Noch gibt es in Deutschland keine verbindlichen Qualitätsstandards für die frühkindliche Erziehung, Bildung und Betreuung in Kindertageseinrichtungen. Lediglich im Rahmen der Betriebserlaubnis sind vom Träger rechtliche Vorschriften zu beachten, die sich u.a. auf Gruppengröße, Erzieher-Kind-Schlüssel, das Vorhandensein von Fachkräften, räumliche Bedingungen und Vorschriften des Gesundheitsamtes beziehen. Außer diesen Mindeststandards werden in den Ausführungsgesetzen der Länder differenziertere Aussagen zu den Zielen der pädagogischen Arbeit gemacht. Bedenkt man jedoch, wie heterogen die Trägerlandschaft in Deutschland ist und wie vielfältig die Bildungsstandards in den Bildungs- und Erziehungsplänen der 16 Bundesländer sind, so ist Deutschland im Unterschied zu anderen europäischen Ländern noch weit davon entfernt, die frühpädagogische Betreuungsqualität auf der Grundlage einheitlicher und verbindlicher Qualitätsstandards zu sichern. Bisher gehen wir in Theorie und Praxis lediglich davon aus, dass das Zusammenwirken verschiedener Qualitätskriterien, deren Merkmale als Orientierungs-, Struktur-, Prozess-, Organisations- und Kontextqualität beschrieben werden, positive Auswirkungen auf den kindlichen Bildungs- und Entwicklungsstand hat.
Was hat die Studie untersucht?
Eine Gruppe von Studienpartnern hat sich nun vor zwei Jahren unter Federführung von Prof. Wolfgang Tietze, FU Berlin, zusammengetan, um diesem Mangel an theoretischem Wissen durch eine nationale Untersuchung abzuhelfen. Es handelt sich bei dieser wissenschaftlichen Studie um eine übergreifende Untersuchung zur pädagogischen Qualität in verschiedenen Beutreuungsformen. Gefragt wurde danach, wie Eltern Betreuungsangebote wahrnehmen und welche Wahlmotive für sie bedeutsam sind, wie sich der Betreuungsalltag speziell für Kinder mit Migrationshintergrund darstellt und wie familiäre und außerfamiliäre Betreuungsformen in der kindlichen Betreuungsbiografie zusammenwirken. Schwerpunktmäßig ging es dabei um Voraussetzungen für die jeweilige Betreuungsqualität, also konkret um Aspekte der Struktur-, Orientierungs- und Prozessqualität in den unterschiedlichen Betreuungsformen. Auch wurde erforscht, ob es Zusammenhänge zwischen der Betreuungsqualität und dem Bildungs- und Entwicklungsstand der untersuchten Kinder gibt.
In 32 ausgewählten, repräsentativen Gebietseinheiten von 8 Bundesländern haben die an der Studie beteiligten Forscher/-innen die relativ kurze Bildungsbiografie von insgesamt 2000 zwei- und vierjährigen Mädchen und Jungen genauer untersucht. Auf der Grundlage von Interviews, standardisierten Beobachtungen und Entwicklungsskalen bzw. Tests, die sich vorrangig auf Qualitätsmerkmale der Interaktionsprozesse zwischen Erzieherin und Kind (Prozessqualität) bezogen, wurde mitberücksichtigt, wie die materielle Ausstattung, die pädagogische Orientierung der Fachkräfte und das alltägliche Klima in Krippen, Kitas und Tagesspflegestellen sich im Bildungs- und Entwicklungsstand der Kinder widerspiegelt. Dabei waren anteilmäßig auch Kinder aus türkischen und russischen Zuwanderungsfamilien beteiligt. Ebenso hat sich eine Forschergruppe ausschließlich in den Familien von Zwei- und Vierjährigen umgetan und vor allem die Mütter in ihrem erzieherischen Umgang mit dem Kind beobachtet und diese zu ihrer Einstellung zu einer außerfamiliären Betreuung ihres Kindes befragt.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
- Von den an der Studie beteiligten 2000 Kindern wurden im 3. Lebensjahr 60% außerfamiliär betreut. Die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes ist nicht allein davon abhängig, ob ein Betreuungsplatz verfügbar ist, und auch nicht allein auf die Erwerbstätigkeit der Mutter zurückzuführen. Faktoren wie Bildungsgrad der Mutter, eine weniger traditionelle Rollenvorstellung und ihre Einstellung zur Kita als Ort, der der kindlichen Entwicklung förderlich ist, sind mitentscheidend, ob ein Betreuungsplatz genutzt wird. Belegt wird jedoch, dass es bei der Nutzung außerfamiliärer Betreuungseinrichtungen bezogen auf den Bildungsgrad der Mütter keine Unterschiede zwischen deutschen und türkischen Familien gibt.
- Auf die zentrale Frage der Untersuchung, wie sich die pädagogische Qualität in den unterschiedlichen außerfamiliären Betreuungsformen - Krippe, Kita, Tagespflege - darstellt, kommt die Studie zu folgendem Ergebnis: Bezogen auf die pädagogische Prozessqualität erreichen 80% der außerfamiliären Betreuungsangebote einen durchschnittlichen Wert. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen - Merkmale der Struktur- und Orientierungsqualität - unterscheiden sich die verschiedenen Betreuungsformen z.T. erheblich voneinander. Berücksichtigt man diese sogenannte Varianzbreite bei der Ermittlung des Wertes für die Prozessqualität, so zeigt sich, wie sehr diese von den jeweiligen Rahmenbedingungen abhängig ist.
- Kinder mit Migrationshintergrund kommen im Vergleich zu deutschen Zwei- bzw. Vierjährigen später in eine Einrichtung. Und sie erfahren in Gruppen mit einem hohen Anteil an Kindern aus Zuwanderungsfamilien nur eine pädagogisch unterdurchschnittliche Qualität an Ansprache und Förderung durch die Erzieherinnen, was aufgrund des Erzieher-Kind-Schlüssels nicht verwunderlich ist.