Der ehrlichste Job der WeltLeiten und leiten lassen - Szenen aus dem Kita-Chaos

Kinder tragen das Herz auf der Zunge. Wohl bei keinem anderen Beruf kommt man so intensiv in den Genuss davon.

Der ehrlichste Job der Welt
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Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass genau diese Tatsache im Team regelmäßig für ebenso viele Lacher wie Tränen sorgt. „Aber Ehrlichkeit ist doch so wichtig und wir sollten uns da mal mehr ein Beispiel an den Kindern nehmen!“ Ich kann diesen Einwurf der Kollegin förmlich schon hören und ein Teil von mir will da ja auch wirklich zustimmen. Aber eigentlich ist es doch so, dass alle, die sich tagtäglich mit der Ehrlichkeit von 25 knallharten 3- bis 6-Jährigen konfrontiert sehen, mir zustimmen müssten. Die kleinen Kritiker:innen haben so manchen Spruch auf Lager, da fällt dir glatt der Kaffee aus der Hand.

Also ja, natürlich freuen sich alle Pädagog:innen darüber, wenn Kinder offen ihre Meinung sagen. Aber mal ehrlich: Dass von meiner letzten Diät nicht mehr viel zu sehen ist, ist ja schon traurig genug. Da braucht es nicht auch noch Emma, die – während sie ihre bedenklich süße Milchschnitte verputzt – mich darauf hinweist, dass ich vielleicht etwas weniger Schokolade essen sollte. Ich wette, keine Pädagogin, kein Pädagoge wollte diese charmante Ehrlichkeit der Kinder missen, wo sie doch oft genug für solche grandiosen Momente sorgt.

Oh Mensch, was ich schon so alles über großartige Situationen zu Hause mit Eltern erzählt bekommen habe. Natürlich verändert es deinen Blick auf den Anzug tragenden Business-Dad, wenn dir seine Tochter erzählt, dass Papa zu Hause auf der Couch immer absichtlich laut pupst – und deshalb kürzlich sogar seine Unterhose wechseln musste. Ob das wirklich so war? Auf jeden Fall musste ich schon recht heftig in mich hinein schmunzeln. Und was soll ich sagen: Mit ihrer Ehrlichkeit haben mich die Kinder schon in vielerlei Hinsicht bereichert. Sei es mit der überlebenswichtigen Fähigkeit, auch in den merkwürdigsten Situationen ein neutrales Gesicht zu wahren (beispielsweise im Elterngespräch mit dem pupsenden Unterhosen-Dad), oder sei es mit der Einführung eines „Kinder-Feedback-Tags“ im Team. Bei diesem sagt man sich gegenseitig einfach mal geradeheraus, was man so denkt. Kleine Kostprobe gefällig? Endlich darf man der Kollegin nahelegen, die Lieder ihres Morgenkreises zukünftig vielleicht doch besser von einer CD begleiten zu lassen statt vom schiefen Glockenspiel. Und in der Teamrunde darf man ganz ohne Zurückhaltung äußern, wie besch... man es findet, dass die Organisation des Sommerfests wieder mal an denselben zwei Leuten hängen bleibt. Aber vielleicht wird dieses Feedback ja bald auch von den Kids übernommen. Die machen uns damit nämlich auf großartige Weise vor, dass man liebenswürdig und zugleich gnadenlos ehrlich sein kann – zumindest, solange man unter 1,20 Meter groß ist.

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