Das Beurteilungsgespräch unterliegt dem „Topdown- Prinzip“. In der Regel wird es deshalb nicht vom Träger selbst geführt, sondern an die Leitung der Einrichtung delegiert. Das Gespräch ist eine wesentliche Grundlage für die schriftliche Beurteilung und der richtige Rahmen, um sich über die jeweiligen Perspektiven auf die Leistungsergebnisse auszutauschen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Beurteilungsgespräch eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz des Beurteilungsergebnisses durch die beurteilte Person darstellt, weil diese so verstehen kann, warum die Führungskraft bestimmte Leistungen oder Verhaltensweisen positiv oder eher negativ bewertet hat.
Ein Beurteilungsgespräch soll dazu beitragen, die Selbst- und Fremdwahrnehmung abzugleichen, nicht jedoch anzugleichen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass dasselbe Verhalten oder dieselbe Leistung durchaus völlig unterschiedlich eingeschätzt werden kann. In solch einem Fall gibt es kein „arithmetisches Mittel“: Wenn Sie die Note 4 vergeben, der/die Mitarbeiter* in aber die Note 2 für angemessen hält, dann ist die nach dem – falsch verstandenen – Win-win-Prinzip gemittelte Note 3 keine Lösung, sondern vielmehr ein fauler Kompromiss. Schließlich können Sie nicht wider besseres Wissens eine Leistung mit einer Note versehen, die Sie selber nicht begründen können.
Das Beurteilungsgespräch ist eine wesentliche Grundlage für die schriftliche Beurteilung. Diese wiederum wird als Quelle bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses herangezogen. Und dieses Zeugnis ist der „Türöffner“ für andere interessante Aufgaben – wenn es denn positiv ist. Von korrekten und gerechten Beurteilungen und von entsprechend formulierten Zeugnissen hängt demnach eine Menge ab. Daher ist es wichtig, bereits das Beurteilungsgespräch professionell vorzubereiten und durchzuführen.
Gesprächsvorbereitung
Ich empfehle Ihnen die Vorbereitung anhand einer Checkliste, denn so haben Sie die Sicherheit, die wesentlichen Punkte im Blick zu haben:
- Ist die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter darüber informiert, dass und wann eine Beurteilung erstellt werden soll, wann das Beurteilungsgespräch erfolgt und welche Punkte beurteilungsrelevant sind?
- Haben Sie den/die Mitarbeiter*in regelmäßig beobachtet?
- Haben Sie die Beobachtungen während des Beurteilungszeitraums durchgeführt? Sind die über Ihre Beobachtungen erlangten Eindrücke aktuell oder länger zurückliegend?
- Haben Sie bei Ihren Beobachtungen den Maßstab je nach Stellung/Funktion/Aufgabe der zu beobachtenden Person angepasst?
- Haben Sie die Beobachtungen nachvollziehbar dokumentiert?
- Haben Sie objektive, durch die Person erfüllbare Anforderungsmerkmale zugrunde gelegt? Können Sie Ihre Beobachtungen durch stichhaltige, abgesicherte Daten und Fakten untermauern?
- Was sind die Stärken, was die Schwächen in der Leistung/im Verhalten der Mitarbeiterin/ des Mitarbeiters?
- Gibt es Punkte, die nicht „verhandelbar“ sind?
Folgendes Vorgehen sollten Sie bei dem Beurteilungsgespräch berücksichtigen:
- Führen Sie das Gespräch immer unter vier Augen.
- Veranschlagen Sie genügend Zeit. Legen Sie jedoch den zeitlichen Rahmen vorher fest. Reduzieren Sie externe Störungen (z. B. Telefon, Besucher*innen) so weit wie möglich. Üben Sie sich im Zuhören.
- Ideale Verteilung der Gesprächszeit: 1/3 Beurteilende*r und 2/3 Mitarbeiter*in.
- Konzentrieren Sie sich nicht nur auf Ihre eigene Argumentation, hören Sie zu und versuchen Sie auch zu erkennen, welche Emotionen sich hinter den Worten Ihres Gegenübers verbergen.
- Gehen Sie zuerst auf die Kritikpunkte ein. Zeigen Sie dabei Möglichkeiten zur Leistungsverbesserung auf. Erst dann sollten Sie auf die positiven Aspekte zu sprechen kommen. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich vor allem bei problematischen Beurteilungen. Durch das frühzeitige Ansprechen negativer Aspekte wird ein Spannungsabbau erreicht, der den weiteren Gesprächsverlauf positiv beeinflussen kann.
- Üben Sie klare und konstruktive Kritik.
- Beziehen Sie Stellung und finden Sie klare und eindeutige Worte, d. h., machen Sie Ihre Position erkennbar.
Stolpersteine
Tendenz zur Subjektivität: Subjektivität lässt sich nicht ausschließen, wir alle haben unsere „Schubladen“. Folgende Situation ist Ihnen sicher bekannt: Sie begegnen einer Person und können sofort sagen, ob sie Ihnen sympathisch ist oder nicht. Vielleicht liegt es am Aussehen, an der Kleidung oder am Klang der Stimme? Wichtig ist deshalb, sich die „Brille“ der eigenen Wahrnehmung bewusst zu machen. Ziel muss dann sein, möglichst viele subjektive Wahrnehmungseffekte zu eliminieren. Untersuchungen haben z. B. gezeigt, dass Mitarbeiter* innen, die von ihren Führungskräften von Beginn an wertschätzend und anerkennend behandelt wurden, bessere Leistungen erbrachten als Mitarbeiter*innen, denen schon von Beginn an mit Misstrauen und Vorbehalten begegnet wurde.
Tendenz zur Milde: Die Bewertung ist zur positiven Seite hin verschoben. Schwächen und Defizite wurden nicht einbezogen. Möglicher Hintergrund: Vorsicht oder Sorge, andere durch ausgewogene Beurteilungen zu verletzen.
Tendenz zur Strenge: Die Bewertung ist zur negativen Seite hin verschoben. Möglicher Hintergrund: Es wird so hart beurteilt, weil man selbst zu kritisch ist oder dazu neigt, von sich und anderen zu viel zu fordern. Oder aber, weil ein vor Kurzem entstandener Konflikt noch nicht bereinigt wurde.
Tendenz zur Durchschnittlichkeit: Die Bewertung bezieht sich nur auf einen Teil der wahrzunehmenden Aufgaben und ist unverbindlich formuliert. Möglicher Hintergrund: Man möchte keine „Fehler” machen, sich nicht festlegen und dem/der Mitarbeiter*in Spielraum für Interpretation lassen.
Ungeprüfte Verwendung vorhandener Beurteilungen: Ein solches Vorgehen beinhaltet stets die Gefahr einer ungerechten Bewertung, da sich die Führungskraft mit dem/der Mitarbeiter*in nicht ausreichend auseinandersetzt.
Überstrahlungseffekt: Dies ist dann der Fall, wenn Sie sich durch hervorstechende Einzelerscheinungen bei der Gesamtbeurteilung beeinflussen lassen.