Teamfortbildung – für Eltern fast so etwas wie ein rotes Tuch. „Ist die Kita etwa schon wieder geschlossen?“, höre ich dann Eltern auf dem Flur schimpfen. Ich erinnere mich noch, dass es in einem Kindergartenjahr sogar nötig wurde, kurzfristig einen Elternabend zum Thema „Fortbildungen und Schließungstage“ anzusetzen. Und das kam so: Eigentlich hatten wir unsere Fortbildungstage schon zu Beginn des Jahres angekündigt und kurz vor dem Termin durch Aushänge noch einmal daran erinnert. Trotzdem klingelte es am ersten Fortbildungstag pünktlich um sieben Uhr: „Guten Morgen?“ Leas Mutter mit ihrer Tochter im Schlepptau schaute mich irritiert an, weil ich in der Tür stehenblieb und nicht wie sonst den Weg in die Kita freigab. „Guten Morgen! Wir haben eine Fortbildung und die Kita ist drei Tage geschlossen“ erklärte ich. Der Blick der Mutter verdüsterte sich: „Das muss einem doch gesagt werden!“ Entrüstet packte sie Lea und stapfte laut schimpfend davon.
Leider versuchten am selben Tag noch weitere Eltern, ihre Kinder zu bringen. Doch letztlich hatte sich die Schließung wohl herumgesprochen, denn an den beiden folgenden Tagen konnten wir uns konzentriert unserer Fortbildung „Gesprächsführung mit schwierigen Eltern“ widmen. Sie war lehr- und hilfreich, aber nach drei Tagen waren wir dann auch froh, dass die Kita wieder öffnete.
Ein paar Tage später klingelte morgens das Telefon. Am Apparat war die Vorsitzende des Presbyteriums: „Frau Mönter!“ Oh, dieser Ton verhieß nichts Gutes. Sie ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen und schien sehr aufgebracht. „So geht das aber nicht!“ Noch ahnte ich nicht, warum sie so wütend war. Denn ich war mir keiner Schuld bewusst. Mit rotem Kopf und offenem Mund lauschte ich ihren Worten. Einige Kolleginnen blieben interessiert stehen und nach einer Weile – ich hatte noch immer nichts gesagt – begannen die ersten zu kichern. Es muss recht amüsant gewirkt haben, wie ich dauernd wortlos in den Hörer nickte und mir zusehends die Röte ins Gesicht stieg. Zwischendurch schüttelte ich auch mal ungläubig den Kopf und legte dann schweigend auf. „Was ist denn passiert?“ Gespannt warteten die Kolleginnen, bis ich halbwegs wieder zu mir gekommen war. „Ihr glaubt nicht, was dem Presbyterium zu Ohren gekommen ist. Beim Einkaufen ist die Vorsitzende angesprochen worden: Was denn unsere Kita für eine Arbeitsmoral hätte? Wir hätten die Kita einfach mal so für drei Tage geschlossen und hätten in der Zeit Orgien gefeiert.“ Jetzt waren die Kolleginnen völlig perplex. „Es wäre alles beobachtet worden“, fuhr ich fort. „Im Mitarbeiterzimmer hätte ein Bierfass gestanden, wir hätten laute Musik gehört und in den Gruppenräumen getanzt. Da das Presbyterium um den guten Ruf der Gemeinde fürchtet, verlangt es von uns eine sofortige Stellungnahme.“
Besonders unerfreulich war, dass uns selbst niemand mit den Vorwürfen konfrontiert hatte. So hatten wir auch keine Gelegenheit, uns davon zu distanzieren. In der darauffolgenden Zeit wurde die Geschichte immer hanebüchener: Es hieß, wir hätten Männer zu Besuch gehabt und in der Turnhalle an den Stangen getanzt. Immer wieder wären wir freizügig bekleidet in Polonaisen durch das Außengelände gezogen. Und am ersten Tag, als die Kita wieder öffnete, hätten wir müde und unkonzentriert gewirkt. Die Kita wäre ein einziges Sodom und Gomorrha gewesen.
Umgehend beraumten wir einen Elternabend an, denn diesen Unterstellungen musste sofort widersprochen werden. Das Schlimmste war nämlich, dass ihnen sogar noch Glauben geschenkt wurde. Das machte uns völlig fassungslos und da half uns auch nicht das frisch erworbene Fortbildungswissen. An jenem Elternabend konnten wir die Gerüchte zwar als unwahr widerlegen und üble Nachrede dieser Art hat uns zum Glück auch nie mehr ereilt. Trotzdem haben wir noch lange daran genagt.
Viele Grüße
Ihre