Welche Relevanz hat der Bericht überhaupt, wen spricht er an?
Es geht im Bericht um eine Bestandsaufnahme der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie um Empfehlungen zur Weiterentwicklung in der gesundheitsbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung. Die Empfehlungen richten sich an die Fachpraxis, also auch an Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung sowie an die Politiker auf kommunaler, Landes- und Bundes ebene. Dabei sind die Empfehlungen weder für Politiker noch Fachkräfte verbindlich. Die Aussagen und Empfehlungen des Berichts können Ihnen als Kita-Leitung aber zur Reflexion und Weiterentwicklung Ihrer eigenen Praxis dienen. Das Thema „Gesundheit" ist zudem wichtiger Teil der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen, begründet durch rechtliche Vorgaben, z.B. in der UN-Kinderrechtskonvention, in SGB VIII und in den Bildungsplänen der Länder. Insofern ist Gesundheitsförderung schon lange Teil des gesetzlichen Auftrags in der Kindertagesbetreuung.
Was sind aus Kita Sicht die Kern aussagen des Berichts?
Betont wird die Wichtigkeit des Themas: So ist Gesundheit nicht nur ein Bildungsbereich von vielen, sondern Grundvoraussetzung für Selbstbildung. Zunächst werden die wichtigsten Fakten zur Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen dargestellt. Der Großteil der Kinder ist gesund und wächst unter gesundheitsförderlichen Rahmenbedingungen auf. Aber bei ca. 20% der Kinder und Jugendlichen gibt es gesundheitliche Auffälligkeiten. Es geht dabei nicht um klassische Kinderkrankheiten, sondern überwiegend um „neue Kinderkrankheiten", z.B. chronische und psychische Erkrankungen, die das Aufwachsen beeinträchtigen. Hier hebt der Bericht den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Gesundheit hervor. Arme Kinder, oft mit Migrationshintergrund, sind häufiger krank. Die Kinder und Jugendhilfe, das Gesundheitssystem und die Behindertenhilfe kooperieren hier nicht oder zu wenig und die Verfasser des Berichts fordern, Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen aufzubauen, um dem entgegenzuwirken. Kinder mit Behinderungen werden im Bericht besonders in den Blick genommen und es wird betont, dass ihre Teilhabe verbessert werden muss. Alle gesundheitsfördernden Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe sind an der Inklusionsperspektive auszurichten, die keine Aussonderung von Kindern akzeptiert. Nach Meinung der Autoren eignen sich Kindertageseinrichtungen sehr gut für die Umsetzung präventiver und gesundheitsfördernder Lebensweisen. In der Kita sind die gesundheitsrelevanten Themen für Kinder in den ersten Lebensjahren Bindung und Autonomie und für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren Sprechen, Bewegen, Achtsamkeit bzw. soziales Lernen. Der Bericht stellt fest, dass in Kindertageseinrichtungen bereits gute Konzepte der Gesundheitsförderung existieren. Er fragt jedoch kritisch, ob Gesundheitsförderung auch jenseits spezieller Programme umgesetzt wird. Als weiteren Aspekt nennt der Bericht die meist wenig gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen der Kita-Fachkräfte. Hier müsse die Fachpraxis deutlich nachbessern.
Welche Schlussfolgerungen können Sie als Kita-Leitung ziehen?
Der Bericht gibt Ihnen Anregungen, wie der gesetzliche Auftrag der Gesundheitsförderung in Ihrer Einrichtung gestaltet und weiterentwickelt werden kann. Mit Hilfe des Berichts können Sie begründen, warum Sie als Kita-Leitung den Auftrag Gesundheitsförderung als Management-Aufgabe verstärkt in den Fokus nehmen wollen. Ziel einer umfassenden Gesundheitsförderung im Sinne des 13. Kinder- und Jugendberichts ist die Förderung der Gesundheitsressourcen von Kindern, Eltern und Mitarbeiterinnen. Wie kann das konkret aussehen? Damit Sie die (zu Recht) vom Bericht geforderte Nachhaltigkeit noch besser erreichen, sollen gesundheitsfördernde Maßnahmen jenseits von Projekten in die Alltagsabläufe der Kita integriert werden. Leitungsaufgabe ist hier festzustellen, inwieweit bei Ihnen Gesundheitsförderung schon im Alltag verankert ist und wo Verbesserungen erfolgen können. Die Autoren des Berichts weisen weiter darauf hin, dass Gesundheitsförderung mehr ist als die Stärkung körperlicher Gesundheitsressourcen. Personale (Selbstwert) und soziale (Beziehungen zu anderen Kindern) Ressourcen von Kindern sollen mehr gefördert werden. Die Resilienzforschung bietet hier gute Anhaltspunkte. Weiter wird angeregt, die Eltern verstärkt in den Blick zu nehmen und aktiv in die Arbeit einzubinden. Das ist für Kitas zwar kein neues Thema, aber Ermutigung, die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft, auch mit niedrig schwelligen Angeboten, auszubauen. Konzeptionell bietet sich hierfür besonders der Ansatz „Early Excellence Centres" an. Die Vernetzung der Kita in den Sozialraum, u.a. zu weiteren Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe, zu frühen Hilfen und v. a. zu Einrichtungen des Gesundheitssystems, wird ebenfalls empfohlen. Auch in diesem Bereich können Sie checken, in welchem Umfang Sie schon vernetzt sind und was weitere Schritte wären. Ausdrücklich fordern die Autoren, gesundheitsfördernde Bedingungen für Erzieherinnen herzustellen. Das ist richtig, denn Gesundheitsförderung in der Kita beginnt bei den Mitarbeiterinnen!
Welche Fragen bleiben offen?
Insgesamt liefert Ihnen der Bericht gute Anregungen, um reflektieren zu können, wo Sie bereits umfassende Gesundheitsförderung betreiben und wo Sie das Konzept und damit die Organisation noch entwickeln können. Gleichzeitig sollte man von Kindertageseinrichtungen nicht zu viel verlangen: Es geht derzeit in den Kitas immer noch um die Umsetzung des Bildungsauftrags sowie die Implementierung von Bildungskonzepten und damit zusammenhängenden Beobachtungs- und Dokumentationssystemen. Diese neue Art pädagogischer Arbeit muss sich erst einmal setzen und bewähren. Aktuell geht es um Konsolidierung, nicht um neue Projekte, zumal der gesundheitsfördernde Charakter der Kita-Arbeit unbestritten sein sollte. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen in vielen Einrichtungen immer noch verbesserungswürdig. Vor diesem Hintergrund muss Gesundheitsförderung bei den Fachkräften beginnen. Dafür ist Unterstützung und damit auch Geld gefordert. Sind die Träger dazu bereit? Sehen Fachberatungen diesen Auftrag und Arbeitsschwerpunkt? Übrigens: Laut Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) muss Gesundheitsförderung für Mitarbeiterinnen bereits betrieben werden. Werden in der Breite Kitas strukturell und finanziell in die Lage versetzt, auf individuelle Förderbedarfe von Kindern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen zu reagieren? Werden Ressourcen aus „Sondereinrichtungen" in „Regeleinrichtungen" transferiert? Wie werden Politiker in Kommunen, Ländern und Bund auf die Empfehlungen des Berichts reagieren? Beispielsweise kostet Netzwerkbildung Arbeitszeit und damit Geld. Die Politik ist in der Hauptverantwortung, etwa wenn es um Strategien kommunaler Inklusion und Armutsbekämpfung geht. Aber wichtig für Sie: Wägen Sie ab, wann und wie Sie Gesundheitsförderung in Ihrer Kita weiterentwickeln. Dafür müssen Zeitpunkt und Rahmenbedingungen stimmen, um das lohnenswerte Ziel zu erreichen: eine gesunde Kita für Kinder, Eltern und Mitarbeiterinnen!
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2009): 13. Kinder- und Jugendbericht. Berlin. Download: www.bmfsfj.de
Deutscher Caritasverband e.V. (2009): 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung „Gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe" Zusammenfassung ausgewählter Kapitel und Schwerpunkte. Freiburg.
Zur Vertiefung: Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. (2010): Gesunde Kita für alle! Leitfaden zur Gesundheitsförderung im Setting Kindertagesstätte.