Kinder an die MachtGeheime Gedanken einer Kitaleitung

Geheime Gedanken einer Kita-Leitung: Die Zaubertür
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Bestimmt haben Sie dieses Lied von Herbert Grönemeyer schon mal gehört. Oft denke ich: Wenn es bei uns Erwachsenen doch auch so einfach wäre wie bei den Kindern … In unserer Kita erleben wir täglich Konflikte zwischen Kindern. Letztens zum Beispiel hatte Momo einen hohen Turm gebaut, der bis zur (nicht allzu hohen) Decke reichen sollte. Um die letzten Steine setzen zu können, fragte sie nach der Leiter. Plötzlich schlich Max um die Ecke und brachte den Turm zum Einsturz. Momo wurde wütend und weinte bitterlich. „Du bist nicht mehr mein Freund!“, schrie sie laut. Einige Kinder trösteten sie: „Komm, wir bauen den Turm wieder auf.“ Gesagt, getan und Momo war versöhnt. Zu meiner großen Überraschung liefen mir schon mittags Momo und Max in trauter Zweisamkeit entgegen. „Habt ihr euch wieder vertragen?“, fragte ich, worauf die beiden mich irritiert anschauten. „Max sollte doch nicht mehr dein Freund sein, Momo,“ schob ich hinterher. Momo winkte ab: „Da war ich ja noch sauer.“ Offensichtlich war sie es inzwischen nicht mehr. Lachend liefen die beiden zu ihren Jacken, um gemeinsam draußen im Sand zu spielen. Oder ich erinnere mich an die Situation mit Tim, der eines Morgens richtig schlecht gelaunt war. Und so konnte er Elyas nicht ertragen, weil der so guter Dinge war und die ganze Zeit vor sich hinsang. Gleich mehrfach hatte Tim ihn angeknurrt, er solle doch gefälligst still sein. Aber Elyas ignorierte das und sang immer weiter, weil er sich auf den Besuch seiner Oma am Nachmittag freute. „Jetzt reicht’s!“, schnaubte Tim schließlich und bewarf Elyas mit einem Baustein. „Das hast du davon!“ Elyas weinte laut und trug eine Beule am Kopf davon. Trotzdem sah ich die beiden kurze Zeit danach wieder zusammen toben und draußen Fußball spielen. Als wäre nichts gewesen.

In diesem Alter sind Streitigkeiten an der Tagesordnung, aber die meisten Kinder sind nicht nachtragend. Sie können sich problemlos schon bald wieder vertragen und der Vorfall ist vergessen, weil sie sich ja eigentlich immer gut verstanden haben. Bei uns Erwachsenen funktioniert das offenbar nicht mehr so ohne Weiteres. Aber warum? Ist unsere Welt, ist unsere Zeit womöglich zu kompliziert geworden? Oder sind wir Erwachsenen vielleicht empfindlicher geworden, wenn unsere Gefühle verletzt werden? Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass bei Streitigkeiten immer seltener eine Lösung oder ein Kompromiss gesucht wird. Man schaue nur ins Internet, wo Beleidigungen und Verunglimpfungen mittlerweile zur Normalität gehören, wo andere Meinungen aggressiv abgewertet werden und die Fronten völlig verhärtet sind. Klar ist aber doch: Damit Konflikte nicht endlos eskalieren, muss das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ irgendwann durchbrochen werden.

„Kinder berechnen nicht, was sie tun“, heißt es sinngemäß bei Herbert Grönemeyer. Und im Grunde wollen sie auch keine Macht, sondern leben im Hier und Jetzt. In dem einen Moment sind sie wütend und Minuten später lachen sie schon wieder und interessieren sich für ganz andere Sachen. Die meisten Kinder haben ein gutes Gespür dafür, was gerade wichtig ist. Das Morgen interessiert sie noch nicht, weil sie nicht im Voraus planen. Sie sind zufrieden mit dem, was sie haben. Jedes Ding verspricht Abenteuer und kann in der Fantasie alles sein. Diese Haltung ist uns Erwachsenen angesichts brutaler Realitäten weitgehend abhandengekommen. Aber vielleicht müssen wir wieder mehr von Kindern lernen und bei ihnen abschauen. „Armeen aus Gummibärchen“ – „Kriege werden aufgegessen“: Wenn es doch auch in der Weltpolitik bloß so einfach wäre …

Herzlichst
Ihre Petra Mönter

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