Im Laufe meiner Zeit als Leiterin einer sechsgruppigen Einrichtung mit 24 Erzieher* innen komme ich immer mehr zu der Ansicht, dass ich eigentlich schon alles irgendwann einmal erlebt habe. Was könnte da noch fehlen? Richtig: ein Einbruch.
Ich erinnere mich genau: An jenem Tag hatte ich Frühdienst und ging wie gewohnt durch die Räume, um die Fenster zu öffnen, damit gut durchgelüftet ist, bis die ersten Kinder kommen. Da bemerkte ich, dass im Zwischenraum von Gruppe 2 und 3 eines der großen Fenster nur angelehnt war. Im ersten Moment dachte ich, die Reinigungskraft hätte vergessen, das Fenster zu schließen. Deshalb wollte ich ihr unbedingt sagen, dass sie besser darauf achten müsse, dass alle Fenster geschlossen sind. Als meine Kollegin mich dann später in der Gruppe ablöste, ging ich nichtsahnend in mein Büro, fuhr den Computer hoch und schaute die Post durch. Nun wollte ich mich auch umgehend an die Abrechnung des Mittagstisches machen, doch was sah ich da? Mein Büroschrank war aufgebrochen. Jetzt wurde mir klar: Die Reinigungskraft hatte das angelehnte Fenster nicht vergessen. Was für ein Schock, bei uns war eingebrochen worden. Wie konnte das nur möglich sein? Sofort kontrollierte ich den Büroschrank und oh Schreck: Er war offen! Alles war durchwühlt und mir fiel gleich auf, dass ein bestimmter Umschlag fehlte. Schnell rief ich eine Kollegin dazu, um ihr das Desaster zu zeigen. Wir tauschten uns kurz aus, was nun zu tun sei. Zuerst informierten wir unseren Träger und die Polizei, dann die restlichen Kolleginnen. Jede Erzieherin schaute eiligst nach, ob in ihrem Gruppenraum etwas gestohlen worden war. Aber in den Gruppenräumen fehlte zum Glück nichts.
Inzwischen traf auch die Polizei ein, was bei den Kindern und Eltern natürlich für großes Aufsehen sorgte. Die Beamten untersuchten Fenster und Schrank, sicherten mögliche Spuren, notierten ganz detailliert unsere Beobachtungen und nahmen schließlich die Strafanzeige auf. Die Spurensicherung mit einem schwarzen Pulver faszinierte die Kinder sehr, da auf diese Weise alles Verdächtige sichtbar wurde. Einzelne Kinder schauten sich die Stelle genauer an und diskutierten eifrig drauf los. Mattis meinte, das sei ja wie im Fernsehen und Célia fügte hinzu, dass bei ihrer Oma auch schon mal im Gartenhaus eingebrochen worden sei. Sophie und Pia standen einfach nur an der Seite und beobachteten interessiert das Geschehen.
Im Büro klärte mich die Polizei darüber auf, dass der Einbrecher an der Hinterseite des Gebäudes ein Fenster aufgehebelt habe und so in den Kindergarten und in den Büroraum gelangen konnte. Insgesamt fehlte aber nur der Umschlag mit dem eingesammelten Geld für die Theateraufführung. Die Polizei berichtete außerdem, dass sie den Zeitpunkt eines Einbruches oft nicht genau feststellen könne, da er meistens am Wochenende passiere, wenn die Einrichtungen in der Regel leer sind. Dann wurden noch unsere Nachbarn befragt, ob ihnen etwas aufgefallen sei, aber leider hatte niemand etwas beobachtet.
Dieses einschneidende Ereignis war auch Inhalt eines Briefes, den ich an unsere Kindergarteneltern schrieb. Den Elternbeirat hatte ich bereits vorab per E-Mail über den Einbruch informiert. Mit den Kindern haben wir die Situation dann noch im Stuhlkreis besprochen, damit sie ihre Ängste und Sorgen benennen konnten. Diese konnten im Austausch der Erzieher*innen mit den Kindern zum Glück abgebaut werden. Einige Kinder waren mit dem Thema noch sehr beschäftigt und brachten eigene Ideen ein, wie wir sichtbar machen könnten, dass hier im Kindergarten keine Einbrecher erwünscht sind. Sie zeichneten Verbotsschilder für Einbrecher und brachten sie an den Eingangstüren an. Außerdem wurde nach längerer Zeit wieder das klassische Räuber-und-Gendarm-Spiel wiederbelebt. In den Verkleidungsecken brauchten wir dazu jetzt alle verfügbaren Polizeikostüme.
Wir konnten uns in der darauffolgenden Teambesprechung eingehender über die Einzelheiten des Einbruchs austauschen und sprachen über unsere Ängste und Sorgen sowie bessere Sicherheitsvorkehrungen: dass wir in Zukunft jeden Gruppenraum abschließen, möglichst kein Bargeld mehr in der Einrichtung aufbewahren, die Fotokameras, Notebooks, Beamer immer in den Schränken einschließen und abends immer alle Türen und Fenster verriegeln. Zwei Kolleginnen äußerten, dass sie es unheimlich fänden und Angst hätten, wenn sie Frühdienst hätten und es draußen noch dunkel wäre, dass jemand schon unbemerkt ins Haus gekommen sein könne. Unsere drei Reinigungskräfte äußerten dieselben Bedenken, da sie nicht immer alle gleichzeitig da seien bzw. über das Gebäude verteilt arbeiten. Hierfür fanden wir dann eine gute Lösung, dass nämlich unsere Eingangstür mit einen Panikschloss aufgerüstet wird.
Im Team kam noch die Frage auf, wieso eigentlich so oft in Kindergärten und Schulen eingebrochen wird. Was suchen die Unbekannten in den öffentlichen Einrichtungen? Denn in den seltensten Fällen machen sie ja große Beute. Bei uns war es auch nur das Theatergeld. Eine Kollegin erzählte, dass in der Einrichtung ihres Sohnes mal eine Kamera, ein Notebook und Süßigkeiten gestohlen worden waren. Die Langfinger konnten damals geschnappt werden und der Einbruch stellte sich als Mutprobe unter Jungs heraus.
Ganz praktische Fragen waren noch zu klären, als wir unterschiedliche Szenarien durchspielten: Wenn ich Geräusche höre und aus der Befürchtung Gewissheit wird, dass sich jemand Fremdes – ein Einbrecher – im Haus befindet: Wie soll man sich dann verhalten? Wir waren uns einig, in solch einer Situation keinesfalls die Konfrontation zu suchen, sich der Person nicht in den Weg zu stellen, sondern das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen und einen Notruf zu tätigen. Die Polizei versicherte, dass es in Einrichtungen selten so weit kommt, fand es aber gut, dass wir uns darüber ausgetauscht haben. Am Ende war ich froh, dass bei uns nicht viel gestohlen worden war und keine Person zu Schaden kam. Die Reparatur des Fensters wurde zeitnah erledigt und der neue Schrank war schnell aufgebaut. Der anfängliche Schreck im Team und das Kopfkino, das entstand, waren schon eine größere Herausforderung, die wir aber gut bewältigt haben.
Teresa, ein Geschwisterkind, das schon die zweite Klasse besucht, war von den Erzählungen ihrer Schwester über den Einbruch so inspiriert, dass sie einen kleinen Roman mit dem Titel „ Peng Peng“ darüber geschrieben hat.