Unser Konzept und Budget sowie die Bereitschaft der Eltern, zusätzlich Geld zu zahlen, machten es uns lange möglich, eine Köchin anzustellen, die jeden Mittag kochte: frisches Gemüse, Kartoffeln, Fleisch oder Fisch. Am Geburtstag durften sich die Kinder sogar ihr Lieblingsessen wünschen. Deswegen gab es häufiger als uns lieb war Pommes und Würstchen mit Ketchup. Jeden Freitag nannten die Kinder ein Gericht und wir versuchten, aus allen Wünschen einen abwechslungsreichen Wochenplan zu zaubern.
Doch irgendwann schwand die Bereitschaft der Eltern, für das Mittagessen so viel draufzuzahlen. Gerade in Corona-Zeiten müssen viele Familien aufs Geld achten. Der Elternrat beschloss, dass wir uns für die Mittagssituation etwas anderes einfallen lassen sollten. In Teamsitzungen kam es daraufhin zu heißen Diskussionen: Sollte etwa abwechselnd immer eine von uns kochen? „Meine Spezialität ist angebranntes Rührei mit verkohlten Fischstäbchen“, verkündete eine Kollegin, die wenig Lust hatte, neben der Kernarbeit auch noch zu kochen. Nein, das wollten wir den Kindern nicht antun. Eine andere Kollegin liebäugelte mit der neuen Aufgabe, zog allerdings die gehobene Küche vor: „Tonkabohnen, Röstaromen – den Kindern Gaumenfreuden bereiten. Nicht husch, husch, sondern mit Liebe gekocht“. Sie schaute wohl gern Kochsendungen im Fernsehen. „Also Röstaromen, egal ob verbranntes oder Gourmet-Essen, kommen nicht infrage,“ bestimmte ich. „Dazu gehört aber auch die passende Tischdeko“, säuselte die Kollegin unbeirrt weiter. In Gedanken sah ich schon, wie sich die Kolleginnen passende Dekorationen ausdachten: Blumendeko oder zu Calamares eine Meeres-Deko mit Regenbogenfisch und „Findet Nemo“, der kunstvoll an der Decke baumelt. Essen mit allen Sinnen ... Ich schüttelte energisch den Kopf: Dann würde sich alles nur noch ums Essen drehen. Viele Kolleginnen hatten ähnliche Bedenken. Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns für einen Caterer, der fertige und portionierte Mahlzeiten tiefgefroren liefert: „Ohne Kochkenntnisse vor Ort zubereitet. Kein Warmhalten, kein Vitaminverlust!“ Das klang einfach, gesund und zeitsparend. Kein verbranntes Essen, keine Röstaromen, keine Tischdeko. Die Kolleginnen waren dafür, das Presbyterium stimmte zu, die Eltern waren einverstanden. Wir hatten uns für einen Anbieter entschieden, der auf Kitas spezialisiert war.
Futtern wie bei Muttern – das Angebot war unerschöpflich. Kurz darauf war alles bereit für die Premiere. Ich sollte die Erste sein, die Essen im Konvektomat erhitzt. Dazu hatte mich der Mitarbeiter der Firma genauestens instruiert. Der neue Tiefkühlschrank quoll über vor Essen und ich konnte es kaum erwarten, tätig zu werden. Zum Start hatten wir ein Essen ausgesucht, das bei den Kindern äußerst beliebt ist: Milchreis. Die Früchte blubberten schon auf dem Herd. Hastig holte ich die Tüten mit Milchreis aus dem Tiefkühlschrank und während sie sich im Konvektomat erwärmten, wurde emsig der Tisch gedeckt. Es funktionierte wunderbar und nach nur dreißig Minuten war alles fertig. Stolz wollte ich das Essen in die bereitgestellten Schüsseln füllen, als ich verdutzt bemerkte, dass der Milchreis unterschiedliche Farben hatte. In einigen Tüten war er appetitlich weiß, in anderen eher gelblich. Ob er verdorben war? Vorsichtig probierte ich beide Farben. Oh je, wir hätten die Tütchen vielleicht beschriften sollen, denn in der Eile hatte ich auch Kartoffelpüree erhitzt. Panisch durchforstete ich den Gefrierschrank nach einer Alternative, die auch rasch gefunden war. Innerhalb der nächsten halben Stunde war das Essen endlich fertig und Sie werden es kaum glauben: Als erstes Menu aus dem Konvektomat gab es Pommes mit Würstchen und Ketchup und zum Nachtisch heiße Früchte mit einem Klecks Milchreis. Den Kindern hat’s geschmeckt und das ist ja die Hauptsache, oder?
Viele Grüße
Ihre Petra Mönter