Immer wieder sitze ich in meinem Büro oder abends auf dem Sofa und denke so: Wenn ich aufschreiben würde, was ich als Kita-Leiterin alles erlebe, würde mir kein Mensch glauben, denn:
- Wurdet ihr schon mal von Eltern bedroht, weil ihr bei euren Schließzeiten nicht die Schulferien anderer Bundesländer berücksichtigt habt?
- Oder seid ihr schon mal urplötzlich in Sorgerechtstreitigkeiten einer Familie geraten, obwohl ihr nur einen Kita-Platz anbieten wolltet?
- Einige Eltern würden mich am liebsten zu Hause besuchen, weil sie „noch kurz eine Frage“ zu ihrem Kind hätten.
- Und dann gibt es die Eltern, die 15 Minuten vor Betreuungsbeginn sturmklingeln, weil sie ihr Kind unbedingt schon abgeben wollen.
- Würden euch Personen aus nicht-pädagogischen Berufen ernsthaft abnehmen, dass das schlimmste Mittagessen in der Kita Reis ist, weil man ihn noch tagelang überall findet?
- Oder müsst ihr auch manchmal die Polizei rufen, weil Abholpersonen alkoholisiert zur Kita kommen – natürlich mit Auto?
Überzeugt Eltern mal davon, dass es keine gute Idee ist, ihr Kind unbemerkt abzuholen, indem sie es einfach über den Zaun heben. Manchmal braucht die Bewilligung der Entwicklungsförderung eines Kindes so lange, dass es bereits eingeschult ist, wenn sie dann durch ist.
- Habt ihr Außenstehenden mal erzählt, dass es in der Kita ganz normal ist, dass Eltern ihre kranken Kinder bringen, die Fachkräfte sich bei ihnen anstecken und die Eltern dann wütend sind, weil die Einrichtung aus Personalnot schließen muss?
- Lässt sich irgendeine Vorstellung davon vermitteln, wie endlos man in der Teamsitzung mit zehn Fachkräften über Dekoration und Verpflegung beim jährlichen Winterfest diskutieren kann?
Und versucht mal, jemandem zu erklären, dass es unmöglich ist, den Urlaub von 15 Personen zu koordinieren, die alle gleichzeitig gehen wollen und nicht einsehen, warum es nicht klappt, sodass gelost werden muss.
Ich bemühe mich da immer aufs Neue. Aber das meiste klingt so irreal, dass keine Fantasie dafür ausreicht, sich das alles auszumalen – außer man erlebt es täglich selbst. Selbstverständlich bleiben solche Erzählungen auch bei uns datenschutzrechtlich einwandfrei. Könnte ich aber nicht davon erzählen, dann würde ich wohl jede Woche einmal platzen vor lauter Eindrücken, die verarbeitet werden müssen. Aber vielleicht trage ich ja so zu mehr Verständnis für unseren anspruchsvollen Beruf bei – fernab vom Klischee der kaffeetrinkenden und puzzelnden Erzieherin. Und wenn sich dann noch der eine oder andere pädagogische Nachwuchs begeistern lässt, sich in den täglichen Trubel zu stürzen – umso besser. Denn sind wir mal ehrlich: Genau solche kuriosen Erlebnisse machen den Beruf doch auch abwechslungsreich und spannend.
Als alternativen Titel für meine Kita-Biografie habe ich mir übrigens: „Zwischen Papierstapeln, Kopfläusen und Sommerfest – Aus dem Alltag einer Kita-Leitung“ überlegt.