Manchmal lasse ich in meinem Büro alles stehen und liegen und gehe in die Gruppen. Auch neulich gönnte ich mir zwischendurch wieder so ein kurzes „Bürofrei“. Oft nehme ich dann meinen Proviant mit, setze mich in einem Gruppenraum an den Frühstückstisch und schaue den Kindern beim Spielen zu. Meist bleibe ich nicht lange allein. Diesmal setzten sich Sören, Jerôme und Marie zu mir. Sören packte seine Dose aus und rief erfreut: „Eine Kiwi!“ Diese Frucht mochte er wohl besonders gern. Marie schüttelte bedauernd den Kopf: „Ich darf keine Kiwi!“ Verständnislos fragte Sören: „Wieso? Kiwi schmeckt doch super und ist gesund.“ Darauf Marie: „Ich hab eine Allörgie. Ich krieg immer ganz viele Pickel im Mund, wenn ich Kiwi esse.“ Jetzt schaltete sich Jerôme ein und nickte zustimmend: „ Ja, das ist echt schlimm. Ich hab auch eine Allörgie.“ Auf meine Nachfrage antwortete er, er habe eine Strohallergie. Davon hatte ich noch nie gehört und hakte nach, worin sich diese Allergie denn äußere. Jerôme seufzte: „Wenn ich über ein Feld laufe, jucken meine Augen und ich muss weinen – obwohl ich gar nicht traurig bin. Und dann krieg ich auch noch Schnupfen.“ „Heuschnupfen“, ergänzte ich. „Nee, das ist immer nur, wenn ich im Frühling übers Feld gehe. Da ist kein Heu.“ Damit war das Thema für ihn erledigt und er biss genüsslich in sein Käsebrötchen. Inzwischen war Mike dazugekommen, der die letzten Sätze von Jerôme noch gehört hatte. Mit Blick auf das Käsebrötchen meinte er: „Wenn ich Käse esse, platzt meine Lunge!“ Die anderen Kinder am Frühstückstisch nickten. Mike war somit einer von ihnen und durfte sich dazusetzen.
Nebenan in der Rollenspielecke besprachen sich gerade die Kinder: „Du bist die Mutter“, bestimmte Hannah an Karla gerichtet. Jaja, das ewige Vater-Mutter-Kind-Spiel, dachte ich so bei mir. Doch plötzlich horchte ich auf. „Und du bist ihr Freund“, verdonnerte Hannah Justus. Lina und Luise sollten Karlas Kinder spielen. „Aber wenn ich zwei Kinder habe, sind wir doch eine Familie. Warum bin ich nicht verheiratet, sondern hab nur ’nen Freund?“, beschwerte sich Karla. „Bist du doch. Der Vater ist ja Max. Aber der ist auf Reise und als Ersatz kommt der Freund.“ Karla wirkte verwirrt und Hannah wurde langsam ungeduldig. „Du bist die Mutter und Max hat auf der Reise seine Sekretärin dabei. Die spielt Luna, denn die hat auch ’ne Brille!“ Max wehrte sich: „Luna spielt gar nicht mit.“ Aber das ließ Hannah nicht gelten. Max sollte in den Flur gehen und so tun, als säße er im Zug. „Und was mach ich jetzt?“, fragte Justus. „Ihr habt echt keine Fantasie“, schimpfte Hannah, und begann so zu tun, als würde sie Kaffee kochen. „Ich bin jetzt die Putzfrau“, erklärte sie. „So, Frau Meier, hier ist Ihr Kaffee! Und dann putze ich die Küche“. Karla schenkte sich und Justus einen imaginären Kaffee ein. Hannah bearbeitete die Spielküche mit einem großen Lappen. „Los“, herrschte sie Justus an, „du musst Karla jetzt küssen.“ Justus weigerte sich: „Ich hab doch keinen Test! In echt müssen wir Maske tragen und erst mal ’nen Test machen!“ „Stimmt, küssen nur mit Test“, resignierte Hannah. Schnell improvisierten die Kinder und bauten eine Corona-Teststation auf. Eifrig planten sie die Test-Durchführung und schon bald waren alle Kleinen und Großen involviert. Die ganze Kita wurde zur Teststation. Einige Kinder malten Zertifikate, andere holten sich Lolli-Tests bei der Köchin, die von einem Geburtstag noch kleine Lutscher übrig hatte. Auf welch tolle Ideen die Kinder doch kamen! Der Vormittag verging wie im Flug und an diesem Tag wurde mir bewusst: Die Zeiten ändern sich. In Spielen und Gesprächen geht es um völlig neue Inhalte ... Aber das ist gut so! Finden Sie nicht auch?
Herzlichst
Ihre
Petra Mönter