Die neuen Kinder waren gerade erst eingewöhnt, da stand auch schon der nächste wichtige Termin an: Bis zum 10. Oktober musste der Elternbeirat gewählt sein. Leider finden sich in unserer Einrichtung schon seit längerem immer weniger Väter und Mütter zum ersten Elternabend im neuen Kindergartenjahr ein. Und diejenigen, die sich hierher wagen, schauen meistens entweder betreten zu Boden oder müssen plötzlich ganz dringend nach draußen zum Telefonieren, sobald ich den Tagesordnungspunkt „Wahl der Elternvertreter*innen“ aufrufe.
In der Fachpresse liest man immer wieder, dass Elternengagement nur dort richtig funktioniere, wo man Eltern als Erziehungspartner wertschätze und auf Augenhöhe mit ihnen agiere. Also stand mein Entschluss fest: Diesmal würden wir alles komplett danach ausrichten: Wir wollten die Eltern motivieren! Schon die Einladung sollte den Eltern Lust machen: Lust auf Elternabend, Lust auf Mitwirkung, Lust auf Wählen. Wir wollten endlich mal mehr Eltern als Kandidat* innen aufstellen als bloß die vorgeschriebene Anzahl der zu wählenden Beiratsmitglieder.
Mit Feuereifer gingen wir ans Werk. Eine moderne, überzeugende und begeisternde Einladung musste her. Orientieren wollten wir uns an nichts weniger als der neuesten psychologischen Forschung: Was macht eine Einladung für Eltern interessant? Nach einem Brainstorming im Team unter Zuhilfenahme eines psychologischen Almanachs wussten wir es: Primäres Ziel ist es, sofortiges Interesse schon beim ersten Blick zu wecken, denn „in diesem Stadium liest der Betrachter noch keine Texte, sondern erfasst zuerst die Bilder“. Darüber mussten wir erst einmal nachdenken und nach zwei Wochen hatten wir es dann: das Konzept einer „Wahlparty“ – entworfen nach neuesten psychologischen Erkenntnissen.
Party suggeriert Lebenslust, Spaß und Ausgelassenheit. Wer wollte das verpassen? Die Kinder wurden zu eifrigen Wahlhelfer*innen und bearbeiteten die Eltern, sich zur Wahl aufstellen zu lassen. Sie machten einen tollen Job: Schon nach kurzer Zeit konnten wir Plakate gestalten, auf denen sich wählbare Eltern mit Foto und ihren Zielen als Beiratsmitglied vorstellten. Kurz vor dem Elternabend teilten wir noch Flyer aus, um die Stimmung richtig anzuheizen. Und tatsächlich: Alle fieberten der „Wahlparty“ entgegen. Der noch amtierende Elternbeirat hatte es sich nicht nehmen lassen, den Abend zu organisieren. Allerdings ahnten wir nicht, dass die Eltern das Wort „Party“ auf der Einladung doch ein wenig anders aufgefasst hatten als wir. Als wir an besagtem Abend die Tür öffneten, wurden wir von Kisten, Kästen und Körben überwältigt. Stühle wurden hinund hergeschoben, Servietten und kalte Getränke ausgepackt und immer mehr Eltern trafen mit Salaten und Knabbereien ein, die sie auf den Tischen abstellten. Der Beiratsvorsitzende begrüßte alle Ankommenden bereits in der Garderobe mit einem Glas Prosecco, sodass schnell eine gelöste Atmosphäre entstand. Es ist schon spannend, was Psychologie so alles vermag. Die Party dauerte dann auch recht lange und kurz vor Mitternacht mussten wir die feiernden Eltern sogar hinauskomplementieren, um wenigstens noch eine Mütze Schlaf zu bekommen. Was für ein durchschlagender Erfolg!
Aber war da nicht noch irgendwas? Ach ja: Ein neuer Beirat wurde übrigens an diesem legendären Elternabend zu späterer Stunde auch noch gewählt. Ihre