Einmal Konzeption – immer (dieselbe) Konzeption?
Nein, denn die Pädagogik entwickelt sich genauso weiter wie andere Berufssparten. Die Gesellschaft verändert sich, Forschungen in der Frühpädagogik und Entwicklungspsychologie liefern neue Erkenntnisse. Kindertageseinrichtungen haben die Aufgabe, die neuen Entwicklungen und Erkenntnisse in die pädagogische Arbeit aufzunehmen und bestmöglich danach zu handeln.
In der Konzeption steht, was die pädagogischen Fachkräfte tun sollen und warum. Der lateinische Begriff „concipere“ bedeutet zusammenfassen oder zusammennehmen. Die Konzeption ist eine Zusammenfassung der pädagogischen Ziele und der daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen. Sie ist verbindlich und, wie Armin Krenz definiert, „eine schriftliche Ausführung aller inhaltlichen Schwerpunkte, die in dem betreffenden Kindergarten/ einer Kindertagesstätte für die Kinder, die Eltern, die Mitarbeiterinnen selbst, den Träger und die Öffentlichkeit bedeutsam sind. Dabei spiegelt die Konzeption die Realität wider und verzichtet auf bloße Absichtserklärungen. Jede Konzeption ist damit individuell und trifft in ihrer Besonderheit nur für diese spezifische Einrichtung zu, um das besondere Profil zu verdeutlichen und unverwechselbar mit anderen Institutionen zu sein. Ihre Aussagen sind für alle Mitarbeiterinnen verbindlich“ (Krenz 1996, S. 13f.). Ludger Pesch hingegen sieht die Konzeption eher als Prozess. In der Konzeption seien ideelle Grundlagen für das Handeln in der Einrichtung abgebildet, sie diene zur Überprüfbarkeit und Weiterentwicklung (vgl. Pesch 1996b, S.174).
Die Konzeption: Ist- und Soll-Darstellung
Die Konzeption darf und muss Weiterentwicklung aufzeigen. Dies verdeutlicht auch das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG). Der Gesetzgeber hat die Notwendigkeit einer schriftlichen Konzeption in §45 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII verankert. Die Konzeption ist Qualitätsgrundlage für die pädagogischen Fachkräfte; sie entsteht in einem gemeinsamen Prozess und soll immer weiterentwickelt und überprüft werden. Somit ist sie verbindliche Basis für das Handeln jeder Fachkraft. Es besteht auch die Möglichkeit, eine Rahmenkonzeption für alle Einrichtungen eines Trägers zu verfassen, um damit gemeinsam die Qualität aller Einrichtungen weiterzuentwickeln; spezifische und einrichtungsbezogene Ziele können sich dann in den Hauskonzeptionen wiederfinden.
Die Leitung achtet darauf, dass die Konzeption regelmäßig daraufhin überprüft wird, ob aktuelle Themen bzw. Forderungen wie z. B. Inklusion oder Beschwerdemanagement enthalten sind, ob die beschriebenen Handlungsansätze altersgemäß sind und ob der Bildungsplan des Bundeslandes berücksichtigt wurde. Was heißt „regelmäßige Prüfung“? Die Prüfung muss erfolgen, wenn sich die Rahmenbedingungen (z. B. Räume, Öffnungszeiten oder Betreuungsformen) ändern oder eine neue Leitung vor Ort ist. Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Inhalte der aktuellen Entwicklung entsprechen und die Aussagen qualitativ hochwertig sind. Eine Weiterentwicklung zeigt sich gerade etwa durch das Inkrafttreten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes.
„Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln. Dazu gehören die Entwicklung und der Einsatz einer pädagogischen Konzeption als Grundlage für die Erfüllung des Förderungsauftrags sowie der Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen“ (§ 22a Abs. 1 SGB VIII).
Ein weiteres Kriterium für die Überprüfung stellen sogenannte kritische Vorkommnisse im Alltag dar. Gibt es zu viele Vorfälle, bei denen Kinder, Eltern oder pädagogische Fachkräfte in Stress geraten, oder liegen viele Beschwerden der Kinder und Eltern vor, müssen die pädagogische Arbeit reflektiert und Verbesserungsmaßnahmen getroffen werden. Klassisches Beispiel dafür sind die kleinen Übergänge im Alltag. Diese sind für Kinder häufig anstrengend, sodass sie herausforderndes Verhalten zeigen und die Fachkräfte schneller gestresst sind. Der Übergang vom Spiel zum Händewaschen zum Mittagessen ist z. B. oft eine mühsame Zeit. Die Kinder haben lange Wartezeiten, es wird laut und alle Kinder gehen zur gleichen Zeit Händewaschen oder müssen warten, bis sie von einem ins andere Zimmer gehen können. Anhand dieses „kritischen Vorkommnisses“ ist nun zu beleuchten, ob dieser Übergang gut gestaltet ist und wie das aktuelle Wissen über Transitionsforschung miteinbezogen wurde. Die Ergebnisse und Erkenntnisse werden zusammengefasst und in die Konzeption aufgenommen. In den Normen für Qualitätsmanagementsysteme DIN EN ISO 9000 ff. gibt es die Anweisung, alle zwei Jahre zu Kontrollzwecken ein sogenanntes externes Audit abzuhalten (nur wenn die Kita zertifiziert ist). Parallel dazu wäre es sinnvoll, alle zwei bis drei Jahre die Konzeption auf ihre Gültigkeit und Wirksamkeit hin zu reflektieren.
Themen und Inhalte der Weiterentwicklung
Um sich einen Überblick über die notwendigen Inhalte zu verschaffen, sind die gesetzlichen Grundlagen auf Bundes- und Landesebene sowie auf Trägerebene, Leitbild, Rahmenkonzeption und QM-Handbuch (falls vorhanden) hinzuzuziehen. Es ist davon auszugehen, dass sich Aussagen zum Bild vom Kind, zum pädagogischen Handlungskonzept, zur professionellen Haltung der pädagogischen Fachkraft, zu Erziehungszielen, Beobachtung und Dokumentation, Eingewöhnung, Tagesablauf, Umsetzung des Bildungsplans, Zusammenarbeit mit Eltern und im Team, mit Kooperationspartnern sowie zur Öffentlichkeitsarbeit bereits in Ihrer Konzeption finden. Hinzu kommen im Prozess der Weiterentwicklung folgende (stichwortartig formulierten) Inhalte:
- Anwendung geeigneter Verfahren zur Beschwerdemöglichkeit für Kinder und Eltern: Dazu ist es notwendig, die Idee von Partizipation nachzuvollziehen und als Teilhabe aller je nach individuellem Entwicklungsstand wahrzunehmen. Das Recht des Kindes aus Artikel 12 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention auf angemessene, dem Alter und der Reife entsprechende Berücksichtigung seiner Meinung in allen es betreffenden Angelegenheiten findet sich im pädagogischen Alltag und somit in der Konzeption wieder.
- Besondere Bedeutung hat §8a SGB VIII zur Kindeswohlgefährdung: In der Konzeption wird klar geregelt, wie das Verfahren zum Umgang mit Kindeswohlgefährdung umzusetzen und von den Fachkräften anzuwenden ist.
- Alltagsintegrierte sprachliche Bildung, um die gesellschaftliche und sprachliche Integration in der Kita positiv zu unterstützen (§45 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Sprache wird als Kulturgut definiert.
- Inklusion: Sowohl Artikel 7 der UN-Behindertenrechtskonvention als auch §22a Abs. 4 SGB VIII bilden die Rechtsgrundlagen für gelebte Vielfalt und Inklusion von Kindern. „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (Artikel 3 Abs. 3 GG). Inklusion ist als Entwicklungsaufgabe für die Einrichtung zu sehen.
- Darstellung der Methoden von Qualitätsentwicklung und -sicherung: Welche Maßnahmen werden in der Einrichtung getroffen? Hier ist der Träger in die Pflicht zu nehmen, Zeiträume zur Verfügung zu stellen, in denen solche Maßnahmen entwickelt werden können. Die klassische Methode der „kritischen Vorkommnisse“ kommt aus der Qualitätsentwicklung. Außerdem werden häufig Checklisten, Befragungen und/oder Interviews eingesetzt. Durch die Entwicklung von Rahmenkonzeptionen der Einrichtungen eines Trägers entstehen zu aktuellen Themen aus dem pädagogischen Alltag Qualitätszirkel, die die Brücke zwischen niedergeschriebener Theorie und Praxis herstellen.
- Förderung der Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen (§9 Abs. 3 SGB VIII): Hier geht es darum, die Geschlechtszugehörigkeit der Kinder in die Gestaltung von Bildungsprozessen einzubeziehen und zu überprüfen, was die Einrichtung über Gender weiß bzw. wie sich dieses Wissen in Alltag, Räumen und Materialien erkennen lässt.
Was bringt die stetige Konzeptionsweiterentwicklung?
Ganz klar: Sie erfüllt die formalen Anforderungen und bewirkt eine deutliche Weiterentwicklung in der Profilierung der Kita. Sie dient zur Standortbestimmung und Reflexion der pädagogischen Arbeit und verhindert Willkür oder lapidare Begründungen wie „Das macht den Kindern Spaß“. Darüber hinaus unterstützt sie die Fachkräfte in der Darstellung ihrer Arbeit sowohl gegenüber Eltern als auch gegenüber der Grundschule, die die Kitas teilweise mit völlig anderen Erwartungen überfallen. Ebenso dient sie dazu, das professionelle Selbstverständnis der Fachkräfte zu erhöhen und damit auch deren Kompetenzniveau. Durch die weiterentwickelte und damit stets aktuelle Konzeption kann der Auftrag der Kindertageseinrichtungen deutlicher gemacht und damit das Ansehen früher Bildung und der Arbeit pädagogischer Fachkräfte in der Gesellschaft erhöht werden. Sie könnte sogar dazu dienen, gute Fachkräfte zu binden und neue zu rekrutieren, da die pädagogische Arbeit in der Konzeption anschaulich und transparent dargestellt ist. Nicht zuletzt kann die gemeinsame Weiterentwicklung auch einfach Spaß machen und das Team enger zusammenschweißen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Konzeption
- ist Grundlage der pädagogischen Arbeit,
- dient zur Qualitätsentwicklung und -sicherung,
- zeigt das Profil der Einrichtung und schafft Identität für alle Beteiligten,
- sorgt für Transparenz gegenüber Eltern und Öffentlichkeit und
- gibt Sicherheit und Orientierung für neue Mitarbeiter/-innen.
Folgende Inhalte gehören in die Konzeption, die Reihenfolge kann individuell gestaltet werden. Hier ein Beispiel:
- Vorwort
- Rahmenbedingungen (Träger, Lage, Öffnungszeiten, Betreuungsformen, Personalschlüssel, gesetzliche Grundlagen …)
- Pädagogische Grundlagen (pädagogisches Handlungskonzept, Bild vom Kind, professionelle Haltung der Fachkraft, Bildungs- und Erziehungsbegriff im Sinne der Elementarpädagogik, Erziehungsziele, Eingewöhnung, Beobachtung als Grundhaltung, Inklusion, Partizipation …)
- Qualitätsentwicklung und -sicherung
- Umsetzung/Methodik (Portfolioarbeit, Freispiel, Angebote, Projekte, Tagesablauf, Räume …)
- Zusammenarbeit im Team (Ziele, Umsetzungen und Formen, Qualifikationen)
- Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern (Ziele, Umsetzungen, Beschwerdemanagement)
- Kooperationen (Ziele für die verschiedenen Partner, Formen der Kooperation …)
- Öffentlichkeitsarbeit (Ziele und Formen)
- Schlusswort
Je nach Einrichtung werden die Inhalte unterschiedlich gewichtet bzw. unterschiedlich ausführlich beschrieben. Die Rahmenbedingungen entsprechen der Strukturqualität, die pädagogischen Grundlagen der Orientierungsqualität und die Umsetzungen der Prozessqualität. Die Qualitätssicherung bzw. deren regelmäßige Überprüfung ist mit dem Outcome für die Kinder und Familien gleichzusetzen (vgl. Viernickel, S.: Rahmenbedingungen und pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen. In: TPS 7/2016, S. 6–10).