Gesprächsvorbereitung
Bei der Vorbereitung eines Bewerbungsgesprächs ist zunächst wichtig, dass Sie sich mit der Aufgabenbeschreibung der zu besetzenden Stelle/Funktion vertraut machen und daran ausgerichtet ein realistisches Anforderungsprofil entwerfen. Dieses Anforderungsprofil sollte einerseits nicht zu umfangreich sein, sondern sich auf die wesentlichen Aufgaben konzentrieren. Andererseits müssen die zu erfüllenden Aufgaben mit überprüfbaren Qualitätsmerkmalen unterlegt sein.
Meine Empfehlung: Legen Sie eine Struktur für den Ablauf fest und bereiten Sie standardisierte Fragen vor, die Sie allen Bewerber*innen stellen. So können Sie horizontale Vergleiche vornehmen und zu einem transparenten, weitestgehend objektiven Ergebnis kommen. Ein vorbereiteter Fragenkatalog ermöglicht Ihnen darüber hinaus, sich mehr auf das Zuhören zu konzentrieren. Achten Sie darauf, dass der Gesprächsanteil der Bewerberin/des Bewerbers auf jeden Fall deutlich mehr als 50 % beträgt. Erzählen Sie selbst viel, erfahren Sie zu wenig über den/die Bewerber*in. Idealerweise wissen Sie am Ende des Gesprächs möglichst viel von Ihrem Gegenüber, um eine fachliche Bewertung abgeben zu können. Stellen Sie offene Fragen und vermeiden Sie solche, die zwangsläufig sozial erwünschte Antworten zur Folge haben müssen. Sinnlos zu erfragen, wie das erziehungspartnerschaftliche Verhältnis zu Eltern gesehen wird. Fragen Sie jedoch: „Wenn Sie sich ‚schwierige Eltern‘ in Erinnerung rufen, was hat das Schwierige ausgemacht und wie sind Sie mit diesen Eltern umgegangen?“, werden Sie eher erkennen können, ob die Antwort erstens authentisch und zweitens in Ihrem Sinne ist.
Gesprächsleitfaden
Folgende Struktur und Herangehensweisen für das Vorstellungs-/Bewerbungsgespräch haben sich in der Praxis bewährt.
1. Begrüßung und Vorstellung
Da der/die Bewerber*in meist in hohem Maße aufgeregt ist, gilt es zunächst, eine möglichst entspannte, vertrauensfördernde Atmosphäre zu schaffen. Gönnen Sie ihm/ihr deshalb zu Beginn eine kurze „Auszeit“, um ruhiger und sicherer zu werden. Das gelingt über eher unverfängliche Themen, wie die Vorstellung der beteiligten Personen und des Gesprächsablaufs oder die dafür eingeplante Zeit. Auch wenn diese „Anwärmphase“ nur wenige Minuten dauern sollte, können Sie daraus wichtige Erkenntnisse ziehen: Wie ist der erste Eindruck? Wie läuft die Kontaktaufnahme? Wie empfinden Sie das Äußere, das Auftreten, die Umgangsformen? Ist der/die Bewerber*in pünktlich oder in letzter Minute erschienen? Wirkt er/ sie ängstlich-nervös, ruhig, natürlich und gelassen oder übertrieben selbstsicher bis arrogant? Registrieren Sie all dies, aber achten Sie auch darauf, ob sich Ihr erster Eindruck im Laufe des Gesprächs bestätigt oder korrigiert werden muss. Kontrollieren Sie deshalb, ob Sie nicht unbewusst Vorurteilen oder Projektionen unterliegen. Schon die Art, sich zu bewegen, zu sprechen, oder der Duft des Parfüms kann meinungsprägende Assoziationen hervorrufen, die jedoch mit dem/der Bewerber*in gar nichts zu tun haben. Deshalb: Vorurteilsfreiheit gibt es nicht – Vorurteilsbewusstsein dagegen ist notwendig!
2. Informationen ergänzen
Gehen Sie nun dazu über, dem Bewerber/ der Bewerberin die wichtigen Informationen über Träger und Einrichtung zu geben. Nicht immer enthält die Stellenausschreibung alle Informationen, die nötig sind, damit der/die Bewerber*in sich ein realistisches Bild machen kann.
Informationen zum Träger
- Wer ist der Träger der Einrichtung?
- Wie viele Einrichtungen werden von ihm betrieben?
- Welches Leitbild bzw. welche Rahmenkonzeption existiert als Grundlage?
- Wie sehen die Arbeitsbedingungen (Betreuungszeit, Vor- und Nachbereitungszeit, Personalschlüssel, Fortbildungsmöglichkeiten, Fachberatung etc.) aus? Welche Veränderungen laufen oder sind geplant?
Informationen zur Einrichtung
- Wie ist die Einrichtung strukturiert (Kinderanzahl, Gruppenanzahl, Gruppenstärke, Altersspanne, Personal etc.)?
- Wie ist die Einrichtung in den Stadtteil und in das Gemeinwesen integriert?
- Welche Sozialstruktur ist in der Einrichtung und im Stadtteil gegeben?
- In welchem Netzwerk bewegt sich die Kita?
- Mit wem erfolgt welche Kooperation?
- Wie sieht die Einrichtungskonzeption aus?
- Welches Besprechungssystem gibt es, welche Möglichkeiten des internen und externen fachlichen Austauschs?
3. Motive der Bewerbung
Hier erfahren Sie Entscheidendes: Was hat den/die Bewerber*in dazu veranlasst, sich gerade bei Ihnen bzw. bei Ihrem Träger zu bewerben, und was macht für ihn/sie den besonderen Reiz der angestrebten Aufgabe aus? Bringen Sie außerdem die Gründe für bisherige Arbeitgeberwechsel in Erfahrung, insbesondere für den aktuell geplanten. Hilfreich ist der folgende Fragenkatalog, mit dem Sie Motivation und Glaubwürdigkeit überprüfen, aber auch das ganz persönliche „Marketing-Konzept“ kennenlernen (wie „verkauft“ er/sie sich?). Wählen Sie dabei jeweils die Fragen aus, die sich auf die Bewerbungsunterlagen beziehen:
- Wie ist es zu Ihrer Bewerbung bei uns gekommen?
- Warum wollen Sie gerade in unserer Einrichtung tätig werden?
- Was unterscheidet unseren Träger von XY?
- Welche Erwartungen verbinden Sie mit einem Wechsel zu uns?
- Wie kam es dazu, dass Sie bisher noch nie die Einrichtung gewechselt haben?
- Warum haben Sie von Träger X zu Träger Y gewechselt?
- Weshalb haben Sie im Jahre ... die Branche gewechselt?
- Welche berufliche Position streben Sie mittelfristig an, was ist Ihr langfristiges Ziel?
- Wählen Sie die beiden für Sie wichtigsten Motive aus: interessante und anspruchsvolle Arbeit, Entwicklungsmöglichkeiten, gute Bezahlung, Sicherheit des Arbeitsplatzes, gutes Betriebsklima, funktionierende Teamarbeit, Mitgestaltungsmöglichkeiten, soziales Engagement.
4. Ausbildung und berufliche Erfahrung
Natürlich liegen Ihnen alle Fakten zur Ausbildung und den beruflichen Erfahrungen in den Bewerbungsunterlagen vor. Eventuell sind aber einige Umwege darin enthalten, die der Erklärung bedürfen. Ziel ist es, einerseits zu überprüfen, wie die/der Bewerber*in zu seiner/ ihrer Berufswahl und Ausbildung kam, und andererseits festzustellen, wie zielgerichtet er/sie anschließend den weiteren Berufsweg verfolgt hat. Entsprechende Fragen könnten lauten:
- Aus welchen Gründen haben Sie sich für die Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher entschieden?
- Warum haben Sie an der Fachschule XY Ihre Ausbildung begonnen?
- Waren Sie mit der Ausbildung zufrieden bzw. was hätte anders sein müssen?
- Weshalb waren Sie zuletzt in einem privaten Haushalt als Betreuungskraft für Kinder tätig?
5. Persönlicher Hintergrund
Diese Gesprächsphase dient dazu, den/die Bewerber* in besser kennenzulernen und eine Vorstellung davon zu entwickeln, ob er/sie in die Einrichtung und in das Team passt. Laden Sie den/die Bewerber*in durch Ihre Art des Fragens zu möglichst freimütigen Antworten ein, signalisieren Sie aber auch, dass Sie die Privatsphäre anderer respektieren. Fragen Sie hierzu beispielsweise:
- Wir wollen Sie gern noch näher kennenlernen und bitten Sie, etwas über sich zu erzählen. Wie würden Sie sich selbst beschreiben, wie würden es Ihre Freunde vermutlich tun?
- Wo liegen Ihre Stärken/Schwächen? Was regt Sie bei anderen Menschen am meisten auf?
- Haben Sie Hobbys? Welche?
- Was bedeutet für Sie Zusammenarbeit mit anderen?
- Haben Sie schon einmal negative Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit anderen gemacht?
- Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen und welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?
- Worüber können Sie sich so richtig ärgern?
- Wie sieht Ihre aktuelle Lebenssituation aus?
- Gibt es Bereiche, in denen Sie sich besonders engagieren?
6. Fachliche Kompetenz und Eignung
Zeugnisse allein sagen nicht genug über die berufliche Qualifikation aus. In dieser Gesprächsphase prüfen Sie deshalb, wie es um die fachliche Kompetenz bestellt ist und ob sich der/die Bewerber*in selbst realistisch einschätzt. Selbstverständlich muss eine qualifizierte Person nicht allwissend sein; im Gegenteil: Es spricht manchmal auch für eine*n Bewerber* in, wenn er/sie den Mut hat, sich zu Wissenslücken zu bekennen. Mögliche Fragen:
- Wie gut kennen Sie sich im Ganztagsbetreuungsbereich aus und welche Entwicklungen sehen Sie?
- Welche Chancen und Risiken liegen für Sie in den Bildungsplänen?
- Wie würden Sie „Bildung“ und „Erziehung“ definieren und voneinander abgrenzen?
- Welche Bedeutung hat für Sie der Gender- Aspekt in der Pädagogik und wie würden Sie diesem in der Praxis gerecht werden?
- Welche Bedeutung haben „Bindung“ und „Bildung“ aus Ihrer Sicht und welchen Zusammenhang sehen Sie?
- Wie definieren Sie den Begriff „Selbstbildung von Kindern“ und was bedeutet dies für die Rolle der Fachkräfte?
- Welche Ergebnisse sind Ihnen aus der aktuellen Hirnforschung bekannt und welche Auswirkungen auf die pädagogische Praxis ergeben sich daraus für Sie?
- Welche Fachbücher und Fachzeitschriften lesen Sie zurzeit bzw. haben Sie gelesen?
- In welchen Themenbereichen haben Sie noch Defizite und wie könnten diese abgebaut werden?
- Welche Chancen oder Risiken sehen Sie in der wachsenden Vielfalt unterschiedlichster Kulturen und Religionen in der Kita?
- Wie stehen Sie zu den Begriffen „verhaltensauffällig“ und „verhaltenskreativ“?
- Wie positionieren Sie sich zur Aussage einer Kita-Erzieherin: „Bei uns sind alle Kinder gleich, egal ob dunkel- oder hellhäutig!“
- Wie unterscheiden Sie „Integration“ von „Inklusion“?
- Welche partizipativen Möglichkeiten erachten Sie für Kinder und Eltern für notwendig, um dem § 45 SGB VIII gerecht zu werden?
- Was ist für Sie eine Beschwerde, welche Bedeutung haben Beschwerden für Sie und wie würden Sie mit diesen umgehen?
7. Arbeitsbedingungen
Hier geht es um die Erörterung der Rahmenbedingungen und der inhaltlichen Aspekte der künftigen Tätigkeit. Damit die damit verknüpften Anforderungen und Bedingungen klar werden, sollten Sie über folgende Punkte informieren:
- Definition des Aufgabengebiets
- Einarbeitungszeit und Arbeitszeitregelungen
- Möglichkeiten zum Ausgleich von Mehrarbeit
- Probezeit und deren Dauer
- Vorstellung der Beurteilungssysteme
- Urlaubsregelungen
- Bezahlung (Einstiegseingruppierung, Bewährungsaufstieg, Fristen)
- Angebotene Sozialleistungen
- Anspruch auf Fortbildungstage, mögliche Zuschüsse vonseiten des Trägers
8. Fragen der Bewerberin/des Bewerbers
Sollten Sie für das Vorstellungsgespräch 45 Minuten veranschlagt haben, sind zu diesem Zeitpunkt in der Regel bereits 40 Minuten verstrichen. Der/die Bewerber*in ist mit Informationen „zugeschüttet“ und relativ ausgelaugt. Häufig entfällt daher die Gesprächsphase „Fragen der Bewerberin/des Bewerbers“. Ich halte das für einen Fehler, denn an klugen Fragen erkennt man motivierte und kompetente Bewerber* innen. Stellen diese jetzt allerdings Fragen, die sich bereits im Verlauf des Vorstellungsgesprächs hätten klären lassen, spricht das weniger für als gegen die/den Betreffende*n. Dazu gehören auch Fragen, die auf unaufmerksames Zuhören und unzureichendes Speichern der Informationen während des Gesprächs schließen lassen. Wer jetzt auf Pausenregelung, Gleitzeit, Mehrarbeitsausgleich, bezahlte Überstunden etc. zu sprechen kommt, entlarvt sich selbst. Die nachfolgenden Bewerber-Fragen allerdings können Sie als positiv, interessiert und motiviert bewerten:
- Gibt es eine Stellenbeschreibung, kann diese ausgehändigt werden?
- Wie setzt sich das Team zusammen?
- Mit wem werde ich zusammenarbeiten?
- Bestehen Möglichkeiten des Kennenlernens?
- Weshalb wurde die Stelle frei und wer hatte sie inne?
- Welche Probleme gab es?
- Mit wem wird aktuell kooperiert (andere Kitas, Schulen, Beratungsstellen, Kirchen, Vereine etc.) bzw. was ist geplant?
- Welche Möglichkeiten zum fachlichen Austausch gibt es intern und extern?
- Besteht die Möglichkeit, an Arbeitsgemeinschaften und Fortbildungen teilzunehmen?
- Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es grundsätzlich in der Einrichtung/beim Träger?
9. Darstellung des Entscheidungsprozesses
Ich meine, dass die Bewerber*innen einen Anspruch darauf haben zu erfahren, wie der weitere Entscheidungsweg aussieht, und empfehle daher ausdrücklich, über das Entscheidungsprozedere und damit verbundene Fristen zu informieren. Nicht nur das: Gerade in Zeiten, in denen qualifizierte Fachkräfte „heiß umkämpft“ sind, ist eine schnelle, aber sehr wohl gründlich durchdachte Entscheidung und eine zeitnahe Rückmeldung an die Bewerber*innen notwendig.
10. Gesprächsabschluss und Verabschiedung
Gestalten Sie das Ende des Gesprächs auf jeden Fall freundlich, auch dann, wenn für Sie wenig Anlass zur Freude besteht. Denn sollte das Gespräch eher ungünstig verlaufen sein, merkt der/die Bewerber*in das in der Regel selbst. Bedanken Sie sich deshalb grundsätzlich für die Bewerbung, den Besuch und das Interesse an einer Mitarbeit. Wünschen Sie der Bewerberin/dem Bewerber einen guten Heimweg und weisen Sie nochmals darauf hin, dass, wie vereinbart, eine schriftliche bzw. mündliche Benachrichtigung erfolgen wird.
Gesprächsnachbereitung
Es ist absolut ratsam, sich möglichst direkt nach dem Gespräch Zeit zu reservieren, um die Notizen auswerten zu können. Warten Sie zu lange, verblassen wichtige Eindrücke oder Sie können Ihrem Aufschrieb keine Bedeutung mehr zuordnen. Beschränken Sie sich aber nicht ausschließlich auf das Verschriftlichte, sondern lassen Sie auch die nonverbalen Verhaltensweisen Revue passieren. Sie haben somit ein Bild von der Fachlichkeit und der Persönlichkeit der Bewerberin/des Bewerbers gewonnen. Legen Sie dieses Profil nun auf das dem Bewerbungsgespräch zugrunde liegende Anforderungsprofil. Wo sind sie deckungsgleich, wo weichen sie voneinander ab? Idealerweise haben Sie vorab beschrieben, wie hoch der Deckungsgrad sein muss, welche Kenntnisse und Fähigkeiten von Beginn an vorhanden sein müssen und in welchen Bereichen es sich jemand noch leisten kann, sich nach und nach zu entwickeln.
Wenn die Mindestgrenze unterschritten wird, sollten Sie sich – trotz offener Stelle und großer Belastung – gegen den Kandidaten/die Kandidatin entscheiden und höflich schriftlich (!) absagen. Die Texte sind entnommen aus kindergarten heute – leiten kompakt: Gesprächsführung für Leitungskräfte von Kurt Weber. Verlag Herder, Freiburg 2017, ISBN 978-3-451-00320-2, € 9,99.