Die Neuen kommenGeheime Gedanken einer Kita-Leitung

Geheime Gedanken einer Kita-Leitung: Die Zaubertür
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Nach der Verabschiedung ist vor der Begrüßung. Deshalb packt uns vor den Ferien immer ein bisschen Wehmut, wenn wir „unsere“ Kinder, die wir einige Jahre begleitet haben, verabschieden. Gleichzeitig drängt sich der Gedanke auf: Nach den Ferien kommen die neuen Kinder, die neuen Eltern. Alle müssen sich aneinander gewöhnen und es wird – wie in jedem Kita-Jahr – neue Herausforderungen zu meistern geben.

Ich erinnere mich noch gut an das Jahr, in dem wir die ersten U3-Kinder aufgenommen haben. Ehrlich gesagt hatten wir schon ein wenig Ehrfurcht vor der Eingewöhnung der 2-Jährigen. Zuerst kam Robert. Er hatte ältere Geschwister, die bereits bei uns waren, und fühlte sich von Anfang an wohl. Wir waren erleichtert. So schlimm schien es also nicht zu werden. Dann kam Marie.

Bei der Anmeldung erzählten mir ihre Eltern noch, wie dankbar sie seien, dass Marie schon mit 2 Jahren in die Kita kommen könne. Bei den Schnuppertagen fiel mir dann auf, dass Marie viel selbstständiger war, als die Mutter ihr zugestehen wollte. Wir waren uns daher sicher, dass Marie sich in kürzester Zeit eingewöhnen würde. Bei der Mutter allerdings hatten wir Zweifel …

Am ersten Tag kam Marie mit ihrer Mutter und setzte sich im Flur auf die Bank. Die Mutter zog ihr Hausschuhe an und marschierte wie selbstverständlich, Marie fest an der Hand, mit in die Gruppe. Sie packte eine Thermoskanne aus, schenkte sich Tee ein und setzte sich mit Marie an einen freien Tisch. Die Kolleginnen waren leicht irritiert, sagten aber erst mal nichts. Wir arbeiten nach dem Berliner Modell und hatten den Eltern gesagt, dass sie zunächst dabei bleiben sollten. Als Marie frühstücken wollte, holte ihre Mutter die Kindergartentasche aus der Garderobe, band der Tochter ein Lätzchen um, öffnete die Brotdose und setzte sich neben sie.

Mit Argusaugen wachte sie über jeden Schritt, den ihr Kind tat. Bis ich ihr nach einer Woche verkündete, dass Marie nun allein im Kindergarten bleiben könne, für ein bis zwei Stunden. Das fassungslose Gesicht werde ich so schnell nicht vergessen! Am nächsten Morgen – Marie war längst in der Leseecke angekommen, in der eine Kollegin vorlas – verspürte ich bei ihrer Mutter eine unterschwellige, später sprunghaft zunehmende Nervosität. Sie nestelte an Maries Kleid, brachte ihr ein Taschentuch für die Nase, holte noch schnell eine Bürste, um Marie eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu kämmen. Immer wieder fiel ihr etwas Neues ein, um noch einmal in die Gruppe zurückkehren zu können. Zuerst wartete ich geduldig und mit freundlichem Lächeln ab. Nach geraumer Zeit erklärte ich je doch mit Nachdruck, dass sie nun wirklich gehen müsse, da wir mit der pädagogischen Arbeit beginnen wollten. Widerwillig verließ Maries Mutter den Raum, nicht jedoch das Gelände. Als ich nach draußen schaute, sah ich, wie sie sich durch das Gestrüpp neben der Hauswand vorarbeitete, offensichtlich mit dem Ziel, durch die Fenster in den Gruppenraum zu spähen. Kurz darauf klingelte das Telefon. Unwillkürlich wanderte mein Blick nach draußen. Im Dickicht kauerte Maries Mutter, das Handy am Ohr. Als ich mich am Telefon meldete, erkundigte sie sich scheinbar lässig nach dem Befinden ihrer Tochter. Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen, als ich ihr schilderte, was sie mit eigenen Augen sehen konnte: Marie ging es gut!

Ja, Helikoptermamas sind eine besondere Spezies. Aber ist es nicht so, dass wir jedes Jahr immer aufs Neue Bekanntschaft machen mit verschrobenen oder angepassten, lustigen oder ernsten, zurückhaltenden oder temperamentvollen, kapriziösen oder unkomplizierten Menschen? Das ist es, was den Kindergartenalltag spannend und interessant macht. Tschakka, die Neuen kommen! Und damit meine ich nicht die Kinder, sondern die Eltern. Mal sehen, wen ich dieses Jahr kennenlernen darf.

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