘ angewiesen ist, wird eine kürzere oder längere Dauer der Eingewöhnung in Anwesenheit eines Elternteils empfohlen.“
Das Modell enthält daher Hinweise auf Anhaltspunkte im Verhalten der Kinder während der ersten Tage ihres Besuchs einer Einrichtung, die eher für eine kürzere oder längere Eingewöhnungszeit sprechen.

Münchener Eingewöhnungsmodell

Das Münchener Eingewöhnungsmodell ist neben dem bewährten Berliner ein weiteres erprobtes Modell, das stärker Erkenntnisse aus der Transitionsforschung einbezieht und Eingewöhnung aus einer familien- und entwicklungspsychologischen Perspektive betrachtet.
Es ist sowohl für Kleinkinder als auch für Kindergartenkinder geeignet. Denn unabhängig davon, in welchem Alter sich die Kinder befinden und welchen konkreten Übergang sie zu bewältigen haben, bleiben die grundlegenden Prinzipien dieselben. Lediglich die Methoden, mithilfe derer die Ziele erreicht werden, ändern sich.
Das Modell geht davon aus, dass alle am Eingewöhnungsprozess Beteiligten von Anfang an eine wichtige Rolle spielen und dass sie aktiv daran teilhaben müssen.2 Eine zentrale Rolle für das Wohlbefinden des einzugewöhnenden Kindes nimmt dabei die Kindergruppe ein. Außerdem sieht das Münchener Eingewöhnungsmodell nicht so stark die eingewöhnende Fachkraft im Vordergrund, sondern geht davon aus, dass Kinder auch zu mehreren Personen eine gute Beziehung aufbauen können.3 Im Gegensatz zum Berliner Eingewöhnungsmodell hängt die Dauer der Eingewöhnung nicht so sehr vom Verhalten des Kindes ab, sondern von der Bereitschaft aller am Eingewöhnungsprozess Beteiligten: Kind, Eltern, Fachkraft und Kindergruppe. Das Münchener Eingewöhnungsmodell ist inzwischen umfangreich weiterentwickelt worden, indem zum Beispiel systemische Ansätze integriert wurden. 4

Tübinger Eingewöhnungsmodell

Das Tübinger Eingewöhnungsmodell (Peer-Eingewöhnung) wurde innerhalb eines Forschungsprojekts von Kindheitspädagogin Heike Fink entwickelt. Es berücksichtigt neben der erwachsenenzentrierten Bindungstheorie auch die Bedeutung von Peer-Beziehungen und Peer-Interaktionen für frühkindliche Entwicklungs- und Bildungsprozesse. 5 „Kind-Fachkraft-Beziehungen und Peer-Beziehungen stehen von ihrer Bedeutsamkeit auf gleicher Ebene und ergänzen sich.“ 6 Kinder sind demnach in der Lage, die Entwicklungsaufgabe „Übergangsbewältigung“ gemeinsam empathisch zu bearbeiten und zu meistern. 7
Angemeldete Kinder werden je nach (Entwicklungs-)Alter zu entsprechenden Peergroups zusammengefasst und ein gemeinsamer Aufnahmetermin wird vonseiten der Kita festgelegt. Die Gruppengröße variiert entsprechend dem Alter: Bei Kindern unter 2 Jahren bestehen die Peers aus drei bis vier Kindern, ab 2 Jahren können auch Gruppen mit bis zu fünf Kindern gebildet werden. Die Eingewöhnung startet in einem separaten Raum (Nest) und mit zwei Eingewöhnungsfachkräften (Eingewöhnungstandem) sowie einer familiären Bezugsperson pro Kind. Manchmal unterstützt noch ein:e „Brückenpädagog:in“, welche:r unter anderem die Peer mit der Gesamtgruppe verbindet. 8 Ab der dritten Woche ist die Eingliederung in die Gesamtgruppe vorgesehen. Der separate Raum steht den neuen Kindern jedoch weiterhin als Rückzugsort zur Verfügung, etwa für Mahlzeiten oder wenn sie Ruhe benötigen. 9

Partizipatorisches Eingewöhnungsmodell

Das partizipatorische Eingewöhnungsmodell von Marjan Alemzadeh aus dem Jahr 2023 stützt sich auf bildungswissenschaftliche und aktuelle bindungsorientierte Grundlagen. Außerdem bezieht es Erkenntnisse aus der Transitionsforschung, der Traumapädagogik sowie der prä-, peri- und postnatalen Psychologie mit ein und basiert auf dem Grundverständnis einer partizipatorischen Didaktik.10 Im Eingewöhnungsprozess wird den Eltern und Kindern gezielt die Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung und Partizipation gegeben. Biografische Erfahrungen des Eltern-Kind-Paares werden berücksichtigt und in den Verlauf der Eingewöhnung integriert. Im Gegensatz zum Berliner Eingewöhnungsmodell verhält sich die Bezugsperson in der langen Ankommensphase – wie für das Kind gewohnt – aktiv, darf den Prozess aktiv mitgestalten und zieht sich dann erst stückweise im Eingewöhnungsprozess zurück. Die pädagogische Bezugsfachkraft nimmt das Eltern-Kind-Paar mithilfe des Wahrnehmenden Beobachtens11 wahr, beobachtet den Prozess aufmerksam und bietet Sicherheit durch eine einfühlsame, bindungs- und bedürfnisorientierte Begleitung. Auf Grundlage ihrer Beobachtungen reagiert sie individuell und einfühlsam auf die Bedürfnisse des Eltern-Kind-Paares und schafft so schrittweise eine vertrauensvolle Beziehung sowohl zum Kind als auch zu den Eltern. Das entstehende Vertrauen zwischen Eltern, Fachkraft und Kind bildet die Grundlage für eine stabile und belastbare Beziehung innerhalb dieser Triade. Im Verlauf der Eingewöhnung wird die pädagogische Fachkraft zunehmend aktiver, indem sie die Aufgaben der Eltern übernimmt – stets angepasst an das Tempo des Kindes und unter Wahrung der Kinderrechte.12

Fazit

Alle Modelle können nur eine Orientierung darstellen und sind nicht als mechanisch anzuwendendes Rezept zu verstehen. Sie können und sollen das pädagogisch verantwortliche Handeln der pädagogischen Fachkräfte unterstützen und nicht ersetzen.
Jegliche Entscheidung darüber, wie die Eingewöhnungsphase in Ablauf und Dauer gestaltet wird, muss stets als vorläufig begriffen sowie an den Bedürfnissen der Kinder orientiert und durch das Verhalten der Kinder korrigierbar bleiben. Eine erfolgreiche Eingewöhnung zeigt sich darin, dass sich das Kind nach der Trennung von der eingewöhnenden Fachkraft trösten lässt, danach neugierig den Raum erkundet und sich für die anderen Kinder interessiert, gemeinsam mit den anderen isst und sich von der Fachkraft wickeln und ohne Ängste schlafen legen lässt.13

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