Das ganze Leben ist VeränderungChange-Management in der Kita

Nicht mit allen Veränderungen kommen wir gleich gut zurecht. Jeder Wandel bedeutet erst einmal, Gewohntes loszulassen und sich auf Unsicheres einzulassen. Will die Leitung in der Kita Veränderungsprozesse in Gang bringen, ist es umso wichtiger, dass sich alle Teammitglieder „mitgenommen“ und vor allem ernst genommen fühlen.

Das ganze Leben ist Veränderung: Change-Management in der Kita
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Rahmenbedingungen, Handlungen oder Haltungen zu ändern, ist nicht nur grundsätzlich schwierig. In Kindertageseinrichtungen stellen Veränderungsprozesse sogar einen gewissen Widerspruch zum pädagogischen Alltag dar. Denn dort versuchen Fachkräfte durch feste Strukturen und immer wiederkehrende Rituale bzw. Aktionen Sicherheit und Orientierung für die Kinder zu schaffen. Und letztlich ermöglichen solche Gewohnheiten und Abläufe auch den Fachkräften selbst Entlastung und Stressreduktion.

Identifikation schaffen

Eine Veränderungsidee ist von Anfang an nur dann erfolgversprechend, wenn sich alle Betroffenen damit identifizieren können und wenn sie an der Entwicklung der Veränderungsschritte beteiligt werden. Gibt es dagegen nur wenige, die mitziehen, entstehen Unstimmigkeiten und die Arbeitsqualität leidet. Werden neue Konzepte ohne individuelle Prüfung und Anpassung übernommen oder sogar angeordnet, können oder wollen sie kaum im Alltag übertragen werden.

Frühzeitig informieren

Egal, um welche Veränderungen es sich handelt, ob um eine konzeptionelle Neuorientierung, veränderte Öffnungszeiten oder um Baumaßnahmen – am Anfang steht immer die Information der Betroffenen. Damit Ihr Team eine Ahnung vom Bevorstehenden bekommt, muss es Hintergründe, Fakten, Zeitplan, Aufgaben usw. kennen. Laden Sie darum eine*n Trägervertreter*in oder den zuständigen Fachdienst frühzeitig in Ihre Teambesprechung ein. Legen Sie gemeinsam mit diesem offen, was ansteht und was das konkret für das Team bedeutet.  

Alle Beteiligten einbeziehen

Zur ersten Informationsrunde sollten Sie alle einladen, die die Veränderung direkt betrifft. Geht es um das Kita-Essen, sollte z. B. auch die Küchenkraft dabei sein. Gemäß dem Grundsatz „Wen es betrifft, der wird informiert“ kann das auch bedeuten, dass die Praktikantin, die nur noch vier Wochen in der Einrichtung ist, nicht unbedingt teilnehmen muss.

Widerstände ernst nehmen

Veränderungen haben in der Regel vielschichtige Auswirkungen. Bei einem veränderten zeitlichen Betreuungsangebot etwa müssen nicht nur das Schild mit den Öffnungszeiten an der Eingangstür ausgetauscht und Dienstpläne angepasst werden. Hinzu kommt, dass auch der Tagesablauf in den Gruppen überdacht, die Räumlichkeiten verändert oder die kollegiale Zusammenarbeit neu abgestimmt werden muss. Das kann bei manchen Kolleg*innen das Gefühl von Orientierungslosigkeit oder Überforderung auslösen – und den Impuls, mit aller Energie am Gewohnten festzuhalten. Um diese Phase der Abwehr überwinden zu können, müssen Widerstände der Kolleg*innen unbedingt ernst genommen werden. So können Sie konkret damit umgehen:

  • Planen Sie beim ersten Informationsgespräch mindestens eine Stunde für alle drängenden Fragen der Mitarbeiter*innen ein.
  • Verschriftlichen Sie die Bedenken, ungeklärten Fragen und Befürchtungen und sammeln Sie sie für alle sichtbar an einer Pinnwand. Nach und nach können diese „abgearbeitet“, beantwortet und dann von der Pinnwand abgenommen werden.
  • Bieten Sie bei besonders großen Widerständen Einzelner einen gesonderten Gesprächstermin an, um gemeinsam nach individuellen Lösungen zu suchen.
  • Bitten Sie noch nicht überzeugte Kolleg*innen, bestimmte Aufgaben im Veränderungsprozess zu übernehmen, mit denen sie sich identifizieren können und die zu deren Kompetenzen passen.

Zentrale Fragen richtig stellen

Bestehen danach immer noch Bedenken, ist lösungsorientiertes Arbeiten gefragt. Zielführend sind hierbei die passenden Fragestellungen. Fragen Sie also nicht:
„Warum ...
... fühlst du dich nicht wohl bei dem Gedanken, in einen Neubau umzuziehen?“
... glaubst du, dass ein offenes Konzept bei uns nicht klappt?“
... willst du den Inklusionsgedanken in deiner Gruppe nicht umsetzen?“

Warum-Fragen suchen meist nach Gründen in der Vergangenheit oder nach „Schuldigen“. Veränderungsprozesse benötigen aber Lösungen. Darum sind hier Wie-Fragen besser geeignet, z. B.: „Wie ...
... könnte es gelingen, einen reibungslosen Umzug ins neue Gebäude zu organisieren?“
... könnte offenes Arbeiten trotzdem den Bedürfnissen aller Kinder gerecht werden?“
... könnte ich dich unterstützen, damit du dich besser über Inklusion informiert fühlst?“

Sinnhaftigkeit der Veränderung vermitteln

Im Change-Management ist es nicht nur wichtig, von Beginn an alle „an Bord“ zu haben, sondern auch dafür zu sorgen, dass alle den damit verbundenen Belastungen standhalten. Hilfreich ist hier der Ansatz der „Salutogenese“. Aaron Antonovsky (1923 – 94), amerikanisch-israelischer Medizinsoziologe, fragte sich: „Was hält Menschen – trotz widriger Umstände – gesund?“ Eine zentrale Erkenntnis der Salutogenese besteht darin, dass Menschen mit schwierigen Situationen oder Übergängen gut umgehen können, wenn sie ein „Kohärenz gefühl“, also ein Gefühl von Stimmigkeit, entwickeln. Dieses besteht aus drei Aspekten:

  • Kognitiver Aspekt: Der Mensch versteht, was von ihm erwartet wird bzw. wie er mit der Situation umgehen kann.
  • Kognitiv-emotionaler Aspekt: Der Mensch weiß, dass die Situation für ihn handhabbar ist.
  • Affektiv-motivationaler Aspekt: Die Situation ist für den Menschen bedeutsam, ergibt Sinn.

Übertragen auf Veränderungsprozesse in Ihrer Kita bedeutet das:

  • Sorgen Sie dafür, dass im Verlauf der eingeleiteten Veränderung immer alle Beteiligten wissen, wer welche Aufgaben übernimmt, was zu erledigen ist und was wann ansteht.
  • Delegieren Sie notwendige Aufgaben nach Absprache an Ihre Mitarbeiter*innen entsprechend deren Ressourcen und Kompetenzen, sodass sich niemand über- oder unterfordert fühlt.
  • Behalten Sie selbst im Blick: Was bringt die Veränderung? Nehmen Sie sich die Zeit, um mit Ihrem Team über die positiven Auswirkungen der Veränderung zu sprechen.

Gewinn identifizieren

Überlegen Sie erst für sich, ob die Veränderung tatsächlich an den Bedürfnissen der Kinder, Eltern und des Teams orientiert ist. Wie muss die Veränderung aussehen, damit möglichst viele davon profitieren? Überlegen Sie dann mit dem Team, welchen Gewinn es aller Voraussicht nach aus einem erfolgreichen Veränderungsprozess ziehen wird:

  • Was haben die Fachkräfte davon?
  • Was haben andere (Kinder, Eltern, Träger) davon?
  • Und was wäre der Gewinn des Gewinns? Beispiel: Der Umzug ins neue Gebäude bedeutet eine verbesserte Raumsituation, die eine bessere Bildungsarbeit ermöglichen würde. Diese wiederum würde eine höhere Qualität in Ihrer Kita nach sich ziehen.

Wenn alle Beteiligten einen Sinn in der Veränderung erkennen können, arbeiten sie auch gern am Erfolg des Prozesses mit und fühlen sich der Herausforderung leichter gewachsen.

Klare Ziele setzen

Damit die Veränderungen konkret angegangen werden können, brauchen die Beteiligten klare Zielvorgaben. Das Gesamtziel, z. B. „Ab September arbeiten wir nach dem offenen Konzept“, braucht kleine Teilziele, die nach und nach erreicht werden können. Für das Beispiel der konzeptionellen Veränderung könnten das sein:

  • Wir sind alle über die notwendigen Maßnahmen für offenes Arbeiten informiert.
  • Wir haben ein Raum-, Tagesablauf- und Zeitkonzept für das offene Arbeiten erstellt.
  • Wir haben die entsprechenden Aufgaben an die Teammitglieder verteilt, die sich dafür verantwortlich fühlen.
  • Wir informieren die Eltern über die konzeptionelle Veränderung. Wir informieren die Kinder über die Veränderung, die für sie ansteht.
  • Wir reflektieren unsere ersten Erkenntnisse aus dem offenen Arbeiten.

Bei der Formulierung einzelner Teilziele kann die sogenannte SMART-Methode helfen. Ihr zufolge steigt die Chance auf Erreichung der Ziele, wenn sie folgende Eigenschaften haben:

  • spezifisch
  • messbar
  • attraktiv
  • realistisch
  • terminiert

Spezifisch: Was genau wollen Sie erreichen? Formulieren Sie möglichst präzise und positiv, was als erstes, zweites und drittes erreicht werden muss, damit die Gesamtveränderung gelingt.
Messbar: Woran sehen Sie, dass das Teilziel erreicht ist? Halten Sie z. B. alle Infos zum Veränderungsprozess schriftlich fest und lassen Sie die Beteiligten durch Unterschrift ihre Kenntnis darüber dokumentieren. Attraktiv: Fragen Sie nicht nur zu Beginn des Prozesses, was wer von einer erfolgreichen Veränderung hätte. Überlegen Sie auch im Team: Was haben wir davon, wenn alle informiert sind, ein klares Konzept vorliegt, Kinder und Eltern einbezogen werden usw.
Realistisch: „Ab nächster Woche arbeiten wir offen“ – sicherlich ein Ziel, das so nicht erreicht werden kann. Realistisch ist ein Teilziel, wenn sich niemand überfordert fühlt und wenn die einzelnen Ziele in der richtigen und notwendigen zeitlichen Abfolge gesteckt werden.
Terminiert: Stecken Sie für jedes Teilziel einen Zeitrahmen ab und tragen Sie ihn verbindlich in den Kalender ein: Wann finden welche Teamsitzungen statt? Wann ist der geplante Elternabend? usw.

Erfolgreiche Veränderung visualisieren

Nun ist es an der Zeit, dass alle Beteiligten eine klare Vorstellung von der gelungenen Veränderung entwickeln. Das Gehirn denkt nämlich in Bildern, was sich z. B. auch viele Profisportler zunutze machen: Sie visualisieren das in der Zukunft bereits erreichte Ziel, etwa den Zieleinlauf als Sieger beim Marathon. Das Visualisieren verhilft zu einer höheren Motivation und schafft eine Vorstellung davon, was möglich ist. Und schon bei dieser Vorstellung reagiert der Körper, als wäre der Erfolg bereits da: Er schüttet Endorphine aus, die für Gelassenheit und Zufriedenheit sorgen. Laden Sie Ihre Kolleg*innen also zu einer kleinen Visualisierungsübung ein:

Stellen Sie sich gemeinsam vor, es wäre bereits beispielsweise ein Jahr später (je nach geplanter Dauer des Veränderungsprozesses). Sie haben alle Ziele erreicht und die Veränderung hat sich als äußerst positiv erwiesen. Alle sind zufrieden und der Kita-Alltag läuft reibungslos. Sehen Sie sich um: Was passiert gerade? Wer ist in der Szene zu sehen? Wer war an diesem Erfolg beteiligt? Schauen Sie in die Gesichter der Personen: Allen geht es gut, das ist ihnen anzusehen. Welchen Gesichtsausdruck haben Sie selbst? Sie sind zufrieden und stolz, dass alles so gut gelungen ist. Verabschieden Sie sich dann langsam von den inneren Bildern. Die Eindrücke und positiven Emotionen nehmen Sie mit ins Hier und Jetzt.

Geben Sie anschließend etwas Zeit, damit alle Beteiligten über ihre Eindrücke bei dieser Visualisierung sprechen können. So schaffen Sie die gemeinsame Basis für erste Schritte zum Erreichen der Teilziele.

Angemessene Schritte finden

Jedes formulierte Ziel hin zur geplanten Veränderung muss nun angesteuert werden. Für die Schritte auf dem Weg dorthin gilt: so groß wie möglich, aber so klein wie nötig. Ist ein Schritt zu groß, kann das zum Scheitern führen, weil er z. B. neben der täglichen Arbeit gar nicht geleistet werden kann. Ist ein Schritt zu klein, kann die Motivation im Team schnell sinken, da vorerst keine Erfolge sichtbar werden. Planen Sie also gemeinsam:

  • WAS ist notwendig? Für die neu zu erstellende Konzeption muss z. B. eine Arbeitsgruppe mögliche Inhalte sammeln und ein Teammitglied das Formulieren und Aufschreiben übernehmen.
  • WER kann das übernehmen? Halten Sie schriftlich fest, wer sich für welche Aufgabe zuständig erklärt. Wichtig: Letztverantwortlich für den Gesamtprozess bleibt die Leitung, bei der stets alle Fäden zusammenlaufen.
  • BIS WANN wird ein Schritt erledigt? Notieren Sie hierfür einen genauen Termin bzw. ein Zeitfenster – und auch für alle weiteren Schritte.

Logbuch führen

Für den gesamten Veränderungsprozess empfiehlt sich ein „Logbuch“, das von allen Beteiligten jederzeit angeschaut werden kann. Das kann ein Ordner sein, in dem sich Notizblätter, Fotoprotokolle vom gemeinsamen Brainstorming, To-do-Listen oder Mindmaps abheften lassen. Dieses Logbuch sollte an einem leicht zugänglichen Ort aufbewahrt werden, der auch Platz zum Verweilen bietet. So können sich alle am Veränderungsprozess Beteiligten zwischendurch immer mal Zeit nehmen, in dem Buch zu blättern und sich über den aktuellen Stand zu informieren.

Erfolge feiern

Selbstverständlich ist es die Aufgabe der Leitung, Schwierigkeiten im Veränderungsprozess wahrzunehmen und unmittelbar gegenzusteuern. Doch ungleich wichtiger ist es, Erfolge zu benennen und sichtbar zu machen. Denn nicht nur die Arbeit mit den Kindern sollte sich primär an den Ressourcen orientieren. Feiern Sie auch mit den Kolleg*innen Meilensteine, Erreichtes und Gelungenes! Nehmen Sie daher in Ihre Vorüberlegungen zum Veränderungsprozess unbedingt mit auf:

  • Wie wollen wir das Erreichen einzelner Teilziele würdigen?
  • Wie soll die gelungene Veränderung insgesamt gefeiert werden?

Eine solche Würdigung der Erfolge wird das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Selbstwirksamkeit aller Beteiligten stärken – beste Voraussetzung, um gemeinsam auch die Hürden kommender Veränderungen zu überwinden und neue Herausforderungen anzugehen.  

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