„Haben Sie meine E-Mail schon gelesen?“leiten.pech.pannen

Selbst bei langer Erfahrung und professioneller Routine kann es manchmal ein einziger Satz sein, der die Leitung kurzzeitig aus dem Konzept bringt.

In meinen vier Jahren als Kita-Leitung habe ich schon so manche Herausforderungen meistern „dürfen“, und zwar nicht nur solche durch den Träger oder durch das Team, sondern auch Herausforderungen durch die Eltern. Ich bilde mir ein, mit der Zeit immer gelassener und sicherer in der Zusammenarbeit mit ihnen geworden zu sein – außer wenn mir wieder einmal auf dem Flur die Frage eines Elternteils entgegenschallt: „Haben Sie meine E-Mail schon gelesen?“

Denn ganz gleich, wie nett und freundlich dieser Elternteil seine Nachfrage auch formuliert: Selbstverständlich renne ich – sobald die Person mich nicht mehr sieht – sofort los direkt zu meinem Computer und checke meine Mails. Sonst würde mich diese Frage den ganzen Tag nicht mehr loslassen. Aus Sorge, dass es eine Beschwerde sein könnte, dass ich einen Fehler gemacht haben könnte oder dass vielleicht etwas Schlimmes vorgefallen ist. Mein eigenes Selbstbewusstsein hin oder her: Wir haben in den letzten Jahren so viel mit Eltern erlebt, dass die Sorge vielleicht sogar berechtigt ist: Drohungen mit dem Anwalt, weil wir unsere Schließzeiten nicht an ihren Familienurlaub angepasst haben, zurückgenommene Kündigungen, weil die andere Kita dann doch nicht besser war als unsere, persönliche Beleidigungen, weil wir aus Personalnot mehrere Gruppen zusammenlegen mussten oder ein Ausflug ausgefallen war. Aber was ist es diesmal? Und was kommt da auf mich und die Kita jetzt schon wieder zu?

Können Sie verstehen, warum mir ungelesene und unbeantwortete Mails noch immer oft ein Graus sind? Denn natürlich ist klar: Die Ungewissheit nehme ich auf jeden Fall mit nach Hause – in den Feierabend oder ins Wochenende. Dort grüble ich so lange vor mich hin, bis ich schließlich doch über das Handy einen schnellen Blick in die Mails werfe. Entweder ruiniere ich mir damit dann meine Freizeit, weil ich das Anliegen innerlich bereits bearbeite, oder ich kann zum Glück erleichtert aufatmen. In den allermeisten Fällen ist es am Ende nämlich doch nur der Bescheid zu einer Beitragsermäßigung, die Anmeldung eines Geschwisterkindes oder ein nettes Feedback zum letzten Kita-Fest.

Im Grunde müsste ich einfach nur an Ort und Stelle direkt zurückfragen: „Nein, worum geht es denn?“ Aber daran arbeite ich noch.

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