Wie sieht bei Ihren Öffnungszeiten der Arbeitstag einer Fachkraft aus?
In einer normalen Woche klingelt der Wecker einiger Fachkräfte schon mal um 4:30 Uhr. Schließlich soll die Kita pünktlich um 5:30 Uhr für die ersten, teilweise noch schlafenden Kinder öffnen. Dafür hat eine andere Fachkraft den Wecker für den Rest der Woche abgestellt. Sie kommt entspannt um 12:30 Uhr zum Dienst und bleibt für alle Kinder, deren Eltern sie arbeitsbedingt erst um 20:30 Uhr abholen können. So schaffen wir es auch, dass die Kita sogar am Wochenende von 6:00 bis 14:30 Uhr für berufstätige Eltern öffnen kann.
Wie kam es zu diesen ungewöhnlichen Öffnungszeiten?
Unsere Öffnungszeiten orientieren sich an den Dienstzeiten der Eltern, die vor allem in der Krankenpflege und im ärztlichen Bereich tätig sind. Frühdienste der Eltern beginnen ab 6:00 Uhr und Spätdienste gehen in der Regel bis 20:00 Uhr. Auch Arbeitszeiten am Wochenende gehören für Pflegeberufe zum Alltag. Doch passende Kinderbetreuung, die die Arbeit in solchen Berufen ermöglicht, ist Mangelware. Ist ein Elternteil dann in der Situation, entweder alleinerziehend zu sein, keine eigenen Eltern in derselben Stadt oder eine/einen Partner*in mit identischen Herausforderungen zu haben, ist er vor immense Probleme gestellt, die im Extremfall existenzbedrohend werden können.
Warum liegt Ihnen die Situation der Eltern so am Herzen?
Angesichts des beschriebenen Dilemmas stellt sich scheinbar nur die Frage nach zwei Alternativen: Müssen Eltern aufgrund fehlender oder eingeschränkter Betreuungszeiten auf Kinder und Familie verzichten? Oder soll das Gesundheitssystem, das ohnehin schon unter chronischem Fachkräftemangel leidet, auf weiteres Personal verzichten? Intakte Familien, die trotz eines Arbeitsplatzes mit Schichtdienst Kinder haben wollen, werden mit dem (vorgeschobenen) Argument des Kindeswohls strukturell benachteiligt. Dass es dabei vor allem Frauen trifft, ist das Ergebnis versäumter Strukturveränderungen in den letzten Jahrzehnten. So haben wir uns überlegt: Wie kann die Betreuung der Kinder trotz der Hindernisse gelingen, ohne dass sie auf Förderung, Freundschaft, Struktur, Beziehungen, also eine positive Gesamtentwicklung verzichten müssen?
Besteht nicht doch die Gefahr, dass das Kindeswohl auf der Strecke bleibt?
Bei allem Bestreben, den Eltern ihre Arbeit zu ermöglichen, muss der Blick auf das Kind natürlich unser Schwerpunkt bleiben. Das verlangt unseren Eltern beispielsweise bei der Eingewöhnung mehr ab als in anderen Kitas. Denn Eingewöhnung in Früh-, Spät- und Wochenenddiensten muss geplant und auf das Kind zugeschnitten werden. Dafür braucht es mehr Zeit, Geduld und größeres Vertrauen in Kita und Fachkräfte. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass die Kinder für Wochenendtage genauso wie ihre Eltern freie Ausgleichstage bekommen. Um gleichzeitig flexibel sein zu können, haben wir eine maximale Betreuungszeit für 14 Tage festgelegt. Diese wird von den Fachkräften kontrolliert. Die Eltern sind somit angehalten, auch für ihre Kinder das Wochenende nachzuholen. Da ist dann die Solidarität der Kolleg*innen der Eltern gefragt.
Was erwarten Sie im Gegenzug von den betroffenen Eltern?
Wir müssen auch bei den arbeitenden Eltern entsprechendes Verständnis schaffen. Ihnen muss klar sein, dass sie ihre Kinder an Tagen, an denen diese bis 20:30 Uhr in der Kita bleiben, erst zum Mittagessen bringen können. Aber so können sie vormittags noch Zeit mit ihren Kindern verbringen. Wichtig ist uns ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kita-Zeiten und Familienzeiten des Kindes. An dieser Stelle sind Vertrauen und Ehrlichkeit das Wichtigste in der Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Eltern. Der Blick muss jederzeit aufs Kind und sein Wohlbefinden gerichtet sein.
Was bedeutet das konkret für die Fachkräfte Ihrer Einrichtung?
Unsere Fachkräfte sind besonders gefordert, da sich die Kinder innerhalb eines riesigen Zeitfensters in der Kita und Gruppe aufhalten. So kann es sein, dass eine Fachkraft in Teilzeit bestimmte Kinder über mehrere Tage gar nicht sieht. Auch sehen manche Kinder andere Kinder ihrer Gruppe nur kurz oder gar nicht, wenn man vom Extremfall ausgeht, dass ein Kind während des Frühdienstes der Eltern, also etwa von 5:30 Uhr bis 12:00 Uhr, und ein anderes Kind während des späten Spätdienstes der Eltern anwesend ist, also von 12:00 Uhr bis 20:30 Uhr. Die besondere Herausforderung besteht darin, trotzdem alle Kinder im Blick zu behalten und individuell zu fördern.
Können Sie noch weitere positive Effekte Ihrer Öffnungszeiten benennen?
Die besonderen Randzeiten und die Betreuung am Wochenende sind solchen Kindern vorbehalten, deren Eltern an diesen Tagen beide arbeiten. Das hat zur Folge, dass die Randzeiten oft nur von drei bis zehn Kindern (bei 189 Plätzen) besucht werden. Bei so einem idealen Fachkraft-Kind-Schlüssel können die Fachkräfte viel intensiver mit den Kindern in Beziehung treten, besser auf sie eingehen und sich ihrer Bedürfnisse annehmen. Aktivitäten mit drei Kindern werden wesentlich intensiver erlebt. Die Tatsache, dass hier Kinder aller Altersklassen zusammenkommen, bietet ihnen zudem verstärkt die Möglichkeit, voneinander und miteinander zu lernen. Durch die langgezogenen Öffnungszeiten sind die Phasen, in denen alle Kinder gleichzeitig anwesend sind, kürzer im Vergleich zu anderen Einrichtungen. Auch daraus ergibt sich für die Kinder eine bessere Betreuungssituation.
Was können Sie Kitas mit auf den Weg geben, die den Schritt zu längeren Öffnungszeiten wagen möchten?
Ein Plädoyer für mehr Toleranz und Respekt vor der Unterschiedlichkeit jedes Lebensentwurfs. Oft wird Eltern, die ungewöhnliche Betreuungszeiten nutzen, noch immer der Vorwurf der Rabeneltern gemacht – so wie vor Jahren Müttern, die ihre Kinder in die Krippe brachten. Wer so argumentiert, vergisst, die Kinder selbst in den Blick zu nehmen: Würde es ihnen wirklich helfen, wenn sich ihre Eltern deshalb den Berufswunsch versagen? Oder wenn das Geld nicht ausreicht, weil schwierige Dienstzeiten nicht übernommen werden können? Vielen Eltern genügt ja schon das Wissen um die Möglichkeit, solche Dienste zu übernehmen. Und sie nutzen die Betreuungszeiten meist auch nur dann, wenn es nicht anders geht. Sofern es sich machen lässt, werden eben doch Großeltern und Freunde gefragt oder Dienste getauscht. Wenn aber Oma und Opa mal ausfallen oder gar nicht vor Ort leben, gibt es dem Arbeitgeber und den Eltern Sicherheit, auf ein System zurückgreifen zu können, das entsprechende Öffnungszeiten anbietet und so die Besetzung mit Fachkräften, aber auch deren Arbeitsplatz sichert.
Öffnungszeiten Kita Campuskinder
Die Kita hat zu folgenden Zeiten geöffnet:
montags bis freitags 5:30 – 17:30 Uhr, alle vier Wochen: montags bis freitags 5:30 – 20:30 Uhr
Im zweiwöchigen Wechsel hat die Kita am Wochenende samstags und sonntags sowie an Feiertagen von 6:00 – 14:30 Uhr geöffnet. Diese Zeiten stehen ausschließlich denjenigen Eltern zur Verfügung, die an diesen Tagen beide arbeiten.