Die morgendliche Bringsituation verbunden mit dem Abschiednehmen vom Kind ist nicht so leicht zu bewältigen. Deshalb sollte diese Anfrage der Eltern von Ihnen als Leitung zeitnah aufgegriffen, besprochen und geklärt werden. Eltern möchten erleben, dass ihr Kind morgens liebevoll von der Bezugserzieherin in Empfang genommen und begrüßt wird. Sie bekommen dann auch mit, dass ihr Kind gern in seine Gruppe geht, dass es kurz darauf evtl. mit dem Spiel beginnt, mit anderen Kindern in Kontakt kommt oder zunächst eine intensive Zeit mit der Bezugserzieherin wählt. So können die Eltern beruhigt weggehen in der Gewissheit, dass der morgendliche Übergang gelungen ist und es ihrem Kind gut geht.
Was bedeuten Übergänge (Transitionen) für Kind, Eltern und Fachkräfte?
In der frühen Kindheit gibt es viele Übergänge. Einer der wichtigsten ist im Leben eines jüngeren Kindes, in die Kita zu kommen. Transition (von lateinisch „trans-ire“ - hinübergehen) bedeutet, dass ein Kind von einem Bezugssystem in ein anderes wechselt, wobei dieses System nicht das vorherige ersetzt, sondern um ein weiteres ergänzt.
Übergänge erfordern von allen Beteiligten auf emotionaler und auf sozialer Ebene individuelle Handlungs- und Bewältigungsstrategien. Dazu bedarf es einer intensiven pädagogischen Begleitung des Kindes wie auch seiner Eltern. Diese wird als ko-konstruktiver Prozess verstanden. Sich im Team gemeinsam mit dem Thema Transitionen zu beschäftigen, ist die Voraussetzung, um sanfte Übergänge in dieses neue Bezugssystem zu schaffen. Wenn das gelingt, kann die neue Situation für alle Beteiligten eine Bereicherung bedeuten.
Auch das morgendliche Bringen ist ein kleiner Übergang für das Kind: Es geht von zu Hause in die Kita, vom Arm oder der Hand des Elternteils zur Bezugserzieherin. Dieser Übergang sollte einfühlsam begleitet sein, um ihn allen Beteiligten zu erleichtern.
Bezugserzieherin und Eingewöhnung als Grundlage.
Als Leitung wissen Sie natürlich um die Bedeutung der Bindungspersonen für Kinder ebenso wie um die Bedeutung der Eingewöhnung. Die Gestaltung dieser wichtigen Phase haben Sie wahrscheinlich schon gemeinsam mit Ihren Mitarbeiterinnen für die Konzeption erarbeitet und setzen dies im Alltag um. Kann ein Kind während einer sorgsam begleiteten Eingewöhnung eine Bindung zu einer Bezugserzieherin aufbauen, wird es ausgehend von diesem „sicheren Hafen“ als verlässlicher Basis aktiv, neugierig und forschend sein neues Umfeld erkunden. Dabei lernt es die Kita, die anderen Kinder und anderen Erzieherinnen kennen. Eltern können diesen Prozess während der Eingewöhnung miterleben und sind aktiv daran beteiligt.
Doch was passiert im Empfinden der Eltern, wenn sie mitbekommen, dass die Bezugserzieherin, die für ihr Kind so wichtig geworden ist, nicht jeden Tag zur Verfügung steht? Das Vertrauen, das sich während der Eingewöhnung entwickelt hat, wird gestört. Die Eltern machen sich Sorgen, dass ihr Kind sich nicht wohlfühlen könnte und die Fachkräfte seine Bedürfnisse nicht sehen könnten. Hierauf können Eltern mit Gefühlen wie Enttäuschung, Misstrauen und Angst reagieren. Sich dies vor Augen zu führen und einen Perspektivwechsel zu vollziehen, ist deshalb ganz wichtig.
Wie kann das Team das Kind und die Eltern unterstützen?
Die Anliegen der Eltern wahrzunehmen und darauf zu reagieren, ist selbstverständlich nicht nur Aufgabe der Leitung. Mitunter bekommen einzelne Mitarbeiterinnen schon den Unmut der Eltern unmittelbar zu spüren, bevor die Leitung in die Situation einbezogen wird. Im Sinne der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist es generell sinnvoll, mit dem Team solche Gesprächssituationen durchzugehen, um angemessen auf Beschwerden der Eltern reagieren zu können.
Haben sich Eltern dann tatsächlich beschwert, sollte zuerst das Team von der Leitung informiert werden. Kurzfristig können Möglichkeiten besprochen werden, wie man den Eltern noch am selben Tag begegnen oder das Kind am nächsten Morgen in Empfang nehmen kann. Zu einer Beruhigung der Eltern kann es führen, wenn ihnen veranschaulicht wird, dass das Kind zu allen Erzieherinnen eine Beziehung hat, und wenn sie mit Informationen darüber, was unmittelbar nach der Bringsituation geschieht, daran beteiligt werden.
Im Alltag der Einrichtung ist es wichtig, dass alle Erzieherinnen die Möglichkeit zur intensiven Beziehungsgestaltung mit dem Kind (und auch anderen Kindern) haben. Hierbei spielen die richtigen Rahmenbedingungen eine große Rolle. Jede Erzieherin sollte - unabhängig davon, ob sie die Bezugserzieherin ist oder nicht - in der Lage sein, jedes Kind am Morgen liebevoll und herzlich entgegenzunehmen.
Was kann die Leitung den Eltern antworten?
Als Leitung stehen Sie möglicherweise vor der Situation, dass in Ihrer Einrichtung viele Teilzeitkräfte beschäftigt sind oder dass es aus organisatorischen Gründen nicht möglich ist, den Dienstplan so zu gestalten, dass die jeweilige Bezugserzieherin immer in der Bringsituation für das Kind da ist. Auch müssen sich Mitarbeiterinnen ggf. untereinander aushelfen oder sind im Urlaub oder auf Fortbildungen. Als Leitung sollen Sie einerseits die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen berücksichtigen, andererseits aber auch auf die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder eingehen. Dass dieser Spagat nicht immer zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelingen kann, ist offensichtlich.
Um die Situation des Kindes genauer in den Blick zu nehmen, wäre zu beobachten, wie es ihm in der Bringsituation geht: Weigert es sich, in die Gruppe zu kommen? Braucht es länger als sonst, wenn eine andere Erzieherin da ist? Was tut es unmittelbar nach der Trennung von den Eltern? Wie verläuft das Abschiednehmen? Schon der Austausch mit den Eltern über das Verhalten und mögliche Empfindungen des Kindes, könnte zu einer Erleichterung führen. Wie könnte man darüber hinaus mit den Eltern zusammenarbeiten, um dem Kind den Übergang zu erleichtern und es der Mutter bzw. dem Vater zu ermöglichen, beruhigt zu gehen? Hierzu könnten gemeinsam konkrete Vorschläge erarbeitet werden: Könnten die Eltern das Kind vielleicht auch etwas später bringen? Oder könnten Sie den Eltern eine Hospitation anbieten, in der sie ihr Kind beim Beziehungsaufbau zu den anderen Erzieherinnen der Gruppe erleben? Könnte man ein morgendliches Ritual entwickeln, mit dem man dem Kind und den Eltern den Übergang erleichtert und das von allen Erzieherinnen praktiziert werden kann?
Ein gewisses Maß an Verständnis der Eltern können Sie auch dadurch erlangen, dass Sie sie über organisatorische Hintergründe informieren wie z.B. die personelle Situation oder darüber, dass die u.U. langen Öffnungszeiten der Kita durchgängig vom Personal abgedeckt sein müssen. Das Anliegen der Eltern darf dabei jedoch nicht in den Hintergrund treten. Sollte es Ihnen als Leitung möglich sein, bei der personellen Besetzung morgens tatsächlich eine Veränderung vorzunehmen und die Frage der Eltern zur Reflexion für die konzeptionelle Arbeit zu nutzen, wäre dies eine ideale Option, der Situation zu begegnen. Prüfen Sie mit Ihrem Team, ob der Dienstplan nicht auch so gestaltet werden könnte, dass die Bezugserzieherinnen morgens da sind, wenn die entsprechenden Kinder kommen. Denkbar wäre auch, dass jedes Kind zwei Bezugserzieherinnen hat, von denen immer mindestens eine anwesend wäre.
Höchste Priorität sollte auf jeden Fall die Sorge dafür haben, dass die Eingewöhnungsphase jedes Kindes im Hinblick auf die Bezugserzieherin sichergestellt ist. Notfalls sollte sie Fortbildungen und Urlaub anders terminieren.