"Die Jungs spielen oft 'kämpfen und töten'. Wie soll ich darauf reagieren?"Mitarbeiterin fragt - Kita-Leitung antwortet

Tim und Frederik haben wieder ihre Laserschwerter mitgebracht und gehen während des Freispiels zielstrebig in den Turnraum, um dort zu „kämpfen“. Sie schmettern ihre Schwerter gegeneinander, stechen in Richtung des Gegenübers und gehen dabei augenscheinlich recht unsanft miteinander um. Nach einer Weile ruft Tim: „Ich bin Anakin Skywalker und du bist Darth Vader. Ich besieg’ dich und dann bist du tot“. Erzieherin Heike beobachtet dieses Verhalten zum wiederholten Mal und wendet sich an Sie mit der Frage, ob diese Art von Spiel Anlass zur Sorge geben muss.

Die Jungs spielen oft kämpfen und töten
© Vesna Cvorovic - fotolia

Es bietet sich an, das Thema „Spiel mit Waffen“ zum einen auf der individuellen Ebene mit der betreffenden Fachkraft zu bearbeiten, um Handlungsmöglichkeiten in der konkreten Situation zu überlegen; zum anderen aber auch allgemein auf Teamebene, wo Sie sich generell auf einen Umgang mit dem Thema verständigen können. Als Expertin wissen Sie, dass Kindergartenkinder in ihrem freien Spiel Erlebtes verarbeiten, eine Bandbreite von Gefühlen stellvertretend ausleben, Hierarchien und Machtgefüge testen („Wer ist der ‚Bestimmer‘?“), sich innerhalb der Kindergruppe verorten und eigene sowie fremde Grenzen testen. Schnell werden Sie in der Teamdiskussion feststellen, dass Sie auch das Thema „geschlechtersensible Pädagogik“ nicht außen vor lassen können. Wenn Sie Kinder in ihrem Spiel beobachten, so sind die Jungs oft bewegungsfreudig und raumgreifend anzutreffen in aktiven Spielen, die bisweilen auch Kampf und Kräftemessen beinhalten. Die meisten Jungen nutzen gern Monster, Action-Figuren oder jegliche Form von Waffen oder Gegenständen, die eine Waffe symbolisieren können. Diese Spielutensilien dienen u.a. als Intermediärobjekt. Das heißt, mit ihnen können Jungen Gefühle oder Dinge ausdrücken, über die sie noch nicht sprechen können oder wollen. Vor allem Gefühle wie Angst und Ohnmacht können so im Spiel bewältigt werden (vgl. Rohrmann 1999)1.

Wie die Kinder das Spiel sehen

Machen Sie sich mit Ihrem Team nochmals Folgendes klar: Wenn die Jungs (und durchaus auch Mädchen) im Rollenspiel mit (Laser-)Schwertern, Gewehren, Pistolen, Säbeln oder sonstigen Kampfobjekten spielen, verleihen ihnen diese Utensilien Macht und Stärke. Mit ihrer Hilfe versetzen sich die Kinder in die Lage, sich gegen jeden Feind und stärkeren Gegner zu verteidigen. Gefühle von Unzulänglichkeit, Angst und Schwäche sind aufgehoben. Gerade für Kinder, die sich hilflos fühlen, ist das attraktiv, denn sie können im Spiel fiktiv Kontrolle ausüben und sich die Welt gefügig machen. Auch können sie auf diese Art die eigenen Rechte verteidigen oder moralisch hochstehende Werte aufrechterhalten (vgl. Ubbelohde 2003). Grundsätzlich ist es für Fachkräfte wichtig zu wissen, dass Kinder in der Regel sehr genau zwischen Spiel und Realität unterscheiden können. Das Spiel mit Waffen wird auch als normale Phase in der Entwicklung angesehen, die spätestens in der Grundschule von anderen Spielinteressen abgelöst wird (vgl. ebd.).

Wie kann man in der konkreten Situation reagieren?

Wenn es um konkrete Handlungsmöglichkeiten für Ihre Mitarbeiterin geht, so ermutigen Sie sie, zunächst abzuwarten, genau hinzusehen und sich – erst einmal im Stillen – nach den Signalen zu fragen, die die beiden Jungen aussenden. Drei Möglichkeiten gibt es:

  1. Die Jungs lachen bei ihrem Spiel, haben Spaß und sind laut. Ihre Gesichter drücken Freude aus, ihre Körperhaltung die Bereitschaft, ihre Bewegungen sind einander zugewandt. Dann handelt es sich wahrscheinlich um ein typisches „raues Tummelspiel“, ein „Kriegsspiel“, eine Toberei, auch dann, wenn es auf den ersten Blick nach echtem Kampf aussieht.
  2. Die Gesichter der kämpfenden Jungen sind angespannt, wütend, ärgerlich und aufeinander fixiert. Ihre Körperhaltung signalisiert Bereitschaft, sich dem Kampf zu stellen, ihre Bewegungen gehen immer wieder aufeinander zu. Dieses Verhalten deutet vermutlich auf aggressiven Streit hin, der körperlich ausgetragen wird. Entscheidend ist an dieser Stelle jedoch: Beide wollen es.
  3. Das Gesicht eines Kampfpartners ist wie in 2) angespannt, wütend, kämpferisch, verbissen, das des anderen drückt dagegen eher Angst aus, seine Körperhaltung Abwehr und seine Bewegungen lassen eher Flucht erkennen. Wenn in solch einer Situation der wütende Junge weiter auf sein Gegenüber einsticht oder -schlägt, ist Gewalt im Spiel und die Fachkraft sollte reagieren.

Grundsätzlich sollte gelten: Beim „rauen Tummelspiel“, zu dem auch einfaches Raufen zählt, aber ohne Hilfsmittel, die als Waffe verwendet werden, sollte die Fachkraft nur eingreifen, wenn sie die Situation entweder selbst nicht mehr erträgt oder Verletzungen befürchtet. Bei echter Gewalt hingegen gilt: immer und zuverlässig eingreifen, niemals jedoch mit Vorwürfen oder Moralisierungen (vgl. Dörfler/Klein 2003)! Fragen Sie Ihre Mitarbeiterin, was sie befürchtet, welche Bedenken und Sorgen sie hat, wo ihre Grenze des „Aushaltens“ liegt. Auch können Sie darüber ins Gespräch kommen, welche Chancen für die Jungen bestehen, wenn man sie ihre Kämpfe spielen lässt, ohne einzugreifen, und wie man sie im Falle eines tatsächlichen Konflikts unterstützend begleiten kann.

Wie kann man Jungs im Kita-Alltag unterstützen?

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie mit Ihrem Team allgemein das Thema „Jungen“ einmal beleuchten sollten, regen Sie doch Folgendes an: Jungen im Alltag genauer beobachten: Welche Gefühle zeigen sie? Wie prägen aktuelle Spielthemen (z.B. Star Wars) ihre Lebenswelt? Werden Tobe-, Kampf- und Rangelspiele zugelassen? Welche Konfliktkultur herrscht unter den Kindern? Diese ist für Mädchen natürlich genauso wichtig. Überprüfen Sie ggf. die Raumgestaltung und das Materialangebot. Dürfen die Kinder mit Action- und Science-Fiction- Figuren spielen und mit Laserschwertern kämpfen? Wie ist der Rollenspielbereich ausgestattet? Aber auch über folgenden Aspekt lohnt es sich nachzudenken: Wie lassen sich Möglichkeiten schaffen, mit den Jungen über ihre Gefühle zu sprechen, z.B. über Angst oder Mut? Gibt es Männer, die davon erzählen könnten? Gerade Jungs kommen eher mit Männern über diese Themen ins Gespräch. Wichtig ist es, auch Raum für typische „Jungenaktivitäten“ zu schaffen: Wettkämpfe mit Siegern und Verlierern, Abenteueraktionen, Gartenarbeit und Bauen mit richtigen Geräten. Hier bietet sich Ihnen als Leitung die Möglichkeit, Ihre Teammitglieder je nach persönlichen Kompetenzen aktiv werden zu lassen.

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