Biografiearbeit – sich professionell mit der eigenen Lebensgeschichte auseinandersetzen

ich erinnere mich noch gut an das Gespräch mit einer Erzieherin, die, als es in ihrer Einrichtung darum ging, eine U3-Gruppe zu konzipieren, immer wieder Bedenken äußerte, so junge Kinder in Fremdbetreuung zu geben. Sie erzählte mir, dass die Leiterin in einer Kleinteamrunde ihre Skepsis zum Anlass genommen hatte, um auf ihre Biografie zu schauen, Fragen zu stellen und vor allem ihre eigenen Erfahrungen zu thematisieren. Mit Blick auf ihre Kindheit und Familienkonstellation wurde ihr dadurch bewusst, dass alle Frauen in ihrer Familie nicht berufstätig waren und sich zu Hause um die Kinder kümmerten. Weder sie selbst noch ihre Geschwister hatten einen Kindergarten besucht, nicht einmal im letzten Jahr vor der Einschulung. In der Familie herrschte die Überzeugung, dass Kinder in den ersten Lebensjahren am besten zu Hause aufgehoben seien, Fremdbetreuung kam nicht infrage.

Alle pädagogischen Fachkräfte bringen aus ihrer Biografie Lebenserfahrungen in die Arbeit mit Kindern und Eltern ein. Sie arbeiten mit geprägten Erziehungs- und Bildungsvorstellungen. Neben Familienerfahrungen sind das auch Erlebnisse aus der Schule, mit Religion, Freunden oder Medien. Anders als in anderen Berufen ist es Fachkräften nicht möglich, ihre Persönlichkeit von ihrem professionellen Handeln zu trennen. Ihre Lebensgeschichte beeinflusst die tägliche Arbeit enorm. Daher ist es bedeutsam, die aus der eigenen Biografie gewonnenen, erzieherischen Überzeugungen und Deutungen zu reflektieren. Am oben beschriebenen Beispiel wird erkennbar, wie das Nachdenken der Erzieherin über die Haltung ihrer Mutter zu Fremdbetreuung beispielsweise dazu führen kann, familiäre Prägungen und Einflüsse ins Bewusstsein zu holen und das eigene Denken und Handeln entsprechend zu verändern.

Insofern verhilft Biografiearbeit sowohl Leiter/-innen als auch einzelnen Mitarbeiter/-innen und dem Team zu einer professionellen Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte und unterstützt die persönliche und fachliche Weiterentwicklung. Was unter Biografie zu verstehen ist und wie Sie als Leiterin die Teamentwicklung mithilfe von Biografiearbeit voranbringen können, lesen Sie im Beitrag „Sich selbst besser verstehen  lernen“ ab Seite 16.

Mit herzlichen Grüßen aus der

 Redaktion

Silke Dittmar Chefredakteurin

P.S. Dass Familienzentren keine Selbstläufer sind, darüber und über Herausforderungen berichten im FACHFORUM Leiter/-innen von

 Familienzentren. Was sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie uns an: redaktion@kindergarten-heute.de

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