Als ich vor einigen Jahren die Ausbildung zur Erzieherin begonnen habe, hat man mich gewarnt: „Mach das nicht!“, hieß es damals. „Da gibt es keine Stellen, Gruppen werden geschlossen!“
Heute kaum noch zu glauben, dabei ist es erst gute 20 Jahre her.
Nach der Ausbildung haben einige Klassenkamerad:innen keine Einrichtungen gefunden. Ich erinnere mich noch an die Stellenanzeigen in unserer Zeitung, in der ein Möbelhaus nach pädagogischen Fachkräften für sein Bällebad gesucht hat. „Gott bewahre, dass ich meine hochwertige Ausbildung darauf verschwende!“, habe ich mir damals geschworen. Und hatte das Glück, in meinem Ausbildungshaus bleiben zu dürfen, bei dem Bildung richtig groß geschrieben wurde (in verschiedenen Sprachen, damit die Kinder ein Gefühl fürs Schriftbild bekommen!).
Es kamen Bildungsräume, Da-Vinci-Zimmer, individuelle Curricula und fachliche Diskurse – Pisa, Finnland und bilinguale Erziehung. Wir haben uns auf ein Niveau hochgearbeitet, wo selbst das Wickeln ein individuelles Angebot wurde und das Mittagessen Raum für Partizipation bot.
Es hat sich richtig gut angefühlt. Ich habe nicht nur nach Feierabend, sondern auch beim jährlichen Streiken das Gefühl gehabt, bedeutsame und unersetzbare Arbeit zu leisten. Ich habe mich in den Beruf, den ich gewählt habe, ständig neu verliebt. Erzieherin war gestern: Ich bin Zukunftsgestalterin! So gingen Jahre ins Land. Ich habe mich weitergebildet, Einrichtungen gewechselt, geleitet, mich mit engagierten Teams so richtig reingehängt – Naturtage, Wissenswochen, Projekte, Kinderkonferenzen und Forschen, Experimentieren, Messen und Vergleichen, Mischen und Klecksen.
Aber jede Geschichte braucht wohl einen Wendepunkt – so auch diese. Irgendwann wurden in ganz Deutschland zeitgleich und unvorhersehbar (?) ganz viele 3-jährige Kinder geboren und wollten sofort (!) einen Kita-Platz.
Und da begann der Schlamassel. Es gab erst keine Räume, dann keine Pädagog:innen, dann Räume, aber zu wenig qualifizierte Mitarbeiter:innen. Bis irgendwann auch das keine Rolle mehr spielte.
Ich denke daran, was ich mir einst geschworen habe, und komme nicht umhin, zu hinterfragen, ob ich mir längst untreu bin. Bisher kann man bei uns noch keine Möbel kaufen – ein Indiz dafür, dass es eine Kita ist. Aber darüber hinaus spüre ich inzwischen zu viele Parallelen. Täglich fühle ich mich, als versuchte ich, im Bällebad eine Pyramide zu bauen, und die Kugel, die ganz obendrauf kommt, ist die mit der Bildung. Doch immer wieder fällt die Pyramide in sich zusammen.
Nun brauche ich eine Pause vom Bällebad, wohl wissend, dass ich es chaotisch zurücklasse. Sehr gern würde ich zurückkommen, wenn die Bälle neu geordnet und sortiert wurden. Bis dahin wünsche ich euch und Tine mit ihrer praktischen Theorie, die hier wieder weitermacht, ganz viel Erfolg beim Jonglieren. Und denkt daran: Auch im Bällebad darf man sich ab und zu mal auf der Luftmatratze entspannen und einfach treiben lassen …