Wie ich mit rechtlichen Fragen umgeheLeiterinnen kommen zu Wort

Nur einmal nicht an das geltende Recht gedacht, einmal falsch entschieden oder die Situation unterschätzt, schon gibt es unter Umständen ein Riesenproblem. Darüber hinaus, sich ständig auf dem Laufenden zu halten, ist unserer Autorin bei Rechtsfragen vor allem ein Grundsatz wichtig.

Jedes Mal, wenn ich eine Angelegenheit erledigt habe, bei der vor allem die Rechtsgrundlagen beachtet werden mussten, denke ich bei mir: Jetzt weißt Du über rechtliche Vorschriften im Kindergartenbereich Bescheid. Doch weit gefehlt! Immer wieder werde ich mit speziellen Fragestellungen konfrontiert, die es im Einzelfall aufs Neue und der Situation entsprechend zu klären gilt.

So kam erst vor Kurzem eine Kollegin ganz aufgeregt in mein Büro, um mir zu berichten, sie habe gerade in einem Elterngespräch mit einer alleinerziehenden Mutter erfahren, dass diese sich zurzeit große Sorgen mache, ja schon nicht mehr richtig schlafen könne und gesundheitliche Probleme habe, da ihr getrennt lebender Mann ihr immer wieder zur Tages- und Nachtzeit vor der Wohnung auflauere. Nun habe sie (aufgrund früherer Erfahrungen berechtigte) Angst, er könnte auch auf die Idee kommen, die gemeinsame Tochter ohne Absprache im Kindergarten abzuholen. Und das wolle sie auf keinen Fall. Die Gruppenleiterin wollte nun von mir wissen, wie sie sich in dieser Situation verhalten könne bzw. müsse. Sie mache sich Sorgen um den Schutz des Kindes und auch wegen der großen Belastung, die die Mutter gerade zum Ausdruck gebracht habe. Außerdem bemerke sie als Mitarbeiterin schon seit einiger Zeit am Verhalten des Kindes, dass es irgendwie beunruhigt sei, schnell weine und dann nach seiner Mama verlange.

Sicher, solch ein Fall kommt nicht jede Woche vor. Doch er verdeutlicht ziemlich genau, wie ich als Leitungskraft plötzlich und ohne jede Vorwarnung in eine Situation geraten kann, die von mir nicht nur eine zügige, sondern auch angemessene und rechtlich abgesicherte Bearbeitung einfordert. Denn hier ging es erstens darum, meiner Verantwortung für das Wohl des Kindes gerecht zu werden, zweitens um unseren Anspruch als Kita, den Eltern beratend zur Seite zu stehen, und drittens um die fachliche Unterstützung der verunsicherten Kollegin.

Als äußerst hilfreich erweist sich anhand solcher und ähnlicher Situationen immer wieder, dass mir mein Träger in regelmäßigen Abständen die Teilnahme an Fortbildungen über relevante Rechtsfragen im Kita-Bereich ermöglicht. Mein Bewusstsein für den rechtlichen Handlungsrahmen ist dadurch im Laufe der Jahre gewachsen und meine Sicherheit größer geworden. Auch das Wissen um die Möglichkeit, mich in komplizierteren Fällen an die von ihm beauftragte Rechtsberatungsstelle zu wenden, ist für mich beruhigend. Darüber hinaus entlastet es mich sehr, dass ich mich in kritischen Situationen mit dem Träger kurzschließen kann, wir gemeinsam die Lage beratschlagen und unsere Reaktion darauf miteinander abstimmen.

Schicke ich die Kollegin, die heute unter Schmerzmitteln zur Arbeit gekommen ist, nach Hause oder nicht? Darf das Kind auch mit seinem Gipsfuß die Einrichtung besuchen? Kann ich die Praktikantin mit zwei Kindern alleine zum Einkaufen lassen? Wer hat die Aufsichtspflicht beim Museumsbesuch mit den Großen, zählen die Begleiteltern mit? Wie halte ich es mit der Veröffentlichung von Kinderfotos? Wie sind Dienstzeugnisse rechtlich korrekt zu formulieren?

Fragen über Fragen und ich möchte behaupten, es vergeht kein Arbeitstag, an dem ich nicht irgendeine Entscheidung unter Abwägung geltender rechtlicher Vorschriften zu treffen habe. Ganz unkompliziert und schnell haben mir dabei schon oft die Ratschläge und Tipps von Leitungskolleginnen weitergeholfen. Ihre Rückmeldungen darüber, wie sie eine vergleichbare Situation gelöst haben und sich als Leitung positionierten, geben mir immer nützliche Denkanstöße und wertvolle, ergänzende Sachinformationen. Selbstverständlich findet alles auf anonymer Basis statt, denn hier gilt es, die Dienstschweigepflicht zu wahren.

Auskünfte und Informationen über neue oder geänderte rechtliche Bestimmungen hole ich mir gern in Rechtsartikeln in Fachzeitschriften, Fachliteratur, Büchern und Handreichungen für Leiterinnen. Meine Arbeitszeit lässt dafür zwar nicht viel Spielraum, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich am Ende auszahlt, diese Zeit zu investieren.

Wenn es in unserer Kita um Sicherheitsbestimmungen im Gebäude oder im Außengelände geht, steht uns eine Hotline zu einem vom Träger beauftragten Sicherheitssachverständigen zur Verfügung. Das hat uns schon manche Diskussion im Team erspart (z.B. über die Anschaffung eines bestimmten Spielgeräts im Außenspielbereich) oder auch Argumente bei Elternwünschen geliefert.

Rechtliche Auseinandersetzungen können auch zwischen Erzieherin/ Leitung und Kindergarteneltern entstehen: Nicht gern denke ich daran zurück, dass einmal Eltern einer Kollegin mit dem Anwalt gedroht hatten, weil sie ihr Kind angeblich im Stuhlkreis vor allen anderen gedemütigt habe. Was soll man da als Leiterin tun? Oder in einem anderen Fall, als eine Leitungskollegin Rede und Antwort vor Gericht stehen musste, weil Eltern wegen einer Aufsichtspflichtverletzung geklagt hatten. (Das Kind war beim Klettern vom Baum gefallen und hatte sich den Arm gebrochen.) Ich denke, hieran zeigt sich, wie wichtig es ist, Absprachen, Rücksprachen, Auskünfte etc. schriftlich zu dokumentieren: Wer hatte die Aufsichtspflicht beim Sturz vom Baum? Waren genug Erzieherinnen draußen? War es der Leitung schon länger bekannt, dass sich die beklagte Kollegin bisweilen pädagogisch nicht korrekt verhält, gibt es dazu Gesprächsprotokolle? Oder gibt es Protokolle zu Trägerbesprechungen, bei denen Sicherheitsmängel weitergegeben und diese trotzdem noch nicht beseitigt wurden? Gerade bei pädagogischen Fragen finde ich den fachlichen Rückhalt, den eine Fachberatungsstelle bietet, sehr entlastend.

Das Eis, auf dem man sich als Leitungskraft bewegt, ist dünn: Nur einmal nicht an das geltende Recht gedacht, einmal falsch entschieden oder die Situation unterschätzt, schon habe ich u.U. ein Riesenproblem. Trotzdem muss ich damit klarkommen und darf nicht vor lauter Angst handlungsunfähig werden. Wichtig finde ich bei allen rechtlichen Angelegenheiten, dass ich im Zweifelsfall nachweisen kann, dass mein Verhalten vom Grundsatz geleitet war, den Schutz des Kindes nach bestem Wissen und Gewissen zu gewährleisten.

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